«Guardia urbano, Valladolid» (dt.: «Stadtpolizist aus Valladolid») heißt dieses Foto von Julio Ubiña aus dem Jahr 1958, hier etwas größer zu sehen. Bilder aus einer anderen Welt und einer anderen Zeit zeigt der Fotoband «Spanische Fotografie zur Zeit Francos» von Publio López Mondéjar. Erschienen im Könemann-Verlag. Wohl leider vergriffen und nur noch gebraucht zu haben.
Frau creezy, selbst eine begnadete Fotografin, die stets gute Fotos in ihrem Blog veröffentlicht, hat es letzten Sonntag in ihrem neuen Fotoblog Dunkelkammerartistik empfohlen. Ich war spontan begeistert und hab mir ein Exemplar über ein Hamburger Antiquariat gesichert und blättere nun in jeder meiner wenigen freien Minuten darin.
Was gibt es da alles zu entdecken: Durch die Luft fliegende Padres beim Versuch einen Ball aus dem Fußballtor zu wuchten. Kinder aus den Barrios Cutres (Armenviertel) von Barcelona, selbst Luis Buñuel (mich an meine noch abzuschließende Dissertation über das mexikanische Kino Buñuels erinnernd!) zeigt sein Gesicht. Pío Barroja 1950 beim Spaziergang im Retiro-Park in Madrid abgelichtet. Ein wahre Fundgrube, dieser Fotoband.
Bewegende Momente der Zeitgeschichte etwa in dem Foto «La mujer de un preso entregando una carta a Franco» von Hermenegildo Vallvé, in dem man die Frau eines Häftlings sieht, die 1949 in Tarragona versucht, Franco während eines Aufmarsches einen Brief zu überreichen und die dabei von Beamten der Guardia Civil zurückgehalten wird. Wie eine Herde von Irrsinnigen (etwas anderes waren sie ja sowieso nicht) reißen dabei die Franquisten, samt dem Caudillo selbst, die Arme zum faschistischen Gruß nach oben. Den historischen Wahnsinn, so bewegend am persönlichen Schicksal dargestellt, kann man sich auf der vergrößerten Darstellung des Fotos anschauen.
Antonio Muñoz Molina, Autor von Romanen wie «Plenilunio» (Die Augen des Mörders) oder «Invierno en Lisboa» (Der Winter in Lissabon), schreibt im Vorwort zu dem Fotoband:
Es gibt ein Gefühl für Zeit und Dinge, das uns nur die Fotografie vermitteln kann, eine Form der Erfahrung oder Erinnerung, die ohne sie gar nicht möglich wäre und die in keiner anderen Kunstform zu finden ist. […]
Keine andere Kunst berührt mein Innerstes so sehr wie die Fotografie. Nichts spricht zu mir so mächtig von mir selbst, der Welt, meiner ganz persönlichen Vergangenheit, die ich mit anderen teile und an die ich Erinnerungen habe, ohne sie selbst gelebt zu haben.
Besser kann man in diesen Band nicht einführen.
Auf die Antiquariatssuche nach dem Fotobuch mit den Bildern aus der Franco-Zeit kann man sich über diesen amazon-Link oder über die üblichen Verdächtigen ZVAB und eurobuch machen.
Frau creezy, mein ergebenster Dank für diesen Fotobuch-Tipp. Sage noch einer Web 2.0 sei alles Schrott. Sie schreiben einen Blogartikel (denken bei seiner Veröffentlichung sogar an mich, wie Sie dort kommentierten), ich lese das Posting und kaufe spontan das Buch. Die Dunkelkammerartistik gehört jetzt schon zu meinen feedgebuchten Stammleseblogs.
Oh ich danke für die freundlichen Zeilen und freue mich. Noch mehr freue ich mich, dass Dir das Buch so gut gefällt. Aber es ist auch eine wirklich aussergewöhnlich schöne Arbeit.
Das traumhafte Foto vom Padre nehme ich übrigens immer als Beispiel, wenn mir Top-Fotografen in den Foto Foren erzählen wollen, sie brauchen unbedingt für ihre Arbeit/ihr Hobby als Sportfotograf einen noch schnelleren Autofokus, eine noch schnellere Speicherkarte, noch schnelleren AF-Objektive. Da frage ich dann, wie solche Fotos enstehen konnten zu einer Zeit in der das Wort „Automatik“ in keiner Kamera existierte? 😉
Freue mich, dass es Dir gefällt, das Buch!