Einige Medienvertreter scheinen, ob absichtlich oder nicht, noch immer nicht verstanden zu haben, was sich momentan auf den Straßen Spaniens abspielt. Ich habe gestern Abend die Spanischen Nachrichten, den Telediario um 21 Uhr auf TV1, geschaut und dort wurde fast fünf Minuten lang über zwei Eifersuchtsdramen berichtet, um dann in gefühlten 30 Sekunden die Protestaktionen in mehreren spanischen Städten im Rahmen der Aktion DemocraciaRealYA (siehe mein Artikel von heute Nacht) rasch abzufrühstücken.
Eben stieß ich über einen mit #15mani getaggten Tweet von @radiocable auf ein weiteres Beispiel, wie heute in den Medien versucht wird, die aktuellen Ereignisse herunter zu spielen und die aufkommende Bewegung gar zu diskreditieren: Zwei Radiomoderatoren unterhalten sich im staatlichen spanischen Radio RNE in gutväterlicher Art darüber, dass man wenig Verständnis für die Proteste aufbringen könne, und dass es richtig gewesen wäre, dass die Polizei heute Morgen um 5 Uhr die Versammlung an der Puerta del Sol in Madrid aufgelöst hätte (ich habe auch darüber heute Nacht berichtet).
Und dann war Cristina aus Burgos, eine Zuhörerin, live zu hören, die auf beeindruckende Weise die Forderung nachdrücklichst vortrug, man möge den Demonstranten mehr Respekt entgegen bringen. Die Versammlungen könnten aufgelöst werden, aber die Zustimmung für den Protest quer durch alle Schichten, quer durch alle Parteien wachse. Die spanische Jugend habe von ihren Eltern und Großeltern gelernt, dass man zwar vieles mit Geduld ertragen müsse, dass es aber auch zur Würde des Menschen gehöre, sich von einem offenbar korrupten System nicht mehr alles kritiklos gefallen zu lassen. Sehr, sehr beeindruckendes zivilgesellschaftlich vorgetragenes Engagement. Auch wenn ihr kein Spanisch könnt, hört mal rein.
Auf dieser Seite von Radiocable unten rechts auf escuchar klicken und den Player mit der Pfeiltaste starten:
Cristina, la oyente que exigió a RNE respeto para los manifestantes del 15m.
Hier noch ein Video von heute, das die Demonstrationen in mehreren spanischen Städten samt jeweils eingeblendeter Teilnehmerzahlen zeigt:
Direktlink YouTube
Echt mehr als irritierend, dass das noch immer so unter den Teppich gekehrt wird.
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@Elke: Das ist wirklich absolut unverständlich. Es gibt nun, nach dem taz-Artikel von gestern, eine DPA-Meldung, von der alle abschreiben. Mediales Armutszeugnis.
Ich glaube, mit dieser Aktion wird es deutlich, wie deutsche Nachrichtenmagazine ticken, und wie die „vierte Gewalt“ eigentlich gemeint ist.
@Michael: Immerhin ist jetzt schon mal die Tagesschau aufgewacht: Junge Spanier protestieren gegen Wirtschaftsmisere.
Danke für deinen Eintrag, jetzt sehe ich etwas klarer.
@Jürgen: Gern geschehen. Nun ist die drei Tage (!) alte Nachricht auch bei SpOn angekommen. 😉