FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher hat wieder einmal zugeschlagen. Vor zwei Tagen – wie, als hätte ich es geahnt – hab ich noch über ihn geschrieben:
…vielleicht ein bisschen dick aufgetragen von Schirrmacher; aber der trägt ja gerne mal dick auf.
Und er hat wieder dick aufgetragen. Das Internet sei an allem Schuld: am Verfall der Werte, an der Verrohung der Menschheit, an der Pornographie, an der Kriminalität. Schnelle, unseriöse Texte verbreite das Netz und dagegen stünde die gute alte Zeitung mit ihren qualitativ hochwertigen Angeboten.
Würde man sich auf dieses niedere argumentative Niveau herablassen, müsste man Schirrmacher entgegnen, die Bild-Zeitung sei schließlich auch eine gedruckte Zeitung, die hochmanipulativ die teilweise dreistesten Lügen und Fehlinformationen verbreite, welche daraufhin im Internet, im Bildblog, tagtäglich von gut informierten Journalisten und Lesern recherchiert und richtig gestellt würden. Deshalb per se das Internet über die Zeitung zu stellen, wäre mit der gleichen Einfalt zurückgepoltert und würde der Sache selbstverständlich auch nicht gerecht.
Tut Schirrmacher nur so dumm oder ist er tatsächlich so einfältig zu glauben, bei seinem Denkanstoß Inhalt und Medium verwechseln zu können? «Wir brauchen eine Debatte» Im Rahmen seiner in Kassel am vergangenen Samstag gehaltenen Dankesrede, wo er mit dem Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache 2007 geehrt wurde. Die Süddeutsche Zeitung hat die Rede heute in Auszügen veröffentlicht., meint Schirrmacher. Ich glaube, da hat er recht. Eine so einseitige, wie er sie anstößt, brauchen wir aber nicht.
Christian Stöcker hat auf Spiegel Online unter dem Titel «Das Internet ist an allem schuld» eine lesenswerte Entgegnung auf Schirrmacher veröffentlicht. Dort schreibt er treffend:
Die Wahrheit ist: Das Internet ist als Überbringer von Nachrichten und Analysen wie geschaffen. Es ist das aufregendste journalistische Medium, das uns derzeit zur Verfügung steht. Weil es schnell sein kann, aber nicht muss. Weil es Querverweise und Verknüpfungen zu Originalquellen ermöglicht. Weil es Lesern einen schnellen Rückkanal bietet, über den sie Meinung äußern, auf Fehler hinweisen oder Fachwissen teilen können.
Und nur um das klar zu stellen: ich finde schon, dass Tageszeitungen ihre Berechtigung haben und dass sie auf absehbare Zeit überleben werden. Mir fiele es nur im Traum nicht ein, so einen wenig reflektierten Unsinn über das Medium Internet zu verbreiten, wie Schirrmacher es am Wochenende getan hat.