Letzte Woche bin ich ja aus Havanna zurückgekehrt und habe ob der vielen Eindrücke meine Kuba-Postings auf mehrere Artikel aufgeteilt. Ein Bericht fehlt noch, der diese kleine Reihe erstmal beendet: Der zu dem Kongress «Info 2008», dem eigentlichen Anlass meiner Dienstreise.
Wie im Ankündigungartikel schon geschrieben, nahm ich auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung vom 21.-25. April 2008 an dem Internationalen informationspolitischen Kongress «Info 2008» in Havanna teil. Die meisten Teilnehmer kamen aus dem bibliothekarischen Umfeld, neben hauptsächlich kubanischen Informationsexperten waren es Vertreter aus Lateinamerika (v.a. aus Mexiko und Venezuela, aber auch Ecuador, Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Dominikanische Republik u.a.m.) und Europa (vor allem aus Deutschland und Spanien, aber auch aus Frankreich, Belgien u.a.).
Ich habe auf spanisch einen Vortrag über das Wissenschaftsportal vascoda, über die Virtuellen Fachbibliotheken in Deutschland (und wie sie zusammenarbeiten), speziell natürlich über cibera, die ViFa für die ich arbeite, und über die Erweiterung der ViFas mit Web2.0-Funktionen (Blog, Wiki, Anregung zur Mitarbeit in der Wikipedia u.a.) gesprochen.
Von kubanischer Seite waren tatsächlich einige Vorträge zu hören, in denen dem excelente Comandante Fidel Castro (!) gedankt wurde, oder wo man sich konkret auf ihn bezog (wie er schon 2005 forderte…, oder wie er auf dem Kongress XY formulierte…). Und – passend zur allgegenwärtigen Politisierung der kubanischen Gesellschaft – wurde auch das Thema Web 2.0/Bibliothek 2.0 recht politisch angegangen und sogar der Sozialdarwinismus zur Untermauerung der Forderung nach Wandel in den Köpfen ausgepackt: Bibliothekare, die sich den veränderten Bedingungen nicht anpassen, gehen unter. Keine neuen Gedanken, aber der bibliothekarischen Zuhörerschaft gegenüber sehr direkt und eindringlich vorgebracht, wie ich fand.
Ich war erstaunt, wie weit man in lateinamerikanischen und speziell in kubanischen Projekten schon in Sachen Virtuelle Fachbibliotheken und Web 2.0 ist: Wikis und Blogs gehören schon beinahe zur Selbstverständlichkeit. Eines der Projekte, das von Pedro Urra, der gleichzeitig Leiter der Sektion
Überhaupt wurde durch die Vorstellung der Arbeiten auf beiden Seiten des Atlantiks deutlich: die Tätigkeiten im modernen bibliothekarischen Umfeld unterscheiden sich kaum: Es geht darum, die über Jahrhunderte auf gedruckte Informationen beschränkten Dienstleistungen der Bibliotheken auf das elektronische Umfeld auszuweiten. Wie holt man die Wissenschaft mit ins Boot bei der Erfassung der immer schneller fließenden Wissensströme? Wie vermittelt man möglichst einfach den Zugang zu den online verfügbaren Informationen und wie schafft man den Spagat zwischen Kollaboration und Öffnung gegenüber den Nutzern einerseits und der Gewährleistung, dass Informationen relevant und korrekt aufbereitet werden andererseits. Interessant auch die Begrifflichkeiten zu hören, die im spanischsprachigen Kontext verwand werden: Was bei uns als «Katalog 2.0»
Zum Abschluss möchte ich noch etwas zur Organisation des Kongressaufenthaltes durch die Friedrich-Ebert-Stiftung sagen, die ja diese internationale Konferenz in Kuba unterstützt hat und Experten aus Deutschland und Lateinamerika für die Tagung als Referenten einlud: Es war von Anfang bis Ende alles bestens organisiert. Den Nicht-Spanischsprechenden Teilnehmern wurden Dolmetscher zur Seite gestellt. Die Abholung und das Bringen zum Flughafen, die Hotelunterbringung, der Transport zwischen Hotel und Kongressgebäude (dem Palacio de Convenciones) und einige wirklich sehr gesellige und gleichzeitig von informativen Fachgesprächen umrahmte Abendessen wurden organisiert, was unter den besonderen Bedingungen in Kuba nicht als selbstverständlich zu sehen ist. Mein besonderen Dank gilt daher Hans Mathieu, der als Repräsentant der Friedrich-Ebert-Stiftung für die Dominikanische Republik und Kuba meiner Meinung nach eine hundertprozentig perfekte Betreuung der geladenen Gäste realisiert hat.
Eine insgesamt lohnenswerte Reise nach Kuba, viel zu kurz natürlich, um einen tiefer gehenden Einblick in das Land zu bekommen, aber sicherlich ermutigend, noch einmal hinzufahren. Für die gegenseitig vorgestellten Projekte war es erhellend festzustellen, dass es auch auf internationalem Terrain länder- und kulurraumübergreifend ähnliche Aufgaben zu bewerkstelligen gibt.
Ich kenne die Verhältnisse ganz gut. Mein kubanischer Freund hatte den Kongress mit vorbereitet (er arbeitet im Kapitolio und ist dort für die PC´s zuständig).
Die Menschen sind schon gut ausgebildet, allein was fehlt ist die Erfahrung… Es wäre schön, wenn auch regimeunabhängige Austausche möglicht werden könnten.
Liebe Heike Wiskow,
das ist ja interessant. Da schreibe ich in Deutschland über den Kongress in Kuba, und Sie kennen jemanden, der ihn mit vorbereitet hat.
Wie Sie schon sagen: das Ausbildungsniveau ist beachtlich, und der Austausch sollte intensiviert werden, unabhängig vom politischen Hintergrund. Allerdings ist dies – gerade ob der restriktiven Haltung Kubas im Fall der Bloggerin Yoani Sánchez – derzeit eher ein frommer Wunsch.
Die restrikive Haltung ist Teil eines Plans (Schikane). Aber wenn die kritische Haltung und Gedankenaustausch möglich werden, ist das ein Anfang. Ich wünsche mir, dass es zunächst in den Köpfen beginnt, da hat Yoani ganz recht, Unruhe tut gut und baut Druck auf. Leider haben die Menschen idR keinen Zugang zum Internet. Das verlangsamt den Prozeß. Information ist ein Glücksfall für die meisten.
Hallo Verona!
Der Dokumentarfilm Telón de azúcar lief vor drei Jahren auf dem Filmfestival in San Sebastián, aber dort habe ich ihn leider nicht gesehen. Offensichtlich habe ich etwas verpasst. Danke für den Tipp, werde versuchen ihn noch zu sehen.
Zu Cuba: Die Sicht auf die Architektur ist frei, aber leider auch auf den Verfall der selben. Das ist kein Vorwurf, nur eine Feststellung. Und natürlich muss man auch konstatieren, dass viel für die Restaurierung (und sei es nur aus Gründen des Tourismus’) gemacht wird. Wenn man bedenkt, mit welchen Problemen das Land zu kämpfen hat, ist es sogar beachtlich, was in Sachen Erhalt der verfallenden Bausubstanz immer noch geleistet wird.
Innerstädtische Grüße, denn zur Zeit bin ich wegen einer bibliothekarischen Tagung auch in Berlin.
Ciao,
Markus
Hallo Ihr beiden! Meine Meinung zu den Werbetafeln: Ich glaube auch, dass dem einfachen Kubaner alles andere rechter ist als von ständig herabstürzenden Fassaden erschlagen zu werden. (also auch Werbe- statt Propagandatafeln).
Diese traurige Statistik wird nicht veröffentlicht, ist aber alltägliche Tragödie in Havanna.
Was ich allerdings weitaus bemerkenswerter finde: es wird geputzt und gefegt, was das Zeug hält. Vielleicht um ein wenig Glanz in den trostlosen Verfall zu bringen?
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