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brandeins: Das Geheimnis hinter dem Erfolg des Argentinischen Kinos

Beispiel für gut gemachtes aktuelles Kino aus Argentinien: La Mirada Invisible Wer hier regelmäßig mit liest, weiß, wie sehr ich das argentinische Kino mag. Alleine die Filme, die ich letztes Jahr in diesem Artikel vorgestellt hatte, sind es wert, dass man sich näher mit dem argentinischen Film befasst. Bei der vergangen Ausgabe des Internationalen Filmfestivals in San Sebastián gehörte auch ein Argentinier zu den besten Filmen, die ich sah: Diego Lermans «La Mirada Invisible» (Der unsichtbare Blick, siehe mein Festivalbericht).

brandeins 04/2011 Was mich allerdings in den letzten zehn Jahren stets verwundert hat, war die Frage, wie es überhaupt möglich war, dass Argentinien trotz der verheerenden Wirtschafts- und Finanzkrise, in der sich das Land befand, solch ehrgeizige und kreative Filme umsetzen konnte. Im April-Heft von brandeins (Schwerpunkt: Fördern) habe ich die Antwort gefunden in dem großartigen Artikel Hollywood hilft Heimatfilm, der mittlerweile auch online zugänglich ist:

Fördern für Fortgeschrittene: Wie subventioniert man eine Branche, ohne dass es den Staat etwas kostet? Argentinien zeigt, wie das geht.
[…]
Filmrepublik Argentinien. Ein Land zwischen Anden und Atlantik, 42 Millionen Einwohner, abhängig von der Landwirtschaft, gut alle zehn Jahre von einer Wirtschaftskrise geplagt und notorisch pleite. Trotzdem wurden im vergangenen Jahr 154 Filme mit staatlicher Förderung gedreht. „In ihren Augen“ von Juan José Campanella gewann den Oscar, andere brillierten auf den Festspielen in Cannes, Berlin, Venedig und Toronto. Wie das möglich ist? Weil es dem Staat gelungen ist, ein Zuschussmodell zu finden, das ihn nichts kostet. Dadurch konnte eine Filmindustrie entstehen, die international erfolgreich ist und national gut bezahlte Arbeitsplätze schafft.

Text bei brandeins, dort am besten das PDF laden, dann hat man auch gleich alle Bilder: Hollywood hilft Heimatfilm.

Artikel, Kino, Spanisch

Toletum hat jetzt auch ein Blog

Ab und an – in der Vergangenheit aus Zeitmangel leider immer seltener –, arbeite ich ja auch als Webdesigner. Als ich im Februar ein wissenschaftliches Webprojekt zu Ende gearbeitet hatte, das auf Wunsch meiner Kundin (Dr. Sabine Panzram, Historikerin an der Uni Hamburg) aus statischen Webseiten bestand, war noch nicht abzusehen, wie dynamisch sich das Ganze innerhalb kürzester Zeit entwickeln sollte.

Gedacht war Toletum (Vorstellung hier im Blog) zunächst nur als Infoseite über einen einmal im Jahr abzuhaltenden Workshop des Netzwerkes samt Vorstellung der Teilnehmer. Im Lauf der Zeit wurde klar, ein Blog muss her, um die regelmäßig hinzukommenden Nachrichten in einer ordentlichen und zeitgemäßen Form zu präsentieren. Seit heute hat Toletum, das Netzwerk zur Erforschung der Iberischen Halbinsel in der Antike, auch ein Blog. Und so schaut es aus, das Toletum-Blog:

Seit heute online: das Toletum-Blog

Unfassbar, was man alle bedenken muss, wenn man zwei Layouts (das der statischen Webseiten) und das des Blog-Themes (Twenty Ten), in eines verschmelzen will. Nach dem Drehen an etlichen Schrauben in den beiden Stylesheets ist es aber gelungen, das Blog so aussehen zu lassen wie den Rest der Webpräsenz.

Wen das Thema Antike auf der Iberischen Halbinsel interessiert, den kann ich nur ermuntern, sich die Website und vor allem das Blog einmal anzuschauen und ggfs den RSS-Feed zu abonnieren. Dort informiert Dr. Sabine Panzram fortlaufend (in der Regel einmal die Woche) mit stets sehr aktuellen Tipps über Ausgrabungen und Veranstaltungen zum Thema. Im Bereich Recherche sind zudem gute Quellen rund um die Toletum-relevanten Themen aufgeführt: Epigraphische Datenbanken, Adressen für die einschlägige Literaturrecherche und – gerade für Nachwuchswissenschaftler von Bedeutung – eine gute Übersicht zur Graduierten- bzw. Promotionsförderung deutscher Stiftungen. Toletum hat auch einen Facebook-Account. Da sage noch einer, die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Antike sei nicht in der Neuzeit angekommen. 😉

Software, Spanisch, Webdesign

Wirkung und Zukunft der Spanischen Proteste in Bild & Text

Was zu gucken – ein hervorragendes Video, via @issis – …

Let the SOL in from Arianne Sved on Vimeo.

…und was zu lesen – eine gute Analyse von Enrique Dans (@edans) zur Haltung der politischen Parteien gegenüber den Spanischen Protesten: El futuro y los partidos políticos frente a la #spanishrevolution. Tenor seines Textes: Durch Schweigen vergrößern sie das Desaster. Was Dans zu den Fehlern der spanischen Politiker sagt, ist durchaus auch lehrreich für die politischen Parteien in Deutschland. Als Kostprobe für nicht Spanischsprechende übersetze ich einen Abschnitt aus dem Text:

Por el momento, la respuesta de los políticos al movimiento 15M ha sido de una pasividad total. No se comenta nada, no se le da importancia, no se dice nada. La mejor receta para el desastre. Lo comentamos antes de las elecciones, y es preciso volverlo a reseñar: los políticos pretenden hacer que este movimiento no existe, hacen oídos sordos y se tapan los ojos ante una ciudadanía indignada que sigue exigiendo cambios. Creen que esto va a desaparecer solo. Y no es así.

Die Sendung mit der Maus würde sagen: «Das war spanisch». Nun das Ganze auf Deutsch:

Bisher beantworten die Politiker die Bewegung 15M (Anm. d. Ü.: nach Startdatum 15. Mai benannt) absolut passiv. Sie kommentieren nichts, schenken ihr keine Beachtung, sie sagen einfach nichts. Das beste Rezept für ein Desaster. Wir haben das schon vor den Wahlen gesagt, und es soll nochmal erwähnt werden: die Politiker versuchen so zu tun, als ob es diese Bewegung nicht gäbe, sie verschließen Augen und Ohren vor der empörten Gesellschaft, die weiterhin den Wandel fordert. Sie glauben, dass das alles wieder von alleine verschwinde. Dem ist aber nicht so.

Politik, Spanisch

Prozess des Sozialen Wandels ist in Spanien nicht mehr aufzuhalten

Ich berichte hier im Blog – im Gegensatz zu den Print- und TV-Medien in Deutschland – von Anfang an über die Proteste in Spanien. Und zwar in der Ausführlichkeit und durch Verlinkung der relevanten Quellen, wie es der Bedeutung dieses Phänomens entspricht, das in Spanien alles, aber auch wirklich alles, auf den Kopf stellt. Es wird wieder mal Zeit, einige der wichtigen Quellen, die ich fortlaufend auf Twitter und in meinem Mister-Wong-Account teile, hier im Blog zusammen zu fassen.

Vornweg einer der besten Artikel der letzten Tage. Veröffentlicht im Tagesspiegel. Geschrieben hat ihn der in Spanien und Brasilien lebende Publizist Bernardo Gutiérrez, (mit hervorragendem Blog Desde Alfa Centauro, auf Twitter: @bernardosampa), übersetzt wurde er von Philipp Lichterbeck: Jugendproteste in Spanien. Yes, we camp. Dort heißt es etwa:

Zum politischen, digitalen und ökonomischen Widerspruch gesellte sich der demokratische. Auf Spaniens Plätzen wird weiterhin gezeltet. Junge. Erwachsene. Linke. Der eine oder andere konservative Wähler. Doch die Parteien erwähnen nicht einmal die Bewegung „15M“, die sich dank des Internets schnell internationalisiert hat. Während die Bewegung ein Referendum über die Rettung der Banken mit Steuergeldern fordert, behaupten die Politiker: „Das System funktioniert.“ Die Hellsichtigen verstehen die Spanishrevolution als Avantgarde auf dem Weg zum politischen System 2.0. Es wird partizipativer und demokratischer sein als das bisherige. Zurzeit wird im Netz die Wikipartei geboren. Gleichzeitig aber veranstaltet die spanische Volkspartei Pressekonferenzen ohne das Recht auf Nachfragen. Die Politik panzert sich. Gegen das, was draußen langsam wächst und gedeiht.

Noch stärker als bei uns, versuchen natürlich auch die konservativen Medien in Spanien, vorneweg die staatlichen, wenn möglich weg zu schauen oder die Proteste als orientierungs- oder haltlos zu diskreditieren. Ich spreche dabei gar nicht von dem üblen rechtsextremen Propagandasender Intereconomia TV (kritische Rezension auf Pues vaya tele, Sender dort verlinkt). Nein, auch beim staatlichen Sender TVE ist das zu sehen. Klar, sie berichten über die Proteste, geht ja auch nicht anders, die Leute sind ja auch nicht blöd und würden sich wundern, dass ihre Plätze belagert sind und nichts davon in den Nachrichten käme. Um so schöner ist dieser kleine Vorfall aus der gestrigen Champions-League-Berichterstattung von TVE, als ein live berichtender Reporter plötzlich von Protestschildern in die Kamera haltenden Demonstranten überrascht wurde. Schnell wurde auf andere Bilder umgeschaltet:

Wer darüber hinaus die gestrigen Solidarbekundungen von der Madrider Puerta del Sol hin zu ihren Mitprotestierenden in Barcelona gesehen hat, bekam einen Eindruck davon, wie die landesweite Solidarität in Spanien ganz neue Formen annimmt. Eine Karrikatur von Luis Davila mit dem Titel Paradojas, die gestern rasche Verbreitung über Twitter fand, bringt sehr schön auf den Punkt, dass die neu soziale Bewegung in allen Regionen Spaniens stattfindet und zu einer nationalen Versöhnung der ansonsten auf ihre Eigenständigkeit pochenden Autonomías führen wird, die so bis vor Kurzem noch undenkbar schien. Zum besseren Verständnis der Karrikatur: Bildu ist ein baskisches Wahlbündnis der Parteien Eusko Alkartasuna und Alternatiba Eraikitzen für die Kommunal- und Regionalwahlen vom 22. Mai 2011. In der Sprechblase steht: «Aber ging es nicht darum, die Gewalt zu verurteilen?». Bild unbedingt in groß betrachten (Klick):

Aber ging es nicht darum, die Gewalt zu verurteilen?. Karrikatur von Luis Davila

Unabhängig welche Entscheidung die Asamblea (Versammlung) auf der Puerta del Sol heute fällen wird (siehe «Der Tag der Entscheidung» von Irena Lozano: El día decisivo de #acampadasol), dieser Protest der Massen wird weiter gehen. In welcher Form auch immer. Eine durchgehende Zeltbelagerung der öffentlichen Plätze ist dabei sicher nicht das Mittel der Wahl. Ich gehe davon aus, das die Acampadas vorerst langsam auslaufen werden. Der Protest, das Einfordern von wirklichen Reformen, angefangen bei einer – wie berichtet – dringend notwendigen Wahlrechtsreform, die Untersuchung der politischen Verantwortung für die eines Rechtsstaats unwürdigen Polizeiverbrechen an der Plaza Catalunya (die Petition gegen den katalanischen Innenminister Felip Puig hat bereits über 60.000 Unterschriften). All das wird ganz ohne Zweifel weiter gehen.

Der Prozess, den Democracia Real Ya (Wahre Demokratie jetzt) angestoßen hat, ist nicht mehr aufzuhalten. Große Teile der spanischen Bevölkerung solidarisieren sich, weit über die direkt von der Krise betroffenen Bevölkerungsschichten hinaus, und vor allem weit über die Jugend hinaus, die diesen Prozess über das Internet angestoßen und auf die öffentlichen Plätze und in die netzfernen Kreise hinausgetragen hat. Man schaue nur in die Gesichter an von Acampadasol. Las caras del cambio – Die Gesichter des Wandels:

Politik, Spanisch

Unfassbare Polizeiliche Gewalt gegen friedliche Demonstranten an der Plaza de Cataluña

Was heute Vormittag in Barcelona vor sich ging, ist ungeheuerlich. Die Polizei hatte den Auftrag, die gewaltfreie Versammlung der protestierenden Demonstranten an der Plaza de Cataluña zu räumen. Unter dem Vorwand, dass die Reinigungsfahrzeuge dort passieren müssten. Weil morgen dort die spanischen Fans das Champions-League-Spiel von Barça feiern werden. Das Alleine ist schon absurd genug. Aber das Verheerende ist der in dieser Form durch nichts zu verantwortende, unverhältnismäßige Polizeieinsatz, der laut SpOn (Update: und Tagesschau) zu über 120 Verletzten, darunter 37 Polizisten, führte.

Ich habe das alles live verfolgen können, wie mit mir Abertausende von Menschen. Wir konnten, oder besser mussten, heute Vormittag online mit zusehen, wie das Recht im wahrsten Sinnes des Wortes in einer vollkommen aus dem Ruder gelaufenen Polizeiaktion mit Füßen getreten wurde. Und mit Schlagstöcken und Gummigeschossen. Wohl gemerkt: gegen gewaltfrei protestierende Menschen. Und dann sahen wir diese Reporterin im rosa Sommerkleidchen, die tapfer vor Ort für Antena 3 berichtete. Der private Sender hat überhaupt eine gute journalistische Arbeit abgeliefert. Während das (ganz offensichtlich unter parteipolitischem Druck) schweigende staatliche Fernsehen, auch in seinem rund um die Uhr laufenden Nachrichtenkanal 24 horas, weg schaute, war es Antena 3, die live berichteten und die Polizeivertreter mit den schrecklichen Bildern und dem Vorgehen der Mossos konfrontierten. Hier ein Ausschnitt aus der Berichterstattung, die man im Livestream verfolgen konnte:

Die ganze Grausamkeit wird in diesen Bildern deutlich: Blutverschmierte Polizeischutzschilder (Flickr), ein Rollstuhlfahrer, der vorher noch als friedliche Form des Protestes eine Blume in Händen hielt (El País), wird indirekt attackiert (Flickr). Auch wenn er nicht das Ziel der Schläge war, die galten einer Personen hinter dem Rollstuhl (Flickr), so wurde sein Rollstuhl doch stark beschädigt. Ganz zu schweigen von der respekt- und würdelosen Bedrohung des Rollstuhlfahrers.

Als Fan des FC St. Pauli freue ich mich zwar, dass auch ein Fan der Kiezkicker unter den friedfertigen Demonstranten war (SpOn & El País), aber insgesamt waren die Bilder, die wir heute aus Barcelona mit ansehen mussten, schrecklich. Ich kann meine Wut über dieses – natürlich auch und zu aller erst – von politischer Seite zu verantwortende Verbrechen gegen gewaltlosen Protest gar nicht in richtige Worte fassen. Die Bilder sprechen einmal mehr für sich.

Die richtigen Worte zu diesem Geschehen hat zum Beispiel Enrique Dans gefunden: Die „Demokratie“ frisst ihre Kinder: La “democracia” comiéndose a sus hijos. Von Enrique Dans habe ich vor einigen Jahren schon mal den großartigen Text «Geteilte Aufmerksamkeit» aus dem Spanischen übersetzt. Ich bitte um Verständnis, dass ich den heutigen Text nicht auch noch übersetzen kann. Wer kein Spanisch kann, dem hilft notgedrungen die leider wie immer schlechte Google-Übersetzung. Sein persönliches Resümee ist: Er hatte eigentlich mit den Protesten nicht so viel am Hut. Aber nun, nachdem die Polizei so dermaßen unverhältnismäßig und so brutal gegen den friedlichen Protest vorgegangen ist, solidarisiert er sich uneingeschränkt mit Democracia Real Ya.

Kein Wunder, dass die empörte Bevölkerung in diesem Moment zu Tausenden auf die Plaza de Cataluña zurück strömt.

Update 1:00 Uhr: Am Abend hatte man sich in Madrid auf der Puerta del Sol (Video) mit Barcelona solidarisiert und dort sind nach Angaben von Andreu Buenafuente, im TV-Programm Al Rojo Vivo, auf La Sexta 2, mehr als 10.000 Menschen auf der Plaza de Cataluña (Video) zusammen gekommen, um gegen den Polizeieinsatz am Morgen zu demonstrieren:

Politik, Spanisch

Die Spanischen Proteste im internationalen Blick


[Video via @twitgeridoo]

„Sauberkeit, das beeindruckt den Schwaben“. Wirklich ein sehr gelungener Beitrag des ZDF-Auslandsjournals, der zugleich einen Einblick in den Spanischen Protestalltag gibt. Der Film zeigt den schwäbischen Piraten @Tobias Raff beim Besuch der Acampada Sol in Madrid. Der S21-erfahrene Aktivist hat zusammen mit Thomas Schulz (Vorstellung auf ABC: El alemán que quiso que la voz de los „indignados“ se escuchara en Europa) das Infoportal spanishrevolution.eu ins Netz gestellt.

Wer sich dafür interessiert, wer eigentlich die Auslöser der Spanischen Proteste eine Woche vor der Wahl waren, kann sich auf Spanisch bei periodismohumano darüber informieren: Los primeros 40 de Sol. Dort gibt es auch ein eindrucksvolles Foto des ersten Camp-Grüppchens aus der initialen Protest-Nacht an der Puerta del Sol vom 15./16. Mai 2011.

Eine gute englischsprachige Einschätzung der Spanischen Proteste liefert Martin Varsavsky (@martinvars) in der Huffington Post: «„Spanish Revolution“ of 2011 Explained»:

The local and legislative elections of May 22nd gave encouraging results for the #spanishrevolution. Like an internet start up it seems to have reached its first million people as that is the number of people who have not voted the large 2 political parties. On this election the vote for alternative parties and the votes „en blanco“ or for nobody in particular grew by a million. Now PP supporters like to argue that this was really a strong defeat of the ruling socialists whose votes went down by 1.6 million and a win for PP whose votes went up by 400K but this does not explain why PP did not get all or most of the votes of PSOE. While the exact effect of #spanishrevolution on the election will not be known what is clear is that small parties and general discontent grew at the expense of the ruling party and so did the conservative opposition.

Politik, Spanisch

No vota – die wählt nicht


Direktlink YouTube

Unfassbare Dreistigkeit einer offenbar von der Realität dermaßen entrückten Person, dass man wenigstens froh sein kann, dass sie in diesem Bezirk nicht gewählt wurde. Auf dem Video sieht man die unglaubliche Szene, in der die PP-Kandidatin Maite Huerta in L’Alfàs del Pi (Alicante) die Stimmabgabe einer Rollstuhlfahrerin nicht zulassen will, weil deren Begleiterin, die gleichzeitig die Dolmetscherin der aus Norwegen stammenden Frau im Rollstuhl ist, den Wahlumschlag berührte.

Man sieht, wie wichtig es ist, dass die Proteste in Spanien weiter gehen.

[via Ignacio Escolar]

Politik, Spanisch

Wahlen in Spanien & Bremen. Über die Gefahr von Nichtwählern für die Demokratie und die Frage quo vadis Piratenpartei?

Die gestrigen Wahlen in Spanien (das Hauptthema der vergangenen Woche auf Text&Blog mit sage und schreibe 5 Artikeln, pro Werktag einer: I, II, III, IV,V) und in Bremen haben eines gemeinsam gehabt: die Nichtwähler haben sie gewonnen.

Die Wahlbeteiligung in Bremen wird bei traurigen 56,6 % vermutet (Quelle: Zweitstimme auf ZEITonline). In Spanien war sie zwar mit 66,23 % (Quelle: público.es) etwas höher, doch das hängt natürlich mit der enormen Mobilisierung der letzten Protestwoche zusammen. Die Protestierenden forderten ja ausdrücklich zur Wahlbeteiligung auf. Ihr «No les votes» (Wählt sie nicht!) bezog sich dezidiert auf die vom Wahlgesetz übervorteilten beiden großen Parteien PSOE und PP. Doch beinahe 1 Million Spanier (ca. 4,2 % der Wahlberechtigten) hat bewusst ungültig gewählt: 584.012 mit leeren, 389.506 mit ungültig gemachten Wahlzetteln. Nimmt man all das zusammen, ergibt sich diese denkwürdige Wahlgrafik:

Elecciones 2011. Quelle: @pabloguil
schwarz: Enthaltung, hellgrau: leere Wahlzettel, dunkelgrau: ungültige Stimmen.

Ein wichtiges Ziel der Protestierenden ist eine Wahlrechtsreform. Eine überaus verständliche Forderung, wenn man sich ein bisschen näher mit dem Wahlrecht in Spanien befasst, das die beiden großen Parteien extrem übervorteilt. Heute hat das – danke nochmal an @westernworld für den Hinweis – ein Kommentator auf ZEITonline sehr gut beschrieben: Demokratieproblem durch Wahlgesetz.

Zurück zu Bremen: wie gesagt sehr enttäuschende Wahlbeteiligung. Man könnte sicher eine vergleichbare Grafik zur spanischen erstellen (vllt. gibt es sie auch schon? Hinweise gerne in den Kommentaren). Nichtwähler sind in einer Demokratie ein großes Problem, wie dieser Forschungsbericht der Projektgruppe „Nichtwähler“ an der Universität Bremen aufzeigt: Wahlenthaltung als politisches ProblemWahlenthaltung als politisches Problem – Ein Forschungsbericht unter besonderer Berücksichtigung der Situation im Stadtstaat Bremen. Institut für Politikwissenschaft, Univ. Bremen. Verantwortlich: Prof. Dr. Lothar Probst (Projektleiter). Erscheinungsdatum: 09/2006 (PDF).

Als Pirat hatte ich mir, gerade auch weil zum 1. Mal bei einer Landtagswahl die 16- und 17-Jährigen wählen durften, ein besseres Ergebnis erhofft. Immerhin holten die Piraten bei den Jugendlichen 7 %. Die Piraten bekamen bei der Bremenwahl auch mehr Listenstimmen als die FDP (Quelle: Peter Mühlbauer auf Telepolis). Und mehr Stimmen als die NPD. Die 2%, bei denen wir wohl letztlich gelandet sind, momentan schlägt der Auszählungspegel wieder zur 1,9 Prozentmarke aus (Quelle:wahlen-bremen.de, 290 von 507 Wahlbezirke) sind ein stolzes Ergebnis für eine so junge Partei. Damit sich in Sachen Netzpolitik und Urheberrecht-Novellierung aber mehr tut in Deutschland, müssen noch mehr Menschen darüber informiert werden, wie wichtig diese Themen sind.

Zum Thema, ob 2 % nun enttäuschend oder beachtlich sind, gab es heute Abend zwei interessante Blogartikel. Der 1. von Paul Meyer-Dunker (@PMDHamburg): Bringt uns näher zum Horizont und der 2., im Prinzip darauf reagierend, aber sicher hatte er dieses Thema eh auf dem Radar: Claudius Holler (@C_Holler): Mistige 2 Prozent oder auch Splitter(im A****)Partei. Claudius beendet seinen Artikel mit den Worten:

Wir brauchen keine Diskussion über Themenerweiterung oder Fokussierung, die Themen sind schon da, sie kommen zu uns und schließen einander nicht aus, solang wir sie weiterhin so demokratisch und hitzig diskutieren. Wir sind ein wachsender Organismus und arbeiten im laufenden Betrieb und da ist jede einzelne Wählerstimme, eine die es Ernst meint. Die Frage ist nicht, ob wir in ein Parlament einziehen, sondern wann und wo. Und jetzt lasst uns Hausaufgaben machen.

Tja, was soll man jetzt davon halten? Muss man nicht noch deutlicher auf die Menschen zugehen, die nicht so recht wissen, wofür die Piratenpartei denn nun – über die bekannten Themen Netzpolitik und Urheberrecht hinaus – steht? Bin noch unschlüssig. Ich zitiere aus meinem dortigen Kommentar:

Danke für die gut nachvollziehbaren Gedanken. …
Du skizzierst ein Dilemma, dass sicher ganz viele Piraten (den Kommentator eingeschlossen) momentan bewegt: Wie erreicht man eine Umsetzung seiner politischen Ziele:

1. indem man sich auf seine Kernthemen fokusiert und die weiter nach vorn bringt (was auch heißt: ins Bewusstsein derer, die diese Themen so noch gar nicht auf dem Schirm haben) oder

2. öffnet man die Themen und sagt: was liegt denn alles im Argen, was muss besser werden in der Politik (und spricht damit die Leute an, die sich der gleichen Probleme bereits bewusst sind und nun in den Piraten die Partei sehen, die das umsetzt).

Ich bin mir zwischen 1 und 2 noch nicht ganz sicher. Wenn Euch dieses Thema auch interessiert, lest die Blogartikel bei Paul und Claudius.

Ich erlaube mir nach so viel politischem Zweifel und Nachdenklichkeit zum Abschluss noch einen weniger ernst gemeinten Ausblick: Wie geht es jetzt weiter in Spanien? Während Oppositionsführer Rajoy von der rechtskonservativen PP den ihm vollkommen unverdient zugeschusterten Sieg anstarrt (via @obdriftwood: Rajoy mirando cosas), wird sich die #acampadasol daran machen, dieses anspruchsvolle Mindmap-Konzept umzusetzen: Una linea sobre el mar (via @PaulMato). Es bleibt spannend. 😉

Politik, Spanisch
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