Thomas Pynchon «Inherent Vice»: Literatur-Marketing & Community-Building im Web-2.0

Es ist schon beeindruckend, welch ungeahnte Möglichkeiten das Web-2.0 bietet, ein Buch zu bewerben. Da liest doch tatsächlich der Autor selbst in einer Art Trailer zum Buch eine Passage aus seinem Roman vor: Please listen to Mister Thomas Pynchon reading a part of «Inherent Vice»:


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Auf der Website thomaspynchon.com gibt es auch den Hinweis auf das Pynchon Wiki: Inherent Vice, an dem jeder registrierte Nutzer mitwirken kann. Dort u.a. zu sehen ein komplettes Personenverzeichnis des Romans, dazu darf über den möglichen Ursprung des Titels diskutiert werden, und es gibt spoilerfreie Anmerkungen (annotations page by page) zu einzelnen Seiten, welche der Leser-Community die Konsultierung des Wikis auch bereits während der Lektüre ermöglichen.

Pynchon Wiki: Inherent Vice

Wer den Roman nicht auf englischBei amazon gibt’s Inherent Vice als Original in der gebundenen Ausgabe für 20,95 €, sondern in deutscher Übersetzung lesen möchte, muss noch bis 2010 warten. Übrigens wäre das mit den Trailern auch eine schöne Möglichkeit für deutsche Verlage auch mal die Übersetzer etwas mehr – und vor allem verdientermaßen ! – in den Fokus der Aufmerksamkeit eines ins Deutsche übertragenen Titels zu rücken: Indem die Übersetzer eine Passage aus ihrem Schaffen (ja, aus ihrem Schaffen, denn auch die Übersetzung setzt einen kreativen Schaffensprozess voraus) vorlesen und die Leserschaft auch mal die Stimme ihrer Übersetzer bzw. ihres Übersetzers zu hören bekäme.

Thomas Borchert hat den Roman in diesen Tagen in der Berliner Literaturkritik vorgestellt und spricht von einem Heidenspaß auch für Nobeljuroren: „Inherent Vice“:

Ein totgeglaubter Saxofonist aus der von Pynchon mit enormen Kenntnissen und Witz beschriebenen Rockszene der 60er Jahre kehrt zu den Lebenden zurück und wird Spitzel für die Polizei in Los Angeles. Deren in diesem Buch herausragende Vertreter Bigfoot Bjornson spricht gern von seiner Verachtung für die Hippies, die er aber im Innersten doch liebt. Daheim führt er gern seine umfassende Privatsammlung verschiedenster Stacheldrähte vor.

Das ist Pynchon-Witz, wie man ihn aus seinem Klassiker „Die Enden der Parabel“ (1973) kennt. Auch in „Inherent Vice“, dessen deutsche Übersetzung für 2010 angekündigt ist, haben fast alle Personen schräge Namen wie Japonica Fenway oder Dr. Budy Tubeside. Pynchon fügt wie gewohnt unfreiwillig komische Texte fiktiver Songs ein und hat mit 72 Jahren seinen Spaß an derbem Sex im Text nicht verloren. Auch in „Inherent Vice“ steckt hinter all dem Spaß und den sprachlichen Feuerwerken Pynchons uneingeschränkt ernstes Interesse an Gesellschaft, Geschichte, Politik.

[Hinweis auf das Video via Filmtagebuch]

3 Kommentare zu „Thomas Pynchon «Inherent Vice»: Literatur-Marketing & Community-Building im Web-2.0“

  1. @der toby: Und ich freue mich über solche Kommentare, weil sie mir zeigen, dass sich jemand für das interessiert, was ich hier vorstelle. Vielen Dank!

  2. Pingback: Thomas Pynchon-Lesung: Der neue Roman “Inherent Vice” in deutscher Übersetzung im Literaturhaus Stuttgart | endoplast.de

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