Politik

Sprachlos ob der Ignoranz gegenüber Prism

Tweet der Woche Wir stehen mit den Abhörskandalen um Prism und Tempora und der Verstrickung des deutschen Geheimdienstes und der deutschen Bundesregierung(en) der vergangenen Jahre vor einem der schlimmsten politischen Skandale seit Langem. Es wird von Seiten der fünf daran beteiligten Parteien (CDU, CSU, FDP, SPD und Grüne) größtenteils gelogen, sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe geschoben oder die Ernsthaftigkeit der Lage wird bagatellisiert. Die Bevölkerung wird – trotz und gerade vor des/m Wahltermin/s am 22.9. – für blöd verkauft. Und dem Großteil der Bevölkerung ist das auch noch vollkommen egal. Um die 40 % wollen etwa die CDU wählen. Angesichts von so viel Ignoranz und Teilnahmslosigkeit gegenüber Regierungen und politischen Vertretern, die den Boden der Legalität längst verlassen haben, und angesichts massenhaft begangener Verfassungsbrüche bleibt einem nur noch die Sprache weg. Ich bin jedenfalls komplett ratlos, wieso so viele Menschen das mit sich machen lassen. Mehr als @UltraBiblioteka dazu gesagt hat, kann man auch nicht mehr sagen. Deshalb ein klarer «Tweet der Woche»:

Tweet der Woche von @UltraBiblioteka

Die vergangenen Tweets der Woche findet ihr hier.

Bluesky, Politik

Iljia Trojanow: Die Kollateralschäden des kalten Bürgerkriegs

Iljia Trojanow Iljia Trojanow, deutscher Schriftsteller und Übersetzer bulgarischer Abstammung, hat am eigenen Leib in Sofia erfahren, was es bedeutet von Geheimdiensten ausgespäht zu werden. Er hat heute in einem Gast-Kommentar in der NZZ den für mich bisher besten Text zum von Edward Snowden aufgedeckten Abhörskandal durch die Geheimdienste der USA und Großbritanniens, veröffentlicht:

Es offenbart sich zudem die undemokratische Haltung der meisten Politiker sowie die grassierende Arg- und Sorglosigkeit vieler Bürger.
[…]
Während die Geheimdienste der Gesellschaft völlige Transparenz abverlangen, verstecken sie sich selbst hinter einem intransparenten Schutzschild.
[…]
Insofern ist es absolut notwendig, ihre Macht rigoros einzuschränken, wenn man sie denn überhaupt benötigt (was gebetsmühlenhaft behauptet, aber selten begründet wird). Wenn aber, wie in den USA geschehen, ein geheimer Staat im Staat entsteht, der über eine eigene Armee verfügt, überwacht von geheim tagenden, stets zustimmenden Gerichten sowie von zur Verschwiegenheit verpflichteten Ausschüssen, entsteht ein hochgefährliches Machtghetto, in dem die üblichen professionellen Deformationen wie Paranoia und Selbstherrlichkeit noch verstärkt werden.

Weiter auf NZZ im Gastkommentar von Ilija Trojanow zur totalen Überwachung: «Die Kollateralschäden des kalten Bürgerkriegs».

Foto: Thomas Dorn (CC BY-SA 3.0), Wikipedia.

Literatur, Politik

Frontal21 zu Prism

http://youtu.be/BwxXPboIxsc

Über 200 amerikanische Firmen arbeiten in Deutschland für die US-Armee. Ihr Auftrag: nachrichtendienstliche Operationen. Die Bundesregierung hat dieser Schnüffelpraxis in einem Vertrag zugestimmt.

Man kann gar nicht dankbar genug sein für solche Berichte, die in aller Deutlichkeit zeigen, wie sehr die letzten drei Bundesregierungen (Rot-Grün ab 2001, die Große Koalition 2005-2009 und Schwarz-Gelb seit 2009) in die illegalen Abhörpraktiken der US-Geheimdienste in Deutschland verstrickt sind. Von wegen man habe das alles nicht gewusst. Natürlich sind diese Dinge um PRISM & Co. den jeweiligen Regierungen bekannt und wurden per Abmachungen mit dem US-Geheimdienst auch bewilligt. Wie im Beitrag zu sehen: auch der US-Geheimdienst macht keinen Hehl daraus und schreibt in Stellenausschreibungen für Deutschland PRISM-Kenntnisse als gewünschte Vorkenntnisse offen aus. Dass bei den anlasslosen Abhöraktionen der gesamten deutschen Bevölkerung gegen die deutsche Verfassung verstoßen wird, ist so ungeheuerlich wie untragbar.

Falls jemand den Beitrag von Frontal21 nicht gesehen hat, man kann ihn hier, oder für kurze Zeit in der ZDF-Mediathek, nachschauen. Gerne auch weiterverbreiten!

Frontal21-Beitrag zu Prism

Politik, TV, Video

Tweet der Woche: Grumpy Merkels Treuester

Tweet der Woche Ronald Pofalla – «Merkels Treuester», schreibt die SZ, war lange Zeit untergetaucht. Gestern ist er wieder aufgetaucht, hat aber leider nur wirres Zeug geredet. Er habe alles richtig gemacht. «Was ist Prism und wenn ja, wie viele?» fragt die SZ. Und fragen sich die kritischen Zuschauer des sonderbaren Spektakels. Doch Merkel nimmt ihren getreuen Gehilfen sofort in Schutz, und alles ist wieder gut. Niemand Geringeres als @GrumpyMerkel selbst hat die Erklärung für den nur scheinbar enttäuschenden Auftritt ihres Kanzleramtsministers und Vertrauten für Geheimes:

Tweet der Woche von @GrumpyMerkel

Die vergangenen Tweets der Woche findet ihr hier.

Bluesky, Literatur, Politik

Juli Zeh: NSA wie Einbrecher im eigenen Haus

Juli Zeh: Was wir hier erleben, ist nicht irgendein abstraktes Technik-Schnick-Schnack. Bei einer Überwachung in diesem Ausmaß geht’s auch nicht mehr um die komplizierte Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit […] Was wir hier erleben, ist ein Angriff auf unsere Verfassung von historischem Ausmaß.

Die an meiner Heimat-Uni Saarbrücken zum Dr. jur. promovierte Schriftstellerin Juli Zeh hat heute dem heute Journal ein Interview gegeben, das deutlicher nicht aussprechen kann, was Viele momentan in Deutschland empfinden. Fassungslos sehen wir uns das Trauerspiel der deutschen Nicht-Reaktion der Bundesregierung auf den Angriff auf unsere Verfassung an und staunen gleichsam über anhaltend gute Umfragewerte für die Union (Deutschlandtrend: Unionshoch trotz NSA-Affäre).

Was ist es: Gleichgültigkeit gegenüber den Vorgängen? Wir haben doch nichts zu verbergen? Politischer Stursinn? Sagen 40 % der Menschen: Ich wähle immer die CDU, und egal, was sie macht, ich werde sie nochmal wählen? Wird die Kritik an Merkel und ihrem Kabinett einfach als reines Wahlkampfgetöse der Anderen abgetan? Nach dem Motto: die SPD und die Grünen sind ja auch nicht besser? An Letzterem ist ja was dran. Unter Rot/Grün hat die NSA genauso abgehört. Beide vermeintlich eher als die konservative CDU auf freiheitliche Bürgerrechte bedachte Parteien unternehmen auch nichts gegen die Vorratsdatenspeicherung oder gegen die Bestandsdatenauskunft.

Meine Hoffnung – zugegeben: wenig überraschend als Pirat – ist, dass sich bis zum 22. September genügend Menschen entschließen können, die Piraten zu wählen, damit der Einzug in den Bundestag und eine verstärkte parlamentarische Kontrolle und Transparenz rund um die ungeheuerlichen Angriffe auf unsere Verfassung möglich werden. Um es mit den gestern von @Kattascha veröffentlichten Worten zu sagen:

Update 21:30 Uhr: Passend dazu auch Kattaschas heute in der FAZ veröffentlichter Artikel:

Eine offene Demokratie ist anfällig für Angriffe. Doch was wollen wir aufgeben, um in einer möglichst sicheren Welt zu leben? Rein objektiv betrachtet bewegen wir uns in einer sicheren Gesellschaft.

Weiter auf faz.net: Katharina Nocun: «Der Überwachungsstaat ist der größte Anschlag».

Bluesky, Literatur, Politik, Video

ZEIT Online-Chef Jochen Wegner zur Zukunft des Onlinejournalimus

Jochen Wegner, Chef  von ZEIT Online

Was heute Morgen einschlug wie eine Bombe «Springer-Konzern verkauft Regionalzeitungen» (u.a. das Hamburger Abendblatt und die Berliner Morgenpost), will ich gar nicht weiter kommentieren. Viel wichtiger – und aussagekräftiger – scheint mir das Interview, das Jochen Wegner, der Chef von ZEIT Online, Meedia gegeben hat. Ein Auszug:

Wenn die Print-Online-Zusammenarbeit immer enger wird, rückt dann auch das Thema Bezahlinhalte stärker in den Fokus – auch nach dem, was Herr Esser jetzt schon einige Male angekündigt hatte?
Ich habe eine Vorstellung davon, wie das aussehen könnte.

Heißt konkret?
Wenn wir ein Bezahlmodell einführen, sollten wir den Weg von ft.com und nyt.com gehen. Wir sollten ein „Metered Model“ wählen, das darauf basiert, dass nur wenige Prozent aller Leser überhaupt eine Bezahl-Option wahrnehmen, weil sie uns besonders intensiv nutzen. Vielleicht ein Prozent würde dann irgendwann ein Abo abschließen. Das wäre ein großer Erfolg. Schon heute haben mehr als 25.000 Leser ein Digital-Abo der Zeit.

Zeit Online stand immer für einen kostenlosen Zugang zu allen Texten. Warum jetzt der Sinneswandel?

Den kostenlosen Zugang würde es in jedem Fall weiter geben, das ist einer der kontraintuitiven Aspekte des Metered Models. Viele hochwertige Angebote gehen in diese Richtung – sie müssen allerdings den Fehler vermeiden, um das Geld der Leser zu betteln. Das darf nur die taz als gleichsam crowdfinanziertes Medium.

Weiter lesen auf Meedia: «Wir ignorieren die Tricks der Branche».

Das im Interview angekündigte Beispiel für Datenjournalismus, basierend auf 155.965 Datensätzen für eine Abgeordnetenbilanz, ist übrigens auch sehr interessant. Wegner, selbstverständlich auch auf Twitter unterwegs, wies heute Vormittag drauf hin:

Bluesky, Literatur, Politik

PRISM – Jeder ist im Fadenkreuz!

Auch Wochen nach den Enthüllungen über die Überwachung des Internets durch Geheimdienste verhält sich die Bundesregierung weitgehend passiv. Wut reicht da nicht mehr aus, um die Gefühle eines Netzbewohners zu beschreiben.
[…]
Und zuallererst ekelt mich Angela Merkel dafür an, dass unsere Freiheit zwar am Hindukusch verteidigt wird. Aber nicht auf unseren Laptops.

Sascha Lobo heute auf SpOn: «Mein Weg zum Ekel».

Außer Ekel gab es heute für mich auch noch was zu Lachen. Ist zwar schon von gestern, hab es aber erst heute gesehen: Dachte, die heute show wäre wieder zurück. Der Stv. Regierungssprecher Georg Streiter gibt in der Bundespressekonferenz die Kabarett-Nummer «Herr Pofalla war im Urlaub» zum Besten. Wenn Politik die Satire überholt. «Mir macht ein bisschen Sorge, dass Sie das vielleicht nicht verstehen möchten.»

Politik, Video
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