Die ARD verseicht zusehends. Weil ab Herbst 2011 Jauch nun auch im Ersten talkt und Maischberger, Will, Plasberg und Beckmann mit ihren Rederunden im Programmschema versorgt werden müssen, fallen wichtige und informative Dokumentationen weg oder werden ins nächtliche Abseits (statt 21 Uhr auf 22:45 Uhr) geschoben.
Bernd Gäbler bringt es im Stern-Artikel «Das Erste im Talkshow-Wahn» auf den Punkt:
Von Jauch bis Beckmann – die ARD bietet von Herbst 2011 an fünf Talker auf. Geopfert wird die TV-Dokumentation. Es ist das Werk kulturloser Macher, die nur auf eines schielen: die Quote.
Auf DRadio Wissen erklärt der Dokumentarfilmer Florian Opitz (Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm AG DOK) was diese Reform sowohl für die Branche der Dokumentarfilmer als auch für den Zuschauer bedeutet. Interview DRadio Wissen (8 min 43 sec) – Versteckt im Nachtprogramm:
[flash]http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2010/12/02/drw_201012020832_ard-_dokumentationen_bleiben_auf_97d1a2eb.mp3[/flash]
Gerade weil die Programmdirektoren den Fehler machen immer stärker auf die schnöde Quote zu schielen und das Niveau des Programms zusehends zu senken, ist der engagierte Zuschauer aufgefordert, diesem Trend entgegen zu steuern und die wertvollen Programme aufzuzeichnen und – wie etwa im Artikel «TV-Programme aus Mediatheken abspeichern» beschrieben – selbstbestimmt und unabhängig vom unvernünftigen Sendeschema der Öffentlich-Rechtlichen Anstalten zu verfolgen.
Foto: sandmännchen von kallejipp auf photocase.com
Man fragt sich zunehmend, wo die Verantwortlichen ihren gesunden Menschenverstand lassen (übrigens nicht nur beim TV!)
@Liisa: Das alte Dilemma: die Programmgestalter argumentieren mit der Quote (übrigens auch im ZDF, wo der Trend wie bei der ARD weg von der Info, hin zur Unterhaltung geht).
Und zu Deinem Zusatz in Klammern: Was die Politik gerade mit der Novellierung des JMStV (s.Parlamentarische Zwänge) angerichtet hat, lässt einen wirklich am Verstand und an der Sachkenntnis unserer Entscheidungsträger zweifeln. Unfassbar das Ganze. Folge: eine spürbare (gewollte?) Unsicherheit bei vielen Bloggern. Hat der Wahnsinn Methode?
Ich gucke schon lange nicht mehr fern. Als mündiger Bürger versorge ich mich über andere Quellen mit den Informationen oder der Zerstreuung nach der mir der Sinn steht. Dabei muss ich mich nicht von quotengeilen Fernsehmachern an’s Gängelband nehmen undmir von ihnen vorschreiben lassen, was ich wann zu sehen habe. Das einzig Ärgerliche ist, daß für diesen Scheißdreck immer noch die Zwangsabgabe namens GEZ an diese Leute fällig wird.
Das Drama ist ja, dass damit die Zuschauer zur „leichteren“ Unterhaltung hin erzogen werden und es immer weniger gewohnt sein werden auch mal eine längere Dokumentation anzuschauen. Klar sinken dann die Quoten immer weiter in den Keller.
Hat der Wahnsinn Methode? Ich fürchte langsam aber sicher ja … vielleicht grassiert ja auch eine Art neues BSE oder so?
Andersrum wird ein Schuh draus: Die Methode ist wahnsinnig – seit Descartes schon.
@libuda: Descartes ist ein gutes Stichwort. Ich zitiere aus seiner „Abhandlung über die Methode des richtigen Vernunftgebrauchs“ (1637):
Wahnsinn, oder?
@Michael Kieweg: Sorry, dass Dein Kommentar im Spamfilter gelandet war und ich ihn erst jetzt gesehen habe und freischalten konnte. Ich teile Deine Meinung zur GEZ nicht. Ich bin – trotz meiner obigen Kritik an der Programmreform – froh, dass es die Öffentl.-Rechtl.-Sender gibt, die im Vergleich zu den Privaten immer noch ein qualitativ höherwertiges Programm liefern.
Bravo Markus! Das ist auch meine Meinung. Die GEZ-Gebühr ist noch nicht mal so hoch wie in Österreich. Es ist erschreckend, wenn man das Verhalten der Fernsehzuschauer beobachtet. Wie die Quoten bei RTL oder SAT.1 für die teilweise sehr verdummenden Nachmittagssendungen herkommen ist mir ein Rätsel. Und das schon über Jahre. Eine bemerkenswerte Entwicklung.
Ich sehe mir nur noch ausgewählte Sendungen online an, sporadisch und ab und an Nachrichten via Podcast. Das Netz ist zu meiner Informationsquelle geworden.
Das öffentlich rechtliche Fernsehanstalten nun so sehr auf Quote konzentriert sind, halte ich dennoch ebenso für eine tragische Fehlentwicklung. Noch ein Grund mehr mein TV-Verhalten nicht zu ändern.
Was die GEZ angelangt, kann man sowohl ihre Methoden, als auch ihre auf Abschreckung zielende penetrante Werbekampange kritisieren. Anderseits: Irgendwoher muss das Programm finanziert werden.
angelangt = anbelangt
Ich informiere mich auch nur noch gezielt über Internet, brauche keinen Fernseher. Und nachdem ich als Student bei einem öffentlich-rechtlichen Sender über drei Jahre gearbeitet habe, bin ich auch der Meinung, dass viel Geld einfach verschwendet wird, so dass ich die Meinung über die GEZ nicht teilen kann. Es stimmt, dass es gute Sendungen gibt, aber die sind so selten, dass sie nicht durch die Höhe der Gebühren gerechtfertigt werden. Ich kann auf TV verzichten, ich brauche nur ein Medium auf dem ich die von mir gewählten Filme schauen kann und die Beiträge aus dem Internet (und damit meine ich auch Nachrichten, usw.).
Was uns mit Jauch als „kritischer Journalist“ erwartet, konnte man im Ansatz schon beim Jahresrückblick auf RTL sehen. Jauch gegenüber saß Thilo Sarrazin, der angesichts des dünnen Geplänkels von Jauch sicher schon an sein neues Buch dachte „Das Fernsehen schafft sich ab“. Ich erinnere jedoch an eine technische Errungenschaft: der Video- oder aber auch Digitalrecorder, der es uns ermöglicht, wertvolle Sendungen aus der Nacht in den Tag zu holen…
Nun ist das Fernsehen aber auch ein Medium, das vielen gerecht werden muss – so sollen auch Bauern Frauen suchen, Schlager den mdr bevölkern oder aber auch angebliche Supertalente gesucht werden – den ganzen Tag Nietzsche oder Kant, Politskandale oder Sonaten möchte man auch nicht sehen. Das Fernsehen als erste Informationsquelle wird schrittweise vom Internet ersetzt – einem Internet, in dem sich jeder gezielt seine Themen suchen kann. Dennoch wird das Fernsehen nicht nur seine Unterhaltungsposition behalten, sondern zudem (wenn auch immer zurückhaltender) dafür sorgen, dass die Zuschauer Informationen nicht suchen müssen, sondern interessant aufbereitet als Angebot bekommen, um sich dann später eingehender mit dem vielleicht neuen und nicht gesuchten Thema zu beschäftigen…
r|ob: Danke für den ausführlichen Kommentar. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.