1:8 – Abhaken? Nicht ganz. Liebe kennt keine Liga…

Liebe kennt keine Liga…
Foto: Bearbeitung des Bildes von Joe Meyer aka @Unverlierbar. Unbedingt alle seine Bilder zum gestrigen Spiel und zum Drumrum anschauen.

Über die bittere 1:8-Klatsche gestern gegen die Bayern gibt es eigentlich nicht viel mehr zu sagen, als dass ich es möglichst schnell vergessen möchte. Eigentlich. Kommentarlos kann ich es aber auch nicht aus der Erinnerung streichen. Deshalb ein paar Worte (und Bilder) dazu.

Wir haben gestern Kiezkicker im katastrophalen Ausnahmezustand erlebt. Das war nicht die Unterlegenheit eines Klubs, dessen gesamter Kader womöglich 2 Millionen weniger gekostet hat, als der 3-fache Torschütze Gómez (ich habe es nicht nachgerechnet, Matt Wagner behauptet das, und sollte auch die Rechnung nicht stimmen, die Relation der unterschiedlichen Budgets zwischen dem FC Bayern und dem FC St. Pauli kommt wohl hin):

Der gesamte Kader des FC St. Pauli ist übrigens 2 Millionen Euro billiger als Mario Gomez. #fcsp #fcbSat May 07 22:44:52 via web

Nein, da hat ein Team gespielt, dass sich schon vor dem Anpfiff aufgegeben hat. Es ist mühsam darüber zu spekulieren, ob hier, statt ihn anständig zu verabschieden, gegen den Trainer gespielt wurde. Wir wissen es nicht, und wir werden es wohl auch nicht erfahren. Dass nichts mehr stimmte in dieser Mannschaft, war nicht zu übersehen. Selbst von meinem Lieblingsspieler Max Kruse war ich gestern enttäuscht. Einige aus meiner Bezugsgruppe fordern (schon wieder), er könne den Verein ruhig verlassen (klar, sie haben es ihm übel genommen, dass er neulich meinte, er würde auch gern in der kommenden Saison in der 1. Liga spielen). Ich fordere seinen Weggang natürlich nicht, hoffe sogar dass er bleibt und nächste Saison in der 2. Liga wieder besser spielt. Ein Gutes hat es ja, dass auch Kruse, wie die meisten in der Mannschaft, gegen Ende der Saison nicht gerade mit Leistung glänzten: es wird nicht viele (wahrscheinlich sogar keine?) Angebote anderer Erstligisten geben. Fin Bartels hat gestern zwar wieder ein paar Mal toll geackert, und dass Egers Einsatz mit dem Ehrentreffer in der 78. belohnt wurde, war schön. Das war’s aber auch. Ein insgesamt grottenschlechtes Spiel. Die Bayern mussten sich nicht sonderlich anstrengen, die Punkte und Tore einzufahren, die ihnen willenlos und willfährig angeboten wurden. Nee, das war nix. Gar nix.

Stanis Abschiedsrunde nach dem Spiel - verdienter Applaus für 18 Jahre beim FC St. Pauli

Und die Ehrenrunde von Stani nach dem Spiel, ohne dass die Mannschaft da was unternommen hätte, war auch sehr seltsam. Bleibt nur zu hoffen, dass es besser wird in der neuen Saison. Dass wieder Einsatzwillen und das Hinauswachsen über die eigenen Fähigkeiten ins Team Braun-Weiß zurück kehren, dass wieder mal die in der Vergangenheit so oft bewunderte, durch Kampf bestimmte geschlossene Mannschaftsleistung am Millerntor und auch auf fremden Plätzen zu bewundern sein wird. Für den neuen Trainer André Schubert vielleicht gar nicht so schlecht, dass aus dem «Tschüs Stani!» gestern auch ein bisschen das Gefühl erwuchs: «Gut, dass er nun geht! Gut, dass jetzt ein Schnitt gemacht wird.»

Ansonsten stimme ich Spreeblick zu:

Es ist keine Katastrophe für St. Pauli, abzusteigen…

Diese Feststellung leitet über zum Positiven, was mir gestern durch den Kopf ging und weshalb ich gar nicht so unglücklich bin, dass unser Gastspiel in der Oberen Etage nur eine Spielzeit angedauert hat: Der FC St. Pauli ist kein Club, der sich über seine Ligazugehörigkeit definiert. Oder wie es der 1. FC Saarbrücken, mein 2. Fußballclub, der mir schon seit über 25 Jahren ans Herz gewachsen ist, ausdrückt: Liebe kennt keine Liga. Das war auch der Grund, warum ich gestern begleitend zum braun-weißen Outfit mein FCS-Shirt angezogen habe (siehe 1. Foto oben).

Die Fotos, die Joe gemacht hat, zeigen, was den FC St. Pauli ausmacht: die Fans. Und damit meine ich nicht dieses Kult-Gefasel. Nein, ganz im Konkreten meine ich für mich: die Bezugsgruppe. Ich gehe die Spiele ja nicht alleine schauen. Ich sehe sie gemeinsam mit Menschen, die mir wichtig sind. Und diese Menschen sind erstklassig, auch wenn ich mit ihnen, siehe Sozialromantik oder Kruse, nicht immer einer Meinung bin. Da ist es – mit Verlaub – sch…egal in welcher Liga der Klub gerade spielt. Auch das heißt für mich: Liebe kennt keine Liga.

Gehört auch zur Bezugsgruppe: Paul Und wir vergessen da auch keinen, der womöglich wegen Verletzung oder Terminproblemen mal ausfällt, so wie gestern der arme @Paul_in_Hamburg. Seine Kniebeschwerden haben ihn ausgerechnet an seinem Geburtstag davon abgehalten, mit uns im Stadion beim letzten Heimspiel der Saison dabei zu sein. Bei der Übergabe seiner Karte gestern Mittag hab ich meinem Nachbarn noch ein rasch zuvor gebasteltes kleines Präsent übergeben. Die 8 Tore gegen uns blieben ihm an seinem Geburtstag erspart, doch ich bin sicher, er wäre gern fit und dabei gewesen. Herr Nachbar, nächste Saison wieder, ja?

Nach dem Spiel sahen wir den Bayern-Mannschaftsbus (mit dem üblen Spieler Ribery an Bord) davon brausen, als wir uns vor der Domschänke zur ersten Krisenbewältigung trafen:

Nach dem Spiel Domschänke: Bildmitte abfahrender Mannschaftsbus der Bayern

FrauRausHH war auch da und hatte tolle grüne Schuhe an:

Nach dem Spiel Domschänke: FrauRausHH's tolle grüne Schuhe

Was es heißt, mit der Bezugsgruppe vor, während und nach dem Match (auch mit dem erweiterten Kreis vor der Domschänke) die Spiele des FC St. Pauli zu erleiden, zu erleben und zu verarbeiten, kommt – viel mehr als durch meine Fotos – sehr gut aus den Bildern von Joe raus. Wie gesagt, unbedingt alle seine Fotos anschauen, dann wisst ihr, was ich meine. Jene, die dabei waren, sowieso.

Und zum Abschluss noch ein weiteres Bild aufgenommen von Joe, vor dem Ort, der für uns ein beliebter Anlaufpunkt nach den Spielen ist: Die Scheune. Man beachte den lauschigen Bildhintergrund von der Rückseite der Reeperbahn. Wie gesagt: Liebe kennt keine Liga… 😉

Und zum Abschluss noch ein Bild von dem Ort der ein beliebter Anlaufpunkt nach den Spielen ist: Die Scheune.

24 Kommentare zu „1:8 – Abhaken? Nicht ganz. Liebe kennt keine Liga…“

  1. Gerade gestern wäre ich sehr gerne dabei gewesen, sollte aber auch nicht sein.

    Gerade weil es um mehr als das Spiel geht.

    Gerade weil ich letzten Wochen / Monate so viele nette Leute kennenlernen durfte und nun persönlich kennenlernen wollte.

    Gerade weil das für mich St. Pauli ist!

  2. @remaklation: Du hast mir auch sehr Leid getan, als ich las, dass Du schon unterwegs warst und wieder umkehren musstest. Auch wenn nicht vor Ort präsent, warst Du doch “dabei”. Gute Besserung.

    @Bucanero1910: Bei unseren letzten beiden Treffen (neulich in Wolfsburg & gestern am Millerntor) war mir unser Aufeinandertreffen auch entschieden zu kurz. Unvergessen bleibt ja der geniale Saisonauftakt in Freiburg. Nächste Saison klappt’s bestimmt auch wieder mal ein Spiel komplett gemeinsam zu schauen. Für mich gehörst Du zu den erstklassigen Entdeckungen des 1. Bundesliga-Jahres.

  3. Oh, danke 🙂 Das gebe ich gerne zurück 😉
    Jap, Freiburg war richtig, richtig gut..
    Nächstes Jahr will ich dann definitiv öfters zu den Heimspielen und dann immer das ganze Wochenende, da hätten wir mal mehr als genug Zeit..
    Auch in Liga 2 – immer dabei! (Das klingt scheiße, was? Egal!) FORZA SANKT PAULI!!

  4. Diese Truppe hat nach dieser Leistung nichts in Liga Eins verloren. Ein schlimmer Nachmittag, der nicht so schnell vergessen wird. Glücklichweise wird das auch in diesem Jubel-Pauli-Blog auch entsprechend gewürdigt.

  5. sparschaeler

    auf den punkt gebracht.

    über den saisonverlauf werden wir vielleicht noch hören, ob uns das gefällt oder nicht. meine vermutungen wurden bereits gestern eindrucksvoll bestätigt

  6. Ich bin sehr froh, dass diese Saison jetzt endlich vorbei ist. Neue (alte) Liga, neuer Trainer, neue Mannschaft. So ein Abstieg ist eben auch ein Neuanfang und ich freue mich jetzt drauf. Auf einen Saisonrückblick will ich verzichten, dass können Du und die anderen besser. Ich will mich nur noch bei der Bezugsgruppe bedanken das ich so oft dabei sein durfte. You’ll never walk alone auch in Liga2.

  7. @unverlierbar: Ich glaube, wir alle sind froh, dass diese Saison in ein paar Tagen vorüber ist. Es kommt eine spannende Zeit auf uns zu, und die verspricht nicht die schlechteste zu werden. Und die Bezugsgruppe – ich glaube, da darf ich getrost für alle sprechen – bedankt sich bei Dir: für die Bilder und vor allem für’s dabei sein. Auch wieder in Liga 2. Wie oben gesagt: wir definieren uns ja nicht über die Ligazugehörigkeit. Deshalb ist ein Abstieg am Millerntor bei uns auch nicht ein solches Drama wie z.B. bei den nächsten Samstag absteigenden Frankfurtern. 😉

  8. Schöner Bericht (Kult-Gefasel) und schöne Bilder von Joe (das schönste ist das Blogeingangsbild). Schade dass Paul nicht dabei sein konnte. Die Bezugsgruppe ist wirklich ein toller Kreis. Durch unseren Besuch Anfang Dezember 2010 haben Sonja und ich ja einige live vor Ort erlebt. Und ich muss sagen: Unterschiedliche Typen die sehr angeregt und unterhaltsam diskutieren und auch kritisch mit ihrer Mannschaft sein können; das hat uns gut gefallen. Ob so etwas jemand verstehen kann der es noch nicht erlebt hat?
    Aber wie du schon geschrieben hast: Liebe kennt keine Liga. Das ist wohl die wichtigste Erkenntnis aus dieser Saison.

  9. Die 33 Spieltage haben eindrucksvoll gezeigt, wie groß der Unterschied zwischen zweiter und erster Bundesliga ist.
    Unsere Mannschaft musste immer am Limit spielen, um zu bestehen, auch gegen vermeintlich schwache Teams. Daher ist niemand ob des Abstiegs verstimmt, aber die Art und Weise des Weges auf den letzten 2/3 dorthin säuert ein wenig an.
    Doch lässt sich darin auch etwas Gutes finden, nämlich dass jetzt ein sauberer Schlussstrich gezogen und mit unverbrauchter Feder ein neues Kapitel Zweitliga-Geschichte geschrieben werden kann.
    Ich freu mich darauf und bin natürlich dabei, wenn der Ticket-Gott gnädig gestimmt ist, Herr Nachbar.

  10. @Paul: Nichts anderes habe ich von meinem Nachbarn erwartet. Prima. Das mit den Tickets ist ja auch so ein positiver Nebeneffekt des Abstiegs: die Modefans bleiben in Liga zwei größtenteils eher weg und es dürfte wieder etwas einfacher werden, an Tickets zu kommen.

  11. Wer zu spät kommentiert, den bestraft der Umstand, dass alles schon gesagt ist. Deshalb nur kurz: klasse Bericht! Kritisch und gleichzeitig mit optimistischem Blick in die Zukunft. Nach der Saison ist vor der Saison.

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