55 Jahre ¡Bienvenido, Mister Marshall!

Einer der ganz großen, also wirklich und wahrhaftig großen spanischen Regisseure, Luis García Berlanga (86), wird heute in Spanien mit einer Hommage in der Academia de Cine, der Spanischen Filmakademie, geehrt. Anlass ist der 55. (!) Geburtstag seines Filmes «¡Bienvenido, Mister Marshall!», neben seinem Meisterwerk «El verdugo» (Der Henker) für mich einer der besten spanischen Filmklassiker.

In diesem Filmausschnitt (mit leider sehr schlechtem Ton und Bild, doch um eine Vorstellung von dem Film zu bekommen, lohnt trotzdem der Blick in das kurze Video) sieht man zunächst eine Parodie auf die nichtssagenden Reden von Franco: Der Bürgermeister des kleinen kastilischen Dorfes Villar del Río (gespielt von meinem Lieblingsschauspieler Pepe Isbert) kommt auf den Balkon des Rathauses und spricht in herrlich nichtssagenden Redundanzen zu seinen Dorfbewohnern. Wer die bedauerlicherweise üble Bild- und Tonqualität des YouTube-Videos erträgt, wird im Anschluss (ab 2″35) mit einer genialen Szene aus dem Film belohnt, in der el alcalde (der Bürgermeister) träumt, er wäre der Held in einem Western. Die Saloon-Szene ist unter anderem deshalb so genial, weil die agierenden Personen in des Bürgermeisters Traum ein erfundenes Englisch reden. Das ist wirklich ur-komisch. Überhaupt ist der ganze Film, der ja eine Parodie auf die Träume der Spanier im Rahmen des Marshall-Planes darstellt, ein exzellentes Stück politischer Humor, auch und gerade nach 55 Jahren.
Doch seht selbst:


Direktlink YouTube

Die spanische Tageszeitung El País lässt Luis García Berlanga zur Feier des Tages in einem Artikel zurückblicken und zu Wort kommen:
«Viví la Guerra Civil como si fueran unas largas vacaciones» (Ich habe den Bürgerkrieg wie die großen Ferien erlebt):

La viví maravillosamente, si se puede decir así. Había persecuciones, muertes, pero, fíjate, en medio de aquel caos yo sentía que estaba viviendo unas largas vacaciones. Descubrí qué eran los amigos, aprendí a encontrar felicidad en los libros…

Ein kleines persönliches Recherche-Erlebnis hatte ich eben, als ich nach verlinkbaren deutschen Infos zum Film «¡Bienvenido, Mister Marshall!» gesucht hatte: Platz 1 in Google für eine Suche nach “Bienvenido Mr.Marshall” ist eine Seite, die ich 1998, also vor neun Jahren, als Mitarbeiter von Prof. Neuschäfer am hispanistischen Lehrstuhl der Uni Saarbrücken erstellt hatte. Wir hatten damals mit dem Filmhaus Saarbrücken eine spanische Filmreihe organisiert (ähnlich der letzte Woche hier vorgestellten) und ich habe mit dem Netscape Composer in der damaligen Version Netscape 4.06 (einem Hilfsprogramm, das es bei dem Browser gab, um Webseiten zu erstellen) die Filmprogrammseiten erstellt und sie stehen immer noch im Netz. Ein nostalgischer Blick in den Quellcode bringt den Beweis:

Quellcodeschnipsel Spanische Filmreihe - Hispanistik Uni Saarbrücken

4 Kommentare zu „55 Jahre ¡Bienvenido, Mister Marshall!“

  1. Hach, da werde ich auch nostalgisch… Meine letzte Magisterprüfung… Wobei ich persönlich “El Verdugo” noch einen Tick besser finde.
    An das erste “Internet für Hispanisten” habe ich übrigens auch die besten Erinnerungen:-) (Aber das war definitiv vor 1998)

  2. «El Verdugo» ist auch genial. Hier ein Ausschnitt:


    Direktlink YouTube

    «El Verdugo» führt auch bei der heutigen Umfrage nach den beliebtesten Berlanga-Filmen auf El País (linker Kasten im Artikel).

    Und wegen «Internet für Hispanisten»: Oh ja, Carmen, stimmt, du warst ja praktisch mal meine Studentin. 😉
    Die Veranstaltung «Internet für Hispanisten», die ich zwischen 1995 und 2002 durchgehend an der Uni Saarbrücken gehalten hatte, steht übrigens auch immer noch im Netz.

  3. Ja, Christophe, das stimmt. Auf Recherchetouren im Netz auf eigene Blogartikel zu stoßen, daran hab ich mich ja schon gewöhnt (kein Wunder bei beinahe 2000 geschriebenen Artikeln). Aber, wenn man dann auf so richtig altes Material stößt, alt im Internet-Zeitalter, versteht sich, ist es nochmal etwas ganz besonderes.

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