Politik

Rainald Grebe: Real existierende Wahlkampfkandidaten in Berlin

Fans von Rainald Grebe kennen und lieben sein Lied «Ich bin Ihr Kandidat». Unter dem selben Titel ist heute in der Berliner Zeitung seine Beobachtung zu real existierenden Wahlkampfkandidaten in Berlin erschienen. Eine überaus lohnenswerte Lektüre:

Ich habe eine kleine Reise unternommen in den letzten Monaten, eine Reise in den Berliner Wahlkampf. Aus der Reise wird ein Theaterstück, ich wollte aber auch was rausfinden, was ich mich schon lange frage: Warum kommt in dem, was ich auf der Bühne mache, Politik nicht direkt vor? Warum halte ich mich da immer raus? Das politische Kabarett mochte ich nie, das hat immer sowas Besserwisserisches, die Leute ziehen sich selbst nie in Zweifel. Ich bin da ganz anders, ich bin oft so zerbröselt und weiß nicht, was ich für eine Meinung haben soll. Auf der anderen Seite bin ich immer Info-Junkie gewesen, ich weiß genau, wie die alle heißen, wer der Staatssekretär ist. Ich schau auf Phoenix Bundestagsdebatten an. Aber es reicht nicht zu einer eigenen Haltung.

Rainald Grebe in der Berliner Zeitung: «Ich bin Ihr Kandidat».

Am Ende seines Artikels – kaum jemand verwundert dies nach Lektüre des zuvor Geschriebenen – gesteht Grebe, er wisse noch nicht, wen er am 18. September bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus wählen werde. «Wahrscheinlich irgendeine Kleinpartei», meint er. Vielleicht wählt er ja sogar die Piraten? Deren Zustimmung in der Berliner Bevölkerung (nicht nur unter Jungwählern) steigt jedenfalls von Woche zu Woche. Auch wenn das noch nichts zu sagen hat, liegt die Piratenpartei laut ZDF-Politbarometer mit 4,5 % deutlich vor einer anderen blau-gelben Kleinpartei, und somit nur noch knapp unter der so wichtigen 5-Prozenthürde (via heise: Piratenpartei in Prognosen vor FDP).

[via @annnalist]

Artikel, Politik

Politiker und die Angst vor dem Internet

Wie verlogen Teile der Politik sind, und wie dreist etwa die Attentate in Norwegen zur Verfolgung eigener politischer Ziele missbraucht werden (siehe auch Nils Minkmar: Wahn und Sinn), zeigt sehr gut der ZAPP-Bericht «Politiker und die Angst vor dem Internet». Unbedingt anschauen. Bei besonderem Interesse auch das interessante komplette Interview mit Geraldine de Bastion (von Digitale Gesellschaft e.V.).

Politiker, die das Internet pauschal verteufeln, anstatt kriminelles Handeln wirksam zu bekämpfen, täuschen bewusst diejenigen, die Lösungen von ihnen erwarten. Dass es keine einfachen Lösungen gibt, ist vollkommen klar, das wissen alle, die sich mit der komplizierten Thematik beschäftigen. Dass aber mit Angst Stimmung gemacht wird, wie gesagt zur Durchsetzung politischer Ziele, ist so beschämend, dass ich mich wundere, wie wenig in der offiziellen Presse unternommen wird, um diese Politiker als das vorzuführen, was sie sind: dreiste Stimmungsmacher.

Politik, Video

Wenn die unten nicht mehr wollen

escape! by dev null, on Flickr
Foto: escape! von Daniel Zimmel auf Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Arno Widmann ist Feuilletonchef der Frankfurter Rundschau. Heute veröffentlicht er in der Berliner Zeitung einen Text, der wie Schirrmachers «Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat» provokante Thesen vertritt, der aber wesentlich interessanter ist. Links und rechts sind keine Kriterien mehr, da sind wir uns weitgehend alle einig. Sie sind es schon länger nicht mehr und werden in Zukunft weiter an Bedeutung verlieren. Es deutet sich ein Systemwechsel an, der in anderen Kategorien gedacht werden muss.

Die Welt wird sich in den nächsten Jahren gewaltig ändern. Die Vorstellung, ausgerechnet die Formen des wirtschaftlichen, politischen, kulturellen Zusammenlebens, die sich auch in Europa erst nach dem Zweiten Weltkrieg durchgesetzt haben, würden das 21. Jahrhundert prägen, hat angesichts der demografischen und der Machtverhältnisse etwas Tollkühnes. Es wird neue Balancen von Volksbeteiligung, von Wirtschaftsmacht und Herrschaft geben. Die neuen Medien werden darin wichtige Rollen spielen.

Unbedingt lesen, sehr lohnenswert:
Arno Widmann: «Wenn die unten nicht mehr wollen».

[via @hussong]

Artikel, Politik

Verlorene Erde – Das Prinzip Landnahme

Freedom
Foto: doug88888 auf Flickr (CC BY-NC 2.0)

Wie schon auf Google+ berichtet: hr2 – Der Tag, nach wie vor eine er besten Radioreportage-Sendungen, hat sich heute des Themas der Landnahme angenommen. Unbedingte Hörempfehlung:

hr2 Der Tag

Wenn Lebensmittelpreise steigen, so wie derzeit rund um den Globus, müssen die Alarmglocken klingen: Brotpreise entscheiden nämlich über die politische Stabilität in ärmeren Ländern. Zusammen mit hohen Kosten für Öl und Benzin ergeben sie ein gefährliches Gemisch. Und wenn dann noch internationale Agrofonds riesige Ländereien aufkaufen und die örtlichen Bauern verarmen, dann müssen sich Diktatoren wie Demokraten warm anziehen.Wer besitzt die Erde? Das ist keine Schicksalsfrage. Auch nicht in Deutschland, wo im Osten längst weite Flächen anonymen Fondsgesellschaften gehören. Was machen die aus unserem täglich Brot? Mehr dazu heute in DER TAG.

Der Beitrag kann im Archiv von hr2 – Der Tag oder hier nachgehört werden:

[flash]http://mp3.podcast.hr-online.de/mp3/podcast/derTag/derTag_20110801.mp3[/flash]

Update 8:00 Uhr: Dazu passend auf tagesschau.de:
„Land Grabbing“ – Der neue Agro-Imperialismus:

Experten beobachten seit einigen Jahren einen Trend: Reiche Länder kaufen großflächig Ackerland in Entwicklungsländern auf, um ihren Nahrungsmittelnachschub zu sichern. Das „Land Grabbing“ sei aber nicht automatisch negativ, sagen Fachleute, wenn es klare Regeln gibt.

Politik, Radio

Nils Minkmar: Wahn und Sinn

Freedom
Foto: Yen H Nguyen auf Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Man kann nach den furchtbaren Ereignissen von Oslo und Utøya wie der Vorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, in der BILD die Stammtische bedienen und eine schärfere Kontrolle des Internet durch Polizei und Staatsanwaltschaft fordern (nein, ich verlinke nicht die BILD, sondern die heise-Meldung), oder man setzt sich ernsthaft mit dem Thema auseinander, wie es der Saarbrücker Historiker und Journalist Nils Minkmar in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung getan hat:

Von wegen geisteskrank – der Mörder von Oslo wusste, was er tat und wollte: Sozialdemokraten töten, Lieblingsziel aller totalitären Weltretter. Wir sind es, die nichts wussten und vergessen haben. Was soll man dieser monströsen Rationalität entgegensetzen?

Weiter in der FAS: Anders Breivik – Wahn und Sinn.

Nils Minkmar stellt die Fragen, die sich nach so einer abscheulichen Tat stellen. Bis dato der beste Text zum traurigen Thema.

Update: Zu Politikern wie Sigmar Gabriel (SPD), Hans-Peter Uhl (CDU) oder Joachim Herrmann (CSU), die Norwegen für ihre politischen Zwecke ausnutzen wollen, haben Markus Horeld in DIE ZEIT («Warum auch sachlich bleiben?») und Udo Vetter im Tagesspiegel («Norwegen als Reflextest») gute Kommentare veröffentlicht.

Internet, Politik

Schaden für die Demokratie: Koalition verhindert Netzneutralität

Ich zitiere aus dem Wortlaut des Artikels 20 GG:

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Gute Sache, nicht wahr? Das, was heute in der Enquete-Kommission «Internet und digitale Gesellschaft» vorgefallen ist, hat aber mit Demokratie nur noch wenig zu tun. Ein billiges, sehr leicht durchschaubares Schmierentheater, das nicht nur dem oben zitierten Prinzip der Demokratie widerspricht, sondern das durch die Vorführung der Experten, die mithelfen sollten und wollten das für Deutschland extrem wichtige Thema der Netzneutralität – so wie kürzlich bei unseren niederländischen Nachbarn geschehen – als Ziel fest zu schreiben, dem demokratischen Ansehen der Bundesrepublik Deutschland einen beträchtlichen Schaden zugefügt hat.

Was geschehen war, ist nachzulesen auf ZEIT Online:

Die Bundestagsenquete wollte empfehlen, Netzneutralität im Gesetz zu verankern. Die Koalition hat das verhindert.
[…]
„Das ist sehr durchsichtig“, sagte die Sprecherin des Chaos Computer Clubs (CCC) Constanze Kurz, die als Sachverständige Teil der Enquete ist. Die Regierungskoalition wolle verhindern, dass sich die Enquete für Netzneutralität ausspricht. Ähnlich sieht es Markus Beckedahl, Mitgründer des Vereins Digitale Gesellschaft und des Blogs netzpolitik.org und ebenfalls Sachverständiger. Die Koalition habe keine Mehrheit für ihre Haltung gegen die Netzneutralität gesehen und daher die gesamte Abstimmung verhindert.

Weiter auf ZEIT Online: Regierungskoalition verhindert Netzneutralität.

Internet, Politik

Silvana Koch-Mehrin: Rückzug aus EU-Forschungsausschuss

Die gute Nachricht des Tages:

Die deutsche FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin hat nach deutlicher Kritik deutscher Wissenschaftsorganisationen ihren Rückzug vom Forschungsausschuss des EU-Parlaments verkündet.

Quelle: orf.at

Alles andere wäre auch eine Verhöhnung der Wissenschaft gewesen. Gut, dass Druck gemacht wurde. Von Wissenschaftsorganisationen («Alles andere als ein Kavaliersdelikt») und durch die Petition von Anatol Stefanowitsch (die zur Stunde fast 7.500 Unterzeichner hat).

Siehe dazu auch die ausführliche aktuelle Meldung der FAZ: Koch-Mehrin verlässt Forschungsausschuss des EU-Parlaments.

Politik

WWF und die Industrie – der Pakt mit dem Panda

Großer Panda. Foto: Wikipedia
Foto: Wikipedia
Der Panda kann nichts dafür, dass man ihn beim WWF einsetzt, um für Spenden zu werben.

Für den WDR hat der dreifache Grimme-Preisträger Wilfried Huismann recherchiert und Unglaubliches an den Tag gelegt. In der SZ gibt es ein gutes Dossier von Lars Langenau zu den WDR-Recherchen über den World Wide Fund For Nature:

Wie industriefreundlich ist der WWF? Zum 50. Gründungsjubiläum der Organisation hat der WDR hinter den Kulissen des renommierten, weltweit agierenden Umweltverbandes recherchiert. Seine brisante Dokumentation zeigt, wie tief sich der Verband in Interessenssphären der Wirtschaft und ihrer Milliardengewinne verstrickt hat.

SZ: WWF und die Industrie – der Pakt mit dem Panda

Die Filme: Entweder schnell anschauen (oder abspeichern, siehe: Online-Videos abspeichern: Free FLV Converter), die werden sicher rasch gelöscht:

Teil 1:


Direktlink YouTube


Teil 2:


Direktlink YouTube

Interessant auch der Hinweis auf der Programmseite des WDR:

Die in der ursprünglichen Pressemeldung vom 11.05.2011 enthaltene Aussage, wonach das ARD-Team auf Borneo (Indonesien) „kein einziges Organ-Utan Schutzprojekt des WWF“ gefunden hat, halten wir nicht aufrecht. Gleiches gilt für die Formulierung: „Der WWF nimmt Geld von den Unternehmen und verschafft ihm das Gütesiegel für nachhaltige Produktionen“, soweit dadurch der Eindruck erweckt wird, das Unternehmen würde gegen Geldzahlung ein WWF-Gütesiegel für nachhaltige Produktionen erhalten. Hierzu haben wir uns auch gegenüber WWF Deutschland zur Unterlassung verpflichtet.

Update I, 12:35 Uhr [via @PickiHH]: Soeben wurde eine Stellungnahme des WWF veröffentlicht.

Update II, 23:25 Uhr: WWF muss sich nach der gestrigen Ausstrahlung des Filmes – zurecht, wie ich finde – viel Kritik gefallen lassen. Auch wenn viele kritische Stimmen im Facebook-Account des WWF gelöscht werden, reißt die Kritik nicht ab. Ein zwischenzeitlich eingerichteter Twitter-Account @WWF_antwortet wurde wieder gelöscht. Vernünftiges Krisenmanagement sieht anders aus. Das meint auch Thomas Knüwer in seinem Artikel WWF – der Panda im Shit-Storm. Sehr informativ ist übrigens auch das Interview (Dauer 7 Min.), das Radio Bremen gestern Mittag – also vor der Ausstrahlung gestern Abend in der ARD – mit dem Regisseur Wilfried Huismann geführt hat.
Politik, TV, Video
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