Ignacio Escolar: 7 Gedanken zu den Spanischen Protesten

Zur Einschätzung der aktuellen politischen Lage in Spanien ist für mich von jeher der spanische Journalist Ignacio Escolar eine der ersten Anlaufstellen. Der 1975 in Bilbao geborene und in Madrid lebende Blogger und Journalist publiziert u.a. auch als Autor auf dem sehr guten spanischen Nachrichten-Portal publico.es (zum Start vorgestellt auf cibera). In seinem Artikel Siete ideas sobre Democracia Real Ya bringt er Einiges auf den Punkt, was bestens zur Einordnung der aktuellen Proteste in Spanien dient. Für die Nicht-Spanisch-Sprechenden habe ich seine 7 Punkte übersetzt:

1. Es ist zweifellos ein Erfolg für eine erst vor knapp drei Monaten gegründete Organisation Zehntausende von Menschen in mehr als 50 Städten zu mobilisieren, und das ohne die Unterstützung einer politischen Partei, einer Gewerkschaft oder eines Massenmediums.

2. Beachtlicher Fakt: Die 15-M-ProtesteSpanier kürzen wichtige Ereignisse in dieser datierten Form ab, 15-M steht für den 15. Mai, den ersten Tag der landesweiten spanischen Demonstrationen unter dem Motto DemocraciaRealYA! haben mehr Menschen auf die Straße gebracht, als die Gewerkschaftskundgebungen am vergangenen 1. Mai.

3. Es ist eine gute Nachricht, dass die soziale Enttäuschung endlich in friedlichen Protest mündet, denn des Gegenteils, der hingebungsvollen Resignation, sind wir seit Jahren überdrüssig.

4. Beunruhigend ist die unglaubliche Distanz, die zwischen Politikern und dem Rest der Bevölkerung entstanden ist. 15-M ist nicht das einzige Symptom, dass diese Demokratie krank ist, dass sie nicht wird überleben können, wenn an der Ungerechtigkeit, der Korruption und der Straffreiheit festgehalten wird. Dass die Politiker in den Umfragen des CIS Anm. d. Übersetzers.: CIS=Centro de Investigaciones Sociológicas, Zentrum für Sozialwissenschaftliche Forschung. als eines der Hauptprobleme des Landes genannt werden, ist eine weitere Tatsache, die die Parteien nicht ignorieren sollten, wenn sie nicht wollen, dass die Gesellschaft sie übergeht.

5. Die klarste Botschaft richtet sich an die linken Parteien, speziell die PSOE. Ich zweifle, dass unter den Demonstranten vom Sonntag viele Wähler der PP waren.

6. Es irren die Politiker, die die Proteste auf ein gewaltsames Zwischenspiel reduzieren, auf eine vorübergehende Verärgerung, auf eine Strategie der Rechten die Linke bei den kommenden Wahlen zu spalten, oder einfach so auf einen Wutanfall.

7. Es irren jene, die nicht wahr haben wollen, dass die Debatte im Netz stattfindet. Es irren aber auch jene, die glauben, es reiche aus, dass #spanishrevolution in den Trending Topics auf Twitter sei, dass wirklich eine Revolution beginne.

Wie gesagt, den Text im spanischen Original gibt es bei Ignacio Escolar:
Siete ideas sobre Democracia Real Ya.

4 Kommentare zu „Ignacio Escolar: 7 Gedanken zu den Spanischen Protesten“

    1. @generator: Wie schon bei Dir kommentiert: Danke für die deutlichen Worte und die wunderbare Formulierung des unter den Teppich Schweigens.

      @Tobias: Das zeigt auch die Relevanz der Geschehnisse in Spanien für Deutschland und für den Rest Europas.

  1. Vielen Dank für die Übersetzung! Die Distanz gegenüber den Politikern, von denen in deiner Übersetzung die Rede ist, ist ein Phänomen, welches sich auch in Deutschland beobachten lässt. 🙁

  2. Pingback: The Revolution will not be twitterized – Codecandies

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