Die Spanischen Proteste im internationalen Blick


[Video via @twitgeridoo]

„Sauberkeit, das beeindruckt den Schwaben“. Wirklich ein sehr gelungener Beitrag des ZDF-Auslandsjournals, der zugleich einen Einblick in den Spanischen Protestalltag gibt. Der Film zeigt den schwäbischen Piraten @Tobias Raff beim Besuch der Acampada Sol in Madrid. Der S21-erfahrene Aktivist hat zusammen mit Thomas Schulz (Vorstellung auf ABC: El alemán que quiso que la voz de los „indignados“ se escuchara en Europa) das Infoportal spanishrevolution.eu ins Netz gestellt.

Wer sich dafür interessiert, wer eigentlich die Auslöser der Spanischen Proteste eine Woche vor der Wahl waren, kann sich auf Spanisch bei periodismohumano darüber informieren: Los primeros 40 de Sol. Dort gibt es auch ein eindrucksvolles Foto des ersten Camp-Grüppchens aus der initialen Protest-Nacht an der Puerta del Sol vom 15./16. Mai 2011.

Eine gute englischsprachige Einschätzung der Spanischen Proteste liefert Martin Varsavsky (@martinvars) in der Huffington Post: «„Spanish Revolution“ of 2011 Explained»:

The local and legislative elections of May 22nd gave encouraging results for the #spanishrevolution. Like an internet start up it seems to have reached its first million people as that is the number of people who have not voted the large 2 political parties. On this election the vote for alternative parties and the votes „en blanco“ or for nobody in particular grew by a million. Now PP supporters like to argue that this was really a strong defeat of the ruling socialists whose votes went down by 1.6 million and a win for PP whose votes went up by 400K but this does not explain why PP did not get all or most of the votes of PSOE. While the exact effect of #spanishrevolution on the election will not be known what is clear is that small parties and general discontent grew at the expense of the ruling party and so did the conservative opposition.

Politik, Spanisch

Rainald Grebe: Ich bin Ihr Kandidat

Grebe ist einfach große Klasse. Das Video (oben) zum Artikel (unten). Beide Male äußert er sich sehr zutreffend über glatt gebügelte, alles andere als authentische Politiker. Die Zuspitzung trifft natürlich nicht auf alle zu, aber eben doch auf viele. Ein Ausschnitt aus dem Interview, der zum Video passt:

SZ: Wieso tun sich Leute so was überhaupt noch an?

Grebe: Ich beschäftige mich gerade intensiv mit Politik, weil ich an einem Theaterprojekt anlässlich der kommenden Wahl in Berlin arbeite. Ich habe schon mehrere Kandidaten getroffen und Politiker kommen meist aus eher farblosen Berufen. Lehrer und Juristen gelten nach den Kriterien unserer Mediengesellschaft als langweilig. Wenn diese Aktenschränke ins Rampenlicht gestellt werden und sich inszenieren müssen, dann verändert das den Menschen.

Das ganze Interview, heute in der SZ veröffentlicht, ist sehr lesenswert. Wenn es um die Einschätzung der aktuellen Politik in Deutschland geht, ist der diesjährige Preisträger des Deutschen Kleinkunstpreises mein Kandidat.
Rainald Grebe: „Schwarz passt besser zu grün als rot“.

Artikel, Politik, Video

No vota – die wählt nicht


Direktlink YouTube

Unfassbare Dreistigkeit einer offenbar von der Realität dermaßen entrückten Person, dass man wenigstens froh sein kann, dass sie in diesem Bezirk nicht gewählt wurde. Auf dem Video sieht man die unglaubliche Szene, in der die PP-Kandidatin Maite Huerta in L’Alfàs del Pi (Alicante) die Stimmabgabe einer Rollstuhlfahrerin nicht zulassen will, weil deren Begleiterin, die gleichzeitig die Dolmetscherin der aus Norwegen stammenden Frau im Rollstuhl ist, den Wahlumschlag berührte.

Man sieht, wie wichtig es ist, dass die Proteste in Spanien weiter gehen.

[via Ignacio Escolar]

Politik, Spanisch

Wahlen in Spanien & Bremen. Über die Gefahr von Nichtwählern für die Demokratie und die Frage quo vadis Piratenpartei?

Die gestrigen Wahlen in Spanien (das Hauptthema der vergangenen Woche auf Text&Blog mit sage und schreibe 5 Artikeln, pro Werktag einer: I, II, III, IV,V) und in Bremen haben eines gemeinsam gehabt: die Nichtwähler haben sie gewonnen.

Die Wahlbeteiligung in Bremen wird bei traurigen 56,6 % vermutet (Quelle: Zweitstimme auf ZEITonline). In Spanien war sie zwar mit 66,23 % (Quelle: público.es) etwas höher, doch das hängt natürlich mit der enormen Mobilisierung der letzten Protestwoche zusammen. Die Protestierenden forderten ja ausdrücklich zur Wahlbeteiligung auf. Ihr «No les votes» (Wählt sie nicht!) bezog sich dezidiert auf die vom Wahlgesetz übervorteilten beiden großen Parteien PSOE und PP. Doch beinahe 1 Million Spanier (ca. 4,2 % der Wahlberechtigten) hat bewusst ungültig gewählt: 584.012 mit leeren, 389.506 mit ungültig gemachten Wahlzetteln. Nimmt man all das zusammen, ergibt sich diese denkwürdige Wahlgrafik:

Elecciones 2011. Quelle: @pabloguil
schwarz: Enthaltung, hellgrau: leere Wahlzettel, dunkelgrau: ungültige Stimmen.

Ein wichtiges Ziel der Protestierenden ist eine Wahlrechtsreform. Eine überaus verständliche Forderung, wenn man sich ein bisschen näher mit dem Wahlrecht in Spanien befasst, das die beiden großen Parteien extrem übervorteilt. Heute hat das – danke nochmal an @westernworld für den Hinweis – ein Kommentator auf ZEITonline sehr gut beschrieben: Demokratieproblem durch Wahlgesetz.

Zurück zu Bremen: wie gesagt sehr enttäuschende Wahlbeteiligung. Man könnte sicher eine vergleichbare Grafik zur spanischen erstellen (vllt. gibt es sie auch schon? Hinweise gerne in den Kommentaren). Nichtwähler sind in einer Demokratie ein großes Problem, wie dieser Forschungsbericht der Projektgruppe „Nichtwähler“ an der Universität Bremen aufzeigt: Wahlenthaltung als politisches ProblemWahlenthaltung als politisches Problem – Ein Forschungsbericht unter besonderer Berücksichtigung der Situation im Stadtstaat Bremen. Institut für Politikwissenschaft, Univ. Bremen. Verantwortlich: Prof. Dr. Lothar Probst (Projektleiter). Erscheinungsdatum: 09/2006 (PDF).

Als Pirat hatte ich mir, gerade auch weil zum 1. Mal bei einer Landtagswahl die 16- und 17-Jährigen wählen durften, ein besseres Ergebnis erhofft. Immerhin holten die Piraten bei den Jugendlichen 7 %. Die Piraten bekamen bei der Bremenwahl auch mehr Listenstimmen als die FDP (Quelle: Peter Mühlbauer auf Telepolis). Und mehr Stimmen als die NPD. Die 2%, bei denen wir wohl letztlich gelandet sind, momentan schlägt der Auszählungspegel wieder zur 1,9 Prozentmarke aus (Quelle:wahlen-bremen.de, 290 von 507 Wahlbezirke) sind ein stolzes Ergebnis für eine so junge Partei. Damit sich in Sachen Netzpolitik und Urheberrecht-Novellierung aber mehr tut in Deutschland, müssen noch mehr Menschen darüber informiert werden, wie wichtig diese Themen sind.

Zum Thema, ob 2 % nun enttäuschend oder beachtlich sind, gab es heute Abend zwei interessante Blogartikel. Der 1. von Paul Meyer-Dunker (@PMDHamburg): Bringt uns näher zum Horizont und der 2., im Prinzip darauf reagierend, aber sicher hatte er dieses Thema eh auf dem Radar: Claudius Holler (@C_Holler): Mistige 2 Prozent oder auch Splitter(im A****)Partei. Claudius beendet seinen Artikel mit den Worten:

Wir brauchen keine Diskussion über Themenerweiterung oder Fokussierung, die Themen sind schon da, sie kommen zu uns und schließen einander nicht aus, solang wir sie weiterhin so demokratisch und hitzig diskutieren. Wir sind ein wachsender Organismus und arbeiten im laufenden Betrieb und da ist jede einzelne Wählerstimme, eine die es Ernst meint. Die Frage ist nicht, ob wir in ein Parlament einziehen, sondern wann und wo. Und jetzt lasst uns Hausaufgaben machen.

Tja, was soll man jetzt davon halten? Muss man nicht noch deutlicher auf die Menschen zugehen, die nicht so recht wissen, wofür die Piratenpartei denn nun – über die bekannten Themen Netzpolitik und Urheberrecht hinaus – steht? Bin noch unschlüssig. Ich zitiere aus meinem dortigen Kommentar:

Danke für die gut nachvollziehbaren Gedanken. …
Du skizzierst ein Dilemma, dass sicher ganz viele Piraten (den Kommentator eingeschlossen) momentan bewegt: Wie erreicht man eine Umsetzung seiner politischen Ziele:

1. indem man sich auf seine Kernthemen fokusiert und die weiter nach vorn bringt (was auch heißt: ins Bewusstsein derer, die diese Themen so noch gar nicht auf dem Schirm haben) oder

2. öffnet man die Themen und sagt: was liegt denn alles im Argen, was muss besser werden in der Politik (und spricht damit die Leute an, die sich der gleichen Probleme bereits bewusst sind und nun in den Piraten die Partei sehen, die das umsetzt).

Ich bin mir zwischen 1 und 2 noch nicht ganz sicher. Wenn Euch dieses Thema auch interessiert, lest die Blogartikel bei Paul und Claudius.

Ich erlaube mir nach so viel politischem Zweifel und Nachdenklichkeit zum Abschluss noch einen weniger ernst gemeinten Ausblick: Wie geht es jetzt weiter in Spanien? Während Oppositionsführer Rajoy von der rechtskonservativen PP den ihm vollkommen unverdient zugeschusterten Sieg anstarrt (via @obdriftwood: Rajoy mirando cosas), wird sich die #acampadasol daran machen, dieses anspruchsvolle Mindmap-Konzept umzusetzen: Una linea sobre el mar (via @PaulMato). Es bleibt spannend. 😉

Politik, Spanisch

Bewegte Zeiten und bewegende Bilder aus Spanien

In dieser Woche ist Text & Blog zugegeben etwas einseitig. Doch besondere semi-revolutionäre Umstände auf der Iberischen Halbinsel erfordern auch besondere Maßnahmen.
Ausschnitt aus der Tweetzusammenstellung der Onlinedabatte #debatuits zu den Spanischen Protesten auf Deutsche Welle España Gestern Abend musste meine Twitter-Timeline schon Einiges an Geduld aufbringen, weil ich 90 Minuten lang im Rahmen der Online-Debatte der Deutschen Welle zu den Protesten in Spanien, bei der ich die Ehre hatte als deutscher Vertreter teilzunehmen, auf spanisch getwittert habe. José Luis Orihuela hat unsere Debattenbeiträge, bei denen wir versucht haben, die Geschehnisse in Spanien und ihre möglichen Auswirkungen einzuordnen, dankenswerterweise zusammengefasst. Ich danke der Deutschen Welle, und insbesondere José A. Gayarre, der das Ganze organisiert hatte, für diesen interessanten Austausch.

Momentan habe ich das Gefühl, es gibt immer noch ziemlich viel Unsicherheit bei der Einordnung der Geschehnisse in Spanien. Es passiert sehr viel, ich müsste – wie hier bereits mit einem wichtigen Text von Ignacio Escolar geschehen – das halbe spanische Netz übersetzen, um euch bestens auf dem Laufenden zu halten. Aber vielleicht wollt ihr ja auch gar nicht mit so vielen Informationen traktiert werden? Bilder sagen außerdem manchmal mehr als 1000 Worte, ihr kennt ja den abgehalfterten Spruch, an dem doch so viel Wahres dran ist. Alle, die heute Nacht um Mitternacht die Stille auf der Puerta del Sol erlebten (auf Twitter war nicht nur bei mir von Gänsehaut und piel de gallina die Rede), als die Glocken die Mitternacht und die Reflexión einläuteten, wissen, welche Magie mittlerweile von diesem symbolträchtigen Platz ausgeht:


Direktlink YouTube

[Video via @iamzenitraM, hier noch eine längere Fassung.]

Doch wenn man die Puerta del Sol immer nur durch die Webcam-Livebilder betrachtet, entsteht gar kein richtiges Gefühl dafür, wie voll es dort ist. Daher möchte ich nach so vielen auf Twitter und hier im Blog gelieferten Textinformationen zur Einordnung der #SpanishRevolution (von der sich noch zeigen muss, ob es eine Revolution sein wird), ein Bild liefern, das genau genommen nicht eines, sondern 130 Bilder ist. Zusammengefügt zu einer navigierbaren Panorama-Aufnahme des Zentrums der Spanischen Proteste, deren Reiz sich erst im Fullscreen (auf das unterste rechte Symbol klicken) erschließt:

Panoramaaufnahme der Puerta del Sol vom 20. Mai 2011

Das Besondere an dieser Aufnahme ist nicht nur, dass man sie nach rechts oder links bewegen kann, sondern vor allem, dass man auch hineinzoomen kann. Erst im Detail bekommt die Menschenmenge ein Gesicht:

Nach Reinzoomen entdeckt man viele Details der Aufnahme

Foto, Politik, Spanisch

Spanien erwacht: #SpanishRevolution


Direktlink YouTube

Die Spanier erwachen, die massiven Bewegungen der letzten Tage in 60 spanischen Städten öffnen vielen Menschen im ganzen Land im wahrsten Sinne des Wortes die Augen. Dieses kurzes Video drückt es ganz wunderbar aus.

Auch wir in Deutschland schauen stauend zu, sind teilweise auf Vermittlung in Twitter und Blogs durch informierte Menschen angewiesen, da unsere Medien nur sehr schleppend, gestern erst mit 3-4 Tagen Verspätung einsetzend, über die aktuellen Entwicklungen in Spanien berichten. Lesetipp: Kommt la Revolución? von Andreas Glas auf jetzt.de.

Zum Thema Demokratie-Bewegung in Spanien wird es heute von 18-19 Uhr eine Online-Diskussion der Deutschen Welle (DW Spanish) geben, an der ich die Ehre habe als Mitdiskutant teilzunehmen. Dazu später mehr.

Update 13:50 Uhr: Zur Online-Debatte der Deutschen Welle habe ich einen Artikel im ciberaBlog verfasst:
Was passiert in Spanien? #spanishrevolution: Die Demokratie protestiert.

Update 21:15 Uhr: Jose Luis Orihuela hat eine erste Übersicht der Debatte veröffentlicht:

Debate en Twitter sobre el movimiento #15M organizado por Deutsche Welle
Un intento de reconstrucción de parte del debate organizado el 20/5/11 por en @dw_spanish con @carmenbeat @antonigr @textundblog @luisrull y @jlori Hashtag: #debatuits

Politik, Spanisch, Video

Ignacio Escolar: 7 Gedanken zu den Spanischen Protesten

Zur Einschätzung der aktuellen politischen Lage in Spanien ist für mich von jeher der spanische Journalist Ignacio Escolar eine der ersten Anlaufstellen. Der 1975 in Bilbao geborene und in Madrid lebende Blogger und Journalist publiziert u.a. auch als Autor auf dem sehr guten spanischen Nachrichten-Portal publico.es (zum Start vorgestellt auf cibera). In seinem Artikel Siete ideas sobre Democracia Real Ya bringt er Einiges auf den Punkt, was bestens zur Einordnung der aktuellen Proteste in Spanien dient. Für die Nicht-Spanisch-Sprechenden habe ich seine 7 Punkte übersetzt:

1. Es ist zweifellos ein Erfolg für eine erst vor knapp drei Monaten gegründete Organisation Zehntausende von Menschen in mehr als 50 Städten zu mobilisieren, und das ohne die Unterstützung einer politischen Partei, einer Gewerkschaft oder eines Massenmediums.

2. Beachtlicher Fakt: Die 15-M-ProtesteSpanier kürzen wichtige Ereignisse in dieser datierten Form ab, 15-M steht für den 15. Mai, den ersten Tag der landesweiten spanischen Demonstrationen unter dem Motto DemocraciaRealYA! haben mehr Menschen auf die Straße gebracht, als die Gewerkschaftskundgebungen am vergangenen 1. Mai.

3. Es ist eine gute Nachricht, dass die soziale Enttäuschung endlich in friedlichen Protest mündet, denn des Gegenteils, der hingebungsvollen Resignation, sind wir seit Jahren überdrüssig.

4. Beunruhigend ist die unglaubliche Distanz, die zwischen Politikern und dem Rest der Bevölkerung entstanden ist. 15-M ist nicht das einzige Symptom, dass diese Demokratie krank ist, dass sie nicht wird überleben können, wenn an der Ungerechtigkeit, der Korruption und der Straffreiheit festgehalten wird. Dass die Politiker in den Umfragen des CIS Anm. d. Übersetzers.: CIS=Centro de Investigaciones Sociológicas, Zentrum für Sozialwissenschaftliche Forschung. als eines der Hauptprobleme des Landes genannt werden, ist eine weitere Tatsache, die die Parteien nicht ignorieren sollten, wenn sie nicht wollen, dass die Gesellschaft sie übergeht.

5. Die klarste Botschaft richtet sich an die linken Parteien, speziell die PSOE. Ich zweifle, dass unter den Demonstranten vom Sonntag viele Wähler der PP waren.

6. Es irren die Politiker, die die Proteste auf ein gewaltsames Zwischenspiel reduzieren, auf eine vorübergehende Verärgerung, auf eine Strategie der Rechten die Linke bei den kommenden Wahlen zu spalten, oder einfach so auf einen Wutanfall.

7. Es irren jene, die nicht wahr haben wollen, dass die Debatte im Netz stattfindet. Es irren aber auch jene, die glauben, es reiche aus, dass #spanishrevolution in den Trending Topics auf Twitter sei, dass wirklich eine Revolution beginne.

Wie gesagt, den Text im spanischen Original gibt es bei Ignacio Escolar:
Siete ideas sobre Democracia Real Ya.

Politik, Spanisch
Buchseite 198 von 605
1 196 197 198 199 200 605