Die Webevangelisten haben einen lesenswerten Artikel zur Geschichte von Twitter geschrieben. Ein von mir aufgenommenes Foto aus der Stabi Hamburg, dem Ausrichtungsort der ersten deutschen Microblogging-Konferenz MBC09 im Januar 2009, und ein Hinweis auf Twitkrit mit @Moeffjus wunderbarem Foto von Herrn Bosch bei der Twitterlesung in Hamburg im gleichen Monat, kommen auch drin vor. Geschichts- und Kulturbewusste sollten sich diese gleichsam nette wie informative Übersicht nicht entgehen lassen: «Twitters bisher kurze Geschichte in Bildern».
Es ist schon beeindruckend, welch ungeahnte Möglichkeiten das Web-2.0 bietet, ein Buch zu bewerben. Da liest doch tatsächlich der Autor selbst in einer Art Trailer zum Buch eine Passage aus seinem Roman vor: Please listen to Mister Thomas Pynchon reading a part of «Inherent Vice»:
Auf der Website thomaspynchon.com gibt es auch den Hinweis auf das Pynchon Wiki: Inherent Vice, an dem jeder registrierte Nutzer mitwirken kann. Dort u.a. zu sehen ein komplettes Personenverzeichnis des Romans, dazu darf über den möglichen Ursprung des Titels diskutiert werden, und es gibt spoilerfreie Anmerkungen (annotations page by page) zu einzelnen Seiten, welche der Leser-Community die Konsultierung des Wikis auch bereits während der Lektüre ermöglichen.
Wer den Roman nicht auf englischBei amazon gibt’s Inherent Vice als Original in der gebundenen Ausgabe für 20,95 €, sondern in deutscher Übersetzung lesen möchte, muss noch bis 2010 warten. Übrigens wäre das mit den Trailern auch eine schöne Möglichkeit für deutsche Verlage auch mal die Übersetzer etwas mehr – und vor allem verdientermaßen ! – in den Fokus der Aufmerksamkeit eines ins Deutsche übertragenen Titels zu rücken: Indem die Übersetzer eine Passage aus ihrem Schaffen (ja, aus ihrem Schaffen, denn auch die Übersetzung setzt einen kreativen Schaffensprozess voraus) vorlesen und die Leserschaft auch mal die Stimme ihrer Übersetzer bzw. ihres Übersetzers zu hören bekäme.
Ein totgeglaubter Saxofonist aus der von Pynchon mit enormen Kenntnissen und Witz beschriebenen Rockszene der 60er Jahre kehrt zu den Lebenden zurück und wird Spitzel für die Polizei in Los Angeles. Deren in diesem Buch herausragende Vertreter Bigfoot Bjornson spricht gern von seiner Verachtung für die Hippies, die er aber im Innersten doch liebt. Daheim führt er gern seine umfassende Privatsammlung verschiedenster Stacheldrähte vor.
Das ist Pynchon-Witz, wie man ihn aus seinem Klassiker „Die Enden der Parabel“ (1973) kennt. Auch in „Inherent Vice“, dessen deutsche Übersetzung für 2010 angekündigt ist, haben fast alle Personen schräge Namen wie Japonica Fenway oder Dr. Budy Tubeside. Pynchon fügt wie gewohnt unfreiwillig komische Texte fiktiver Songs ein und hat mit 72 Jahren seinen Spaß an derbem Sex im Text nicht verloren. Auch in „Inherent Vice“ steckt hinter all dem Spaß und den sprachlichen Feuerwerken Pynchons uneingeschränkt ernstes Interesse an Gesellschaft, Geschichte, Politik.
So sehr ich David Weinberger auch schätze, ich teile seine Prognose nicht, dass das gedruckte Buch über kurz oder lang verschwinden wird. Zumindest nicht zu unseren Lebzeiten. Da halte ich es doch eher mit der Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid, die von der «haptischen Erotik des Papiers» spricht:
«Was kommt nach dem Copyright – Warum wir ein neues Urheberrecht brauchen» ist eine gute ORF-Dokumention (Regie: Günter Kaindlstorfer, 2008, 45 min.), die Matthias Zellmer im Netzlogbuch treffend mit folgenden Worten zusammenfasst:
Unaufgeregt und mit österreichischem Charme wird hier die Vergangenheit, Gegenwart und eine mögliche Zukunft des angelsächsischen Copyrights bzw. unseres Urheberrechts beleuchtet.
So wie es in dieser Doku dargestellt wird, sind sich in Einem Alle einige. Sowohl Vertreter der Rechte-Verwerter, Inhaltsproduzenten, so genannte Kreative, Politiker und Nutzer sagen, so wie es derzeit ist, kann es nicht bleiben. Aber die jeweiligen Meinungen, warum es so nicht weitergehen kann, wie auch die Ideen, wie es weitergehen könnte, sind dann aber wieder sehr unterschiedlich.
v.l.n.r.: Edlef Stabenau, Markus Trapp, Steffen Büffel. Dieses Foto entstand im Sommer 2007 bei einem Plausch zum Thema Bibliothek 2.0 im Café Schmidt in Hamburg.
Steffen Büffel (oben ganz rechts im Bild) schätze ich sehr. In mehrfacher Hinsicht: sowohl persönlich als sympathischen, hilfsbereiten Zeitgenossen, als auch fachlich als ausgewiesenen Kenner der medienwissenschaftlichen Betrachtung des Internets. Heute hat er in seinem Blog media-ocean einen längeren, überaus lesenswerten Blogartikel veröffentlicht, der drei Jahre in ihm herangereift ist. Dort beschreibt er unter anderem, dass der Schritt in die Selbstständigkeit, den als als Berater vor drei Jahren vollzogen hat, zu Beginn auf eine zentrale Sicherheit baute, das soziale Netz:
Das soziale Netz, die fachlichen und privaten Kontakte im und außerhalb des Netzes, würden mir vom Ufer jederzeit ein Leuchtturm sein. Und genau das war damals nicht nur eine stille Hoffnung, sondern war und ist auch noch heute Realität: Das Sozialkapital, die Hilfsbereitschaft, die Uneigennützigkeit, die Freundlichkeit und der wertschätzende Umgang, der mir mein soziales Kontakte-Netz entgegenbringt und die ich umgekehrt auch selbst versuche ständig in meine Netze und die Netze meiner Kontakte hineinzugeben, bilden als Grundwerte quasi das Rettungsboot in diesen stürmischen und gerade deswegen so spannenden medialen Zeiten.
Sowa – Hommage à Johannes R. Becher (Titanic, 11/89 S.35f)
Bald jährt sich der Fall der Mauer zum 20. Mal. Die Titanic macht allen geschichtsbewussten Lesern ein kaum abzulehnendes Angebot: Man kann sich auf der Titanic-Site die berühmte Zonen-Gabi-Ausgabe 11/89 kostenlos und komplett herunterladen (als PDF, ca. 19 MB). Nicht nur wegen des legendären Titels von Erich Broiler ist dieser Download empfehlenswert. Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis der Ausgabe November 1989:
Robert Gernhardt – Die Volkspolizei, dein Freund und Helfer
Schmidt/Zippert/Greser – GENSCHMAN
Eckhard Henscheid – Menschenverachtend
Waechter – Das stille Blatt/Die Rückseite
Gernhardt – Die Tränentiere
Sowa – Hommage à Johannes R. Becher
Rattelschneck – Das Betonköpfe-Haßblatt
Max Goldt – Aus Onkel Max‘ Kulturtagebuch
Boroiwak/Pfarr – Sondermann
Twitkrit hat ein neues Design bekommen. Gezaubert von Royalkomm Design aka @stijlroyal. Der frische Wind in der Feder tut gut und dem Twitkrit-Team werden die täglichen Tweet-Rezensionen nun noch leichter von der Hand gehen. Ich bin dann am Freitag wieder an der Reihe. Freu mich schon drauf, denn das Design gefällt mir richtig gut. Was meint Ihr?
Wer hier regelmäßig mit liest, weiß, dass ich sehr auf korrekte Rechtschreibung achte. Für mich als Übersetzer, Liebhaber der Sprache und als Mensch, der auch in allen anderen beruflichen Tätigkeiten sehr viel mit Texten zu tun hat, eine Selbstverständlichkeit.
Heute habe ich ein mit «Text & Blog» beschriftetes Schulheft vom Pons-Verlag zugeschickt bekommen. Dort hat man sich mein Blog in Sachen Rechtschreibung näher angeschaut und mir eine Bewertung zukommen lassen: ’ne Eins Minus hab ich bekommen, ein Fehler wurde gefunden im Blogartikel zu David Foster Wallace (Montagabend statt Montag-Abend, meint Pons).
Dass Pons dies nicht aus purem Altruismus tut, versteht sich von selbst. Sie verweisen in dem immerhin persönlich und konkret auf meinen Blogartikel über DFW eingehenden Text auf einen neuen Dienst des Pons-Verlages, den ich mir aber aus Zeitgründen noch nicht anschauen konnte. Sollte ich dies tun, schreib‘ ich hier auch was drüber. Und vergebe knallhart eine Note. 😉
Nein, ich bin kein Freund der Szenesprache. Aber die Aufgabe sie zu entschlüsseln, die sich die Duden-Redaktion und das Trendbüro in Hamburg gemeinsam mit der „Szene“ im Szenesprachenwiki vorgenommen haben, ist eine hehre. Knapp 1.500 Wörter sind bereits verzeichnet und erklärt. Jeder kann mitmachen.