Gestern war ja wieder einmal Grand Prix, ein im Web und in gemütlichen Runden (und meist in beiden Welten zugleich) erlittenes/genossenes Kulturevent paneuropäischer Leidensfähigkeit. Es gewinnen immer die Falschen, die Deutschen bekommen (diesmal höchst zurecht) keine Punkte und man kann herrlich lästern. Was will man/frau mehr?
Tina Pickhardt, in Twitter als PickiHH bekannt und beliebt, hat einen wunderbaren Artikel auf Twitkrit, dem Twitter-Rezensionsorgan erster Güte, geschrieben, in dem sie einige herausgehobene Tweets (so nennt man die einzelnen Meldungen auf Twitter) vorgestellt und kurz kommentiert hat: «Das kurze Leben des @grandprix»:
Europas Twitterer versammelten sich, um in einem gewaltigen Tweetfeuerwerk @grandprix zu feiern und in allen emotionalen Höhen und Tiefen zu begleiten.
Mehr zum Grand Prix, wie ich ihn erlebt habe und welches mein Lieblingslied war, nach dem Klick auf [Mehr].
Weitere Meldungen zum Eurovision Song Contest, wie der Grand Prix ja jetzt heißt, gibt es bei Abfragen der entsprechenden Twittersuchmaschinen nach den Tags ecs oder eurovision zu lesen. Momentan werden dort natürlich live Nachbetrachtungen getwittert, geht man in der Suche chronologisch zurück, bekommt man jedoch einen guten Über- und Einblick über/in die paneuropäischen Kommentare zu einem Schlagerevent, das längst zum Windmaschinen- und Lametta-Röckchen-Geschwurbel mit Trommelwirbel und/oder clownesken Inszenierungen geworden ist.
Ich habe gestern Abend nur wenig getwittert und habe mich lieber der netten Runde bei Herrn Julius angeschlossen, der parallel zum ESC illustre Gäste im Haus hatte, die gemeinsam kochten und Grandprix schauten. Wir haben es in seinem Blogartikel «ESC-Finale – Echtzeitgeblogge» auf nahezu 500 (!) Kommentare gebracht. Unnütz zu sagen, dass Frau Jekylla mit von der Partei war, aber auch einige weitere nette Menschen, die ich teilweise gar nicht kannte, aber das macht ja nix. Wir hatten jedenfalls unseren Spaß, und wie!
Mit meinen um 23:07 Uhr dort geposteten (und vorher beim Niggemeier’schen GrandprixTipp abgegebenen) Tipps lag ich dieses Mal aber ziemlich daneben:
Meine Tipps:
1. Portugal
2. Armenien
3. Norwegen
4. Bosnien.-H.
5. GeorgienIch will die Tasse (2. Platz) bei Niggemeier. Das Buch (1. Preis) hab ich ja letztes Jahr schon gewonnen. 😉
Tja, während ich letztes Jahr das schöne handsignierte Fernsehlexikon gewonnen hatte, kann ich mir selbst die Hoffnung auf Platz 2 (die Tasse) abschminken. Nur zwei richtige in der Top 5 (Armenien und Norwegen). Zuwenig. Aber Spaß gemacht hat’s trotzdem wieder mal. Das Leiden, das Lästern, das Tippen. Grandprix de la Leidensvision sozusagen.
Zum Abschluss das Lied, das mir am besten gefiel: Es kommt aus Portugal, belegte mit 69 Punkten den 13. Platz. Gesungen von der 23-jährigen Vânia Fernandes aus Madeira, die 2007 die portugiesische Variante von DSDS, Operação Triunfo, gewonnen hatte und die eigentlich vom Jazz her kommt. Ihr Lied heißt «Senhora do Mar» und erzählt die Geschichte der Fischer, die nicht mehr in den Hafen zurückkommen. Une grande chanson, oder besser uma grande canção, wie ich finde, das nicht ganz ohne Windmaschinen auskommt, aber garantiert lametta- und trommelwirbelfrei ist: Vorhang auf für «Senhora do Mar»:
Direktlink YouTube
Update 26.05.08: Und hier noch der Liedtext von Senhora do mar.
Irgenwie bin ich gestern abend auch bei dieser kuriosen Veranstaltung hängen geblieben. Wie das passieren konnte, ist mir posthum schleierhaft …
Nun, die Geschmäcker sind zum Glück verschieden. Aber wie der Chiki-Chiki-Spanier (äh, Argentinier) und der geradezu grotesk schlechte Franzose zu Punkten kamen, kann ich mir nur mit einem technischen Defekt erklären …
Wie gesagt, man erträgt es eigentlich nur in Gesellschaft. Und dann macht es – beinahe vollkommen unabhängig vom Dargebotenen – wieder richtig Spaß.
Beim Franzosen hat mich lediglich der damenbärtige Backgroundchor begeistert und zu Chiki Chiki (heute auch im Nachbericht auf El País) habe ich ja schon frühzeitig am 9. März Stellung bezogen: “Spanischer Beitrag von Chikilicuatre wird die Eurovision nicht retten“. Ne, dat war nix. Wie schlecht die No Angels waren, dass sie dahinter punktemäßig noch deutlich zurückblieben, spricht ja auch Bände.
Stimmt, die Engel haben echt nix gerissen! Und trans-kaukasische und Ex-(Süd)Ostblock-Allianzen geben der Punkteverteilung dann den letzten Rest …
Du hast recht: es ist nur in Gesellschaft zu ertragen! Meine verhielt sich gestern in Gestalt von Stefan (der interessanterweise der Antreiber zum Anschauen war) allerdings zunehmend apathisch: nur selten schaute er von seiner Photoshop Creative-Postille hoch!
Elke, Du Ärmste! Dann musstest Du ja quasi doch alleine schauen. Beim nächsten Mal das Laptop/den Rechner dazuschalten und einfach mit uns mitlästern. 😉 Deine Kommentare hätten die Runde sicher noch bereichert.
Gute Idee! Das mache ich beim nächsten Mal, denn ich will auch meinen Spaß! Und dann passiert es mir auch garantiert nicht mehr, dass kein Bier im Haus ist …
Elke, gemartert
Ich ertrag ja viel, und seitdem ich kein Kabelfernsehen mehr hab und auf 4 Programme angewiesen bin, schau ich viel 3Sat und zap auch beim Shopping-TV (ATV in Österreich hat ein grottiges Programm, neben einigen Mainstream-US-Serien ist da fast nix) nicht sofort weg. Aber Grand Prix? Ne, dann lieber ausschalten und in die leere Röhre schauen 🙂
Vielleicht erträgt man es nur in Gesellschaft, so wie DSDS. Aber bisher bin ich um solche gesellschaftlichen Ereignisse drumherum gekommen 🙂
Ja, truetigger, es ist in der Tat so: Nur in Gesellschaft. 😉
Ach, ich weiß nicht. Man erträgt das locker auch ohne Gesellschaft – man muss das Spektakel eben mögen. Und es war deutlich weniger schlecht als noch vor fünf Jahren. Was unseren Schreiengel anbelangt, Schwamm drüber. Wenn der Grandprix-Song schon nicht mal hierzulande im Vorfeld vorne in den Charts landet. Vielleicht hätten sie DJ Ötzi und Nik P. schicken sollen … was wir nicht hinbekommen, reissen vielleicht die Ösis.
Wir hatten supergutes Essen übrigens 😉