Almodóvar: Das Gesetz der Begierde

La Ley del Deseo - Das Gesetz der Begierde Ich habe vorgestern schon auf die Almodóvar-Reihe auf arte hingewiesen. Heute Nacht (23:10 Uhr) läuft ein weiterer Streifen des spanischen Regisseurs, «Das Gesetz der Begierde» (1986), auf dem deutsch-französischen Kulturkanal, der viel zu wenig Zuschauer hat, weil viele lieber seichte Kost auf den anderen TV-Stationen konsumieren. Auch ich werde das mit ein paar Blogartikeln nicht ändern können, aber ich kann zumindest die Menschen, die bei mir mitlesen, auf gute Programmangebote hinweisen, was ich ja auch ab und an tue.

Ich hatte ja schon angekündigt, dass ich auf diesen Film noch besonders hinweisen würde, da er auch in meiner Magisterarbeit behandelt wurde. Meine Arbeit, von der es weiter unten einen Auszug zu lesen geben wird und mit der ich mein Studium der Hispanistik, Germanistik und Komparatistik an der Uni Saarbrücken 1993 beendet hatte, drehte sich um das Thema Film im Film bei Almodóvar, also inwieweit das Filmeschaffen in den Filmen selbst behandelt wird. Dazu passte natürlich ganz hervorragend der Film «Das Gesetz der Begierde», denn die Hauptperson des Films, Pablo Quintero (gespielt von Eusebio Poncela) ist ein Regisseur.

Meine Magisterarbeit habe ich damals noch auf einem Atari ST geschrieben, das heißt sie liegt mir nur als Neun-Nadel-Ausdruck (!) vor, leider nicht elektronisch. Ich habe jetzt mal zwei Seiten eingescannt und per OCR ins Textformat umgewandelt. Wer sich dafür interessiert, kann hier lesen, was es mit den Filmanfängen bei Almodóvar auf sich hat, hier auszugsweise eben bei «La Ley del deseo». Ich würde heute kein Kapitel einer wissenschaftlichen Arbeit mehr mit der etwas unbeholfenen anmutenden Formulierung “Eine beliebte Spielregel vieler Cineasten besagt…” beginnen, aber 1993 war ich offensichtlich noch nicht so weit. 😉 Ich bitte auch um Verständnis, dass ich aus Zeitmangel die spanischsprachigen Passagen des Textauszuges hier nicht übersetzen kann. Den kurzen Dialog hört man sowieso heute Nacht im Film (follar ist übrigens das F-Wort im Spanischen), und das Almodóvar-Zitat werde ich noch nachträglich in den Kommentaren übersetzen und die Quelle für das Zitat angeben.

Et voilá, ein Blick in die Magisterarbeit des frühen Filmwissenschaftlers:

Kap. V.4 Bedeutung der ersten Sequenz für den Film:

Eine beliebte Spielregel vieler Cineasten besagt, daß die erste Sequenz eines Filmes bereits in das Thema des Filmes einführen soll. Dieser Regel folgt auch Almodóvar in fast all seinen Filmen, auch wenn er immer wieder behauptet, kein ‘cineasta’ zu sein.

Schon bei ‘Matador’ führt die erste Sequenz in das Themenfeld des Films ein: Man sieht den Stierkampflehrer Diego Montes, der sich beim Anschauen eines Horror-Videos, in dem Frauen umgebracht werden, selbstbefriedigt. Damit ist schon die Verbindung von Sexualität und Tod gegeben, die für den ganzen Film bestimmend sein wird.

Das gleiche gilt für die erste Sequenz bei ‘La ley del deseo’, dieses Mal geht es dem Autor jedoch um mehr, als um bloße Einführung in den Film:
Ein junger Mann betritt einen Raum und erhält Anweisungen, von einer Person, die zunächst im Bild nicht zu sehen ist. Er soll sich langsam ausziehen. sich im Spiegel betrachten,und sich streicheln. Alles wirkt wie Probeaufnahmen für einen pornografischen Film. Dabei wird folgender Dialog gesprochen:

– Ahora pídeme que te folle. No me mires. No estoy aquí, sino a tu lado y quieres que te folle. Vamos, dímelo.
– Pero no habíamos quedado …
– Lo que quiero es que me lo digas. Vamos, no tengas miedo. Es solounapalabra.
– Fóllame, fóllame, fóllame.
– Quiero que me sientas dentro de t. Solo quiero que goces, Sigue. Sigue y dime cuándo te vas a correr. Me sientes dentro.
– Sí sí. Creo que me voy a correr.
– Yo también. Lo has hecho muy bien, despues de ducharte puedes irte.

Inwieweit diese Szene in das Thema des Films einführt, liegt auf der Hand; wiederum geht es um Sexualität, um Begierde, dieses Mal jedoch um die gleichgeschlechtliche. Darüber hinaus ist die Sequenz im Bereich Film angesiedelt, das heißt wir sehen einen Darsteller und hören die Anweisungen eines Regisseurs. Dies ist somit ein Hinweis auf Pabo Quintero, den Protagonisten des Films, der auch der Regisseur ist.

Der Verweis auf Pablo Quintero wird durch den Übergang von der ersten Sequenz zur eigentlichen Filmshandlung noch verstärkt: Nach der letzten Einstellung der beschriebenen Sequenz hört man die Anweisung eines Regisseurs “Bild einfrieren und Ende!”, ein Leinwandvorhang schließt sich, und dem Zuschauer wird klar, daß es sich bei der ersten Sequenz von ‘La Ley del deseo’ gleichzeitig um die Schlußszene des neuesten Films von Pablo Quintero handelt, den dieser gerade im Kino vorgestellt hat.
Darüber hinaus geht es AImodóvar bei diesem Filmbeginn um die Verbalisierung von Sexualität – hier speziell der homosexuellen – und er ist sich der Tatsache, daß er damit beim Zuschauer eine eher abstoßende Wirkung erzeugt, bewußt, ja er provoziert sie sogar ausdrücklich:

“Creo que la primera sequencia es la más dura de soportar por un concepto cultural. Aun partiendo de que no sientes homofobia,hay una cosa que culturalmente no se acepta nunca un hombre, que sabe que puede ser penetrado, lo verbaliza. Que lo diga en voz alta es algo que no se soporta oír, por un prejuicio que todos tenemos y a todos nos resulta incomodísimo. […] Es un problema del macho como especie. […] De hecho, me inventé lo de los dobladores simplemente para quitarle dureza, hacer una pirueta, decir lo que quería decir pero no con una tensión inaguantable. El espectador, no importa ni de que tendencía ni de que sexo, admite que alguien pague a otro para follar, pero le resulta infinitamente más doloroso y más patético que alguien pague a otro para decirle que lo folle, en detinitiva para decirle que lo desea. Eso resulta escalofriante.” [25]

Womit wir wieder beim Thema der Begierde wären. Mit dieser Eingangsszene ist es Almodóvar gelungen, in das Thema seines Filmes einzuführen und gleichzeitig eine gewisse Skandal- bzw. Schockwirkung beim Zuschauer hervorzurufen. Dies hat jedoch auch Schwierigkeiten für den internationalen Vertrieb des Filmes mit sich gebracht. In vielen Ländern – so z.B. In Argentinien und Italien (vgl.hierzu [26]) wollte man die ersten fünf Minuten des Filmes zensieren. Die Vertriebe befürchteten einen nichtamerikanischen Film mit einem solchen Beginn, nicht an Fernsehanstalten weiterverkaufen zu können. Es ist bezeichnend, daß ‘La Ley del deseo” auch mit dieser provokanten Eingangssequenz im “modernen” Spanien, nach Jahrzehnten strengster Zensur unter Franco, ohne Probleme gezeigt werden konnte.

11 Kommentare zu „Almodóvar: Das Gesetz der Begierde“

  1. Hast du die Atari-Dateien noch? Und mit welchem Programm sind sie geschrieben? Vor einiger Zeit habe ich nämlich für einen Freund einen großen Berg Atari-Dateien sehr verlustarm konvertiert, da gibt es schon Möglichkeiten.

  2. Die Magisterarbeit wurde auf dem wunderbaren Textverarbeitungsprogramm Signum geschrieben und ich hab sogar den Atari noch (muss irgendwo in den noch nicht ausgepackten Umzugskisten stecken). Ich habe auch heute mittag daran gedacht, diese Datei endlich mal zu konvertieren, hab auch schon mal irgendwo gelesen, wie das geht. Danke für das Info-Angebot, im Moment fehlt mir die Zeit dazu, es umzusetzen. Ich behalte es aber auf der längerfristigen To-Do-Liste.

  3. Jens: leider ist mir zum Soundtrack des Films nichts bekannt. Es war allerdings auffällig, wie viele Menschen unmittelbar (oder sogar während!) der Ausstrahlung der beiden Sendetermine von «La Ley del deseo» auf arte hier mit einer Suchmaschinenrecherche nach dem Soundtrack aufgeschlagen sind.
    Größten Anteil am Interesse für die Musik aus «La Ley del deseo» hat sicherlich die Interpretation des musikalischen Hauptmotivs und dieses möchte ich dir – und allen, die nach der Musik des Films suchen, quasi zum Trost vorspielen:
    Maysa Matarazzo mit Ne me quitte pas
    Quantcast

    Es gibt allerdings eine CD mit Zusammenstellungen aus mehreren Almodóvar-Filmen, auf der auch «La ley del deseo» vertreten ist: Songs of Almodóvar von 1998. Zu der CD gibt es auch ein Interviewmi t Almodóvar, indem er auch den Hintergrund der Ne me quitte pas-Version von Maysa Mataraso erläutert: «Las canciones de Almodóvar».

  4. Pingback: Almodóvar bloggt über seinen nächsten Film “Los abrazos rotos” » Text & Blog – Das Weblog von Markus Trapp

  5. Pingback: ondamaris » Blog Archiv » Almodovar dreht

  6. Pingback: Cat Power mit Werewolf im neuen Almodóvar » Text & Blog – Das Weblog von Markus Trapp

  7. Jens sagt am 17.09.2007 um 10:21 Uhr:

    Markus, weisst du ob man die wunderbare Filmmusik aus “La Ley del deseo” irgendwo zu kaufen bekommt?

    Das Lied jedenfalls, zu dem Antonio und Pablo am Ende in der Wohnung tanzen, ist vom Trio “Los Panchos” und heißt “Lo dudo”, ich habe es über iTunes gekauft. Die Musik, die während des Vorspanns kommt, ist eine Strawinsky-Sinfonie (welche genau müsste ich allerdings nochmal nachschauen).
    Hoffe, das hilft weiter.

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