Ab und an – in der Vergangenheit aus Zeitmangel leider immer seltener –, arbeite ich ja auch als Webdesigner. Als ich im Februar ein wissenschaftliches Webprojekt zu Ende gearbeitet hatte, das auf Wunsch meiner Kundin (Dr. Sabine Panzram, Historikerin an der Uni Hamburg) aus statischen Webseiten bestand, war noch nicht abzusehen, wie dynamisch sich das Ganze innerhalb kürzester Zeit entwickeln sollte.
Gedacht war Toletum (Vorstellung hier im Blog) zunächst nur als Infoseite über einen einmal im Jahr abzuhaltenden Workshop des Netzwerkes samt Vorstellung der Teilnehmer. Im Lauf der Zeit wurde klar, ein Blog muss her, um die regelmäßig hinzukommenden Nachrichten in einer ordentlichen und zeitgemäßen Form zu präsentieren. Seit heute hat Toletum, das Netzwerk zur Erforschung der Iberischen Halbinsel in der Antike, auch ein Blog. Und so schaut es aus, das Toletum-Blog:
Unfassbar, was man alle bedenken muss, wenn man zwei Layouts (das der statischen Webseiten) und das des Blog-Themes (Twenty Ten), in eines verschmelzen will. Nach dem Drehen an etlichen Schrauben in den beiden Stylesheets ist es aber gelungen, das Blog so aussehen zu lassen wie den Rest der Webpräsenz.
Wen das Thema Antike auf der Iberischen Halbinsel interessiert, den kann ich nur ermuntern, sich die Website und vor allem das Blog einmal anzuschauen und ggfs den RSS-Feed zu abonnieren. Dort informiert Dr. Sabine Panzram fortlaufend (in der Regel einmal die Woche) mit stets sehr aktuellen Tipps über Ausgrabungen und Veranstaltungen zum Thema. Im Bereich Recherche sind zudem gute Quellen rund um die Toletum-relevanten Themen aufgeführt: Epigraphische Datenbanken, Adressen für die einschlägige Literaturrecherche und – gerade für Nachwuchswissenschaftler von Bedeutung – eine gute Übersicht zur Graduierten- bzw. Promotionsförderung deutscher Stiftungen. Toletum hat auch einen Facebook-Account. Da sage noch einer, die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Antike sei nicht in der Neuzeit angekommen. 😉
Es ist keine allzu neue Kulturtheorie, dass alle erschaffene Kunst ein Remix aus der bereits bestehenden ist. Trotzdem sind diese Dokumentationen, die noch fortgesetzt werden, wichtige Veranschaulichungen, dass dem so ist. Noch im Juni soll Teil 3 kommen, im späteren Sommer Teil 4. Alle Infos gibt’s im Blog des Projektes. Über die Remix-Kultur kann man sehr viel lernen, wenn man sich die Doku-Serie «Everything is a Remix» von Kirby Ferguson (Teil 1 & 2) und Robert Grigsby Wilson (Teil 2a) anschaut.
Vor ein paar Jahren habe ich diesen wunderbaren irischen Low-Budget-Film mit dem kurzen Titel «Once» gesehen: Ein irischer Straßenmusiker (gespielt von Glen Hansard) trifft auf eine tschechische Blumenverkäuferin (Markéta Irglová). Die Musik im Film ist so grandios wie die Geschichte:
Den Film hatte ich leider danach vergessen. Also scheinbar jedenfalls. Gestern Abend hat mich eine Mitspielerin beim Badminton auf «Once» angesprochen (warum, dazu später mehr). Doch da konnte ich mich zunächst nicht an ihn erinnern. Neugierig geworden, habe ich heute danach recherchiert und wusste bei den ersten Bildern und beim ersten Takt der Musik aus dem Trailer, dass ich den Film damals gesehen hatte. Die beiden Protagonisten haben – vom Erfolg des Filmes angespornt (u.a. Oscar für den Titlelsong «Falling Slowly») – unter dem Namen The Swell Season weiter Musik gemacht. Ausführliche Infos dazu gibt’s in der laut.de-Biographie.
In der Nacht zuvor hatte ich durch einen Tipp von Franziska (das ist die o.g. Badminton-Mitspielerin) auf Facebook das großartige Lied «The Rain» von «The Swell Season» entdeckt und war sofort begeistert. Deshalb sprach sie mich auch gestern Abend auf die Geschichte an und fragte, ob ich nicht den Film kenne. Mittlerweile habe ich mir das Album Strict Joy (2009) gekauft und bin höchst begeistert. Wie «The Swell Season» die ganze Zeit an mir vorüber gehen konnte, weiß ich auch nicht.
Aus dem Album, das mir insgesamt ausgesprochen gut gefällt, soll hier zum Abschluss des Artikels der Song «I Have Loved You Wrong» ertönen, den es auch in einer Live-Fassung zu bestaunen gibt:
Wie im Leben gibt es auch bei der Beliebtheit von Webseiten Aufs und Abs. Text & Blog geht es da nicht anders. Mein Blog steigt und fällt im monatlich von Wikio veröffentlichten Ranking in der Rubrik Medien. Momentan geht es gerade mal wieder bergauf, von 10 auf 7. So bleibt es nicht langweilig. Wie immer mein Rat: schaut euch auch die anderen Blogs an.
Die Preview auf das Juni-Ranking im Bereich Medien (hier der Vergleich zum Vormonat Mai 2011):
…und was zu lesen – eine gute Analyse von Enrique Dans (@edans) zur Haltung der politischen Parteien gegenüber den Spanischen Protesten: El futuro y los partidos políticos frente a la #spanishrevolution. Tenor seines Textes: Durch Schweigen vergrößern sie das Desaster. Was Dans zu den Fehlern der spanischen Politiker sagt, ist durchaus auch lehrreich für die politischen Parteien in Deutschland. Als Kostprobe für nicht Spanischsprechende übersetze ich einen Abschnitt aus dem Text:
Por el momento, la respuesta de los políticos al movimiento 15M ha sido de una pasividad total. No se comenta nada, no se le da importancia, no se dice nada. La mejor receta para el desastre. Lo comentamos antes de las elecciones, y es preciso volverlo a reseñar: los políticos pretenden hacer que este movimiento no existe, hacen oídos sordos y se tapan los ojos ante una ciudadanía indignada que sigue exigiendo cambios. Creen que esto va a desaparecer solo. Y no es así.
Die Sendung mit der Maus würde sagen: «Das war spanisch». Nun das Ganze auf Deutsch:
Bisher beantworten die Politiker die Bewegung 15M (Anm. d. Ü.: nach Startdatum 15. Mai benannt) absolut passiv. Sie kommentieren nichts, schenken ihr keine Beachtung, sie sagen einfach nichts. Das beste Rezept für ein Desaster. Wir haben das schon vor den Wahlen gesagt, und es soll nochmal erwähnt werden: die Politiker versuchen so zu tun, als ob es diese Bewegung nicht gäbe, sie verschließen Augen und Ohren vor der empörten Gesellschaft, die weiterhin den Wandel fordert. Sie glauben, dass das alles wieder von alleine verschwinde. Dem ist aber nicht so.
Ich berichte hier im Blog – im Gegensatz zu den Print- und TV-Medien in Deutschland – von Anfang an über die Proteste in Spanien. Und zwar in der Ausführlichkeit und durch Verlinkung der relevanten Quellen, wie es der Bedeutung dieses Phänomens entspricht, das in Spanien alles, aber auch wirklich alles, auf den Kopf stellt. Es wird wieder mal Zeit, einige der wichtigen Quellen, die ich fortlaufend auf Twitter und in meinem Mister-Wong-Account teile, hier im Blog zusammen zu fassen.
Vornweg einer der besten Artikel der letzten Tage. Veröffentlicht im Tagesspiegel. Geschrieben hat ihn der in Spanien und Brasilien lebende Publizist Bernardo Gutiérrez, (mit hervorragendem Blog Desde Alfa Centauro, auf Twitter: @bernardosampa), übersetzt wurde er von Philipp Lichterbeck: Jugendproteste in Spanien. Yes, we camp. Dort heißt es etwa:
Zum politischen, digitalen und ökonomischen Widerspruch gesellte sich der demokratische. Auf Spaniens Plätzen wird weiterhin gezeltet. Junge. Erwachsene. Linke. Der eine oder andere konservative Wähler. Doch die Parteien erwähnen nicht einmal die Bewegung „15M“, die sich dank des Internets schnell internationalisiert hat. Während die Bewegung ein Referendum über die Rettung der Banken mit Steuergeldern fordert, behaupten die Politiker: „Das System funktioniert.“ Die Hellsichtigen verstehen die Spanishrevolution als Avantgarde auf dem Weg zum politischen System 2.0. Es wird partizipativer und demokratischer sein als das bisherige. Zurzeit wird im Netz die Wikipartei geboren. Gleichzeitig aber veranstaltet die spanische Volkspartei Pressekonferenzen ohne das Recht auf Nachfragen. Die Politik panzert sich. Gegen das, was draußen langsam wächst und gedeiht.
Noch stärker als bei uns, versuchen natürlich auch die konservativen Medien in Spanien, vorneweg die staatlichen, wenn möglich weg zu schauen oder die Proteste als orientierungs- oder haltlos zu diskreditieren. Ich spreche dabei gar nicht von dem üblen rechtsextremen Propagandasender Intereconomia TV (kritische Rezension auf Pues vaya tele, Sender dort verlinkt). Nein, auch beim staatlichen Sender TVE ist das zu sehen. Klar, sie berichten über die Proteste, geht ja auch nicht anders, die Leute sind ja auch nicht blöd und würden sich wundern, dass ihre Plätze belagert sind und nichts davon in den Nachrichten käme. Um so schöner ist dieser kleine Vorfall aus der gestrigen Champions-League-Berichterstattung von TVE, als ein live berichtender Reporter plötzlich von Protestschildern in die Kamera haltenden Demonstranten überrascht wurde. Schnell wurde auf andere Bilder umgeschaltet:
Wer darüber hinaus die gestrigen Solidarbekundungen von der Madrider Puerta del Sol hin zu ihren Mitprotestierenden in Barcelona gesehen hat, bekam einen Eindruck davon, wie die landesweite Solidarität in Spanien ganz neue Formen annimmt. Eine Karrikatur von Luis Davila mit dem Titel Paradojas, die gestern rasche Verbreitung über Twitter fand, bringt sehr schön auf den Punkt, dass die neu soziale Bewegung in allen Regionen Spaniens stattfindet und zu einer nationalen Versöhnung der ansonsten auf ihre Eigenständigkeit pochenden Autonomías führen wird, die so bis vor Kurzem noch undenkbar schien. Zum besseren Verständnis der Karrikatur: Bildu ist ein baskisches Wahlbündnis der Parteien Eusko Alkartasuna und Alternatiba Eraikitzen für die Kommunal- und Regionalwahlen vom 22. Mai 2011. In der Sprechblase steht: «Aber ging es nicht darum, die Gewalt zu verurteilen?». Bild unbedingt in groß betrachten (Klick):
Unabhängig welche Entscheidung die Asamblea (Versammlung) auf der Puerta del Sol heute fällen wird (siehe «Der Tag der Entscheidung» von Irena Lozano: El día decisivo de #acampadasol), dieser Protest der Massen wird weiter gehen. In welcher Form auch immer. Eine durchgehende Zeltbelagerung der öffentlichen Plätze ist dabei sicher nicht das Mittel der Wahl. Ich gehe davon aus, das die Acampadas vorerst langsam auslaufen werden. Der Protest, das Einfordern von wirklichen Reformen, angefangen bei einer – wie berichtet – dringend notwendigen Wahlrechtsreform, die Untersuchung der politischen Verantwortung für die eines Rechtsstaats unwürdigen Polizeiverbrechen an der Plaza Catalunya (die Petition gegen den katalanischen Innenminister Felip Puig hat bereits über 60.000 Unterschriften). All das wird ganz ohne Zweifel weiter gehen.
Der Prozess, den Democracia Real Ya (Wahre Demokratie jetzt) angestoßen hat, ist nicht mehr aufzuhalten. Große Teile der spanischen Bevölkerung solidarisieren sich, weit über die direkt von der Krise betroffenen Bevölkerungsschichten hinaus, und vor allem weit über die Jugend hinaus, die diesen Prozess über das Internet angestoßen und auf die öffentlichen Plätze und in die netzfernen Kreise hinausgetragen hat. Man schaue nur in die Gesichter an von Acampadasol. Las caras del cambio – Die Gesichter des Wandels:
Was heute Vormittag in Barcelona vor sich ging, ist ungeheuerlich. Die Polizei hatte den Auftrag, die gewaltfreie Versammlung der protestierenden Demonstranten an der Plaza de Cataluña zu räumen. Unter dem Vorwand, dass die Reinigungsfahrzeuge dort passieren müssten. Weil morgen dort die spanischen Fans das Champions-League-Spiel von Barça feiern werden. Das Alleine ist schon absurd genug. Aber das Verheerende ist der in dieser Form durch nichts zu verantwortende, unverhältnismäßige Polizeieinsatz, der laut SpOn (Update: und Tagesschau) zu über 120 Verletzten, darunter 37 Polizisten, führte.
Ich habe das alles live verfolgen können, wie mit mir Abertausende von Menschen. Wir konnten, oder besser mussten, heute Vormittag online mit zusehen, wie das Recht im wahrsten Sinnes des Wortes in einer vollkommen aus dem Ruder gelaufenen Polizeiaktion mit Füßen getreten wurde. Und mit Schlagstöcken und Gummigeschossen. Wohl gemerkt: gegen gewaltfrei protestierende Menschen. Und dann sahen wir diese Reporterin im rosa Sommerkleidchen, die tapfer vor Ort für Antena 3 berichtete. Der private Sender hat überhaupt eine gute journalistische Arbeit abgeliefert. Während das (ganz offensichtlich unter parteipolitischem Druck) schweigende staatliche Fernsehen, auch in seinem rund um die Uhr laufenden Nachrichtenkanal 24 horas, weg schaute, war es Antena 3, die live berichteten und die Polizeivertreter mit den schrecklichen Bildern und dem Vorgehen der Mossos konfrontierten. Hier ein Ausschnitt aus der Berichterstattung, die man im Livestream verfolgen konnte:
Die ganze Grausamkeit wird in diesen Bildern deutlich: Blutverschmierte Polizeischutzschilder (Flickr), ein Rollstuhlfahrer, der vorher noch als friedliche Form des Protestes eine Blume in Händen hielt (El País), wird indirekt attackiert (Flickr). Auch wenn er nicht das Ziel der Schläge war, die galten einer Personen hinter dem Rollstuhl (Flickr), so wurde sein Rollstuhl doch stark beschädigt. Ganz zu schweigen von der respekt- und würdelosen Bedrohung des Rollstuhlfahrers.
Als Fan des FC St. Pauli freue ich mich zwar, dass auch ein Fan der Kiezkicker unter den friedfertigen Demonstranten war (SpOn & El País), aber insgesamt waren die Bilder, die wir heute aus Barcelona mit ansehen mussten, schrecklich. Ich kann meine Wut über dieses – natürlich auch und zu aller erst – von politischer Seite zu verantwortende Verbrechen gegen gewaltlosen Protest gar nicht in richtige Worte fassen. Die Bilder sprechen einmal mehr für sich.
Die richtigen Worte zu diesem Geschehen hat zum Beispiel Enrique Dans gefunden: Die „Demokratie“ frisst ihre Kinder: La “democracia” comiéndose a sus hijos. Von Enrique Dans habe ich vor einigen Jahren schon mal den großartigen Text «Geteilte Aufmerksamkeit» aus dem Spanischen übersetzt. Ich bitte um Verständnis, dass ich den heutigen Text nicht auch noch übersetzen kann. Wer kein Spanisch kann, dem hilft notgedrungen die leider wie immer schlechte Google-Übersetzung. Sein persönliches Resümee ist: Er hatte eigentlich mit den Protesten nicht so viel am Hut. Aber nun, nachdem die Polizei so dermaßen unverhältnismäßig und so brutal gegen den friedlichen Protest vorgegangen ist, solidarisiert er sich uneingeschränkt mit Democracia Real Ya.
Update 1:00 Uhr: Am Abend hatte man sich in Madrid auf der Puerta del Sol (Video) mit Barcelona solidarisiert und dort sind nach Angaben von Andreu Buenafuente, im TV-Programm Al Rojo Vivo, auf La Sexta 2, mehr als 10.000 Menschen auf der Plaza de Cataluña (Video) zusammen gekommen, um gegen den Polizeieinsatz am Morgen zu demonstrieren: