Vorgestern habe ich – wie angekündigt – den neuen Robert Redford-Film «Von Löwen und Lämmern» auf der Pressevorführung in Hamburg gesehen. Ein guter Film, soviel schon mal vorneweg. Ein ungewöhnlicher Film, ja das auch. Und ein Film mit einem überzeugenden Drehbuch (von Matthew Michael Carnahan), was bei Hollywood-Entertainment nicht immer der Fall ist.
Ich wage mal zu prognostizieren, dass dieser Film in Europa erfolgreicher sein wird als in den USA. Der gemeine Nordamerikaner liebt ja die Aufteilung der Welt in Good Guys und Bad Guys. Das mit den Guten und den Bösen wird einem bei Redfords Film aber nicht immer ganz leicht gemacht. Und das wichtigste, ohne zu viel zu verraten: zentrale Fragen des Filmes bleiben offen. Ich mag Filme, die nach Ende des Vorhangs noch nicht zu Ende sind. Für Hollywood-Kino ist das relativ ungewöhnlich, aber es ist ja auch ein Redford-Film, sein politischster vielleicht.
In der angenehmen Filmlänge von 90 Minuten geht es um drei Geschichten, von denen der Zuschauer relativ schnell erfährt, dass und wie sie zusammenhängen. Im Mittelpunkt steht der Antiterrorkampf der USA, konkret in Afghanistan.
Geschichte 1: Ort: zunächst Kalifornien, dann Afghanistan
Zwei Soldaten melden sich freiwillig zum Einsatz, sie wollen kämpfen für ihr Land. Sie sind die Löwen. Dorthin geschickt werden sie von der wenig intelligenten politischen Führung ihres Landes, das sind die anderen Tiere aus dem Titel. Mäh.
Geschichte 2: Ort: Washington
Goodlooking Guy und politischer Karrierist (gnadenlos gut gespielt von Tom Cruise), republikanischer Senator und potentieller Präsidentschaftskandidat (was er natürlich leugnet, wie alle Kandidaten ihre Kandidatur zunächst leugnen) lädt die linksliberale Journalistin (ebenso brillant verkörpert von Meryl Streep) zum Pressegespräch, bietet ihr eine Topstory an (Achtung, wir notieren auf der Analysetafel: hier geht es um das Verhältnis Politik – Medien). Dank des guten Buches entwickelt sich das Pressegespräch zu einem intelligenten Dialogduell, das im Verlauf des Filmes nur noch von einem weiteren Wortgefecht getoppt wird und zwar von…
…Geschichte 3: Ort: Kalifornien
Politik-Professor (Redford) versucht an einer nicht näher genannten kalifornischen Universität den verwöhnten, doch begabten Studenten (für mich die schauspielerische Entdeckung des Films, Andrew Garfield, 23) aus seiner Resignation zu reißen, ihn zu überzeugen, seinem Leben einen Sinn zu geben.
Der Film stellt viele Fragen (pathetische, auch in der Werbung für den Film effektvoll eingesetzte, siehe Plakat und Trailer). Fragen, die es aber auch jenseits der dramatischen Oberfläche zu beantworten gilt, und zwar von jedem und jeder, der oder die ihn sich anschaut:
Wofür lebst du?
Wofür stirbst du?
Wofür kämpfst du?
Wofür stehst du ein?
Dass der Film die Antworten auf jene Fragen nicht gibt, zumindest nicht mit dem platten Leinwand-Zeigefinger, ist ein Verdienst von Robert Redford und seinem Drehbuchautor Matthew Michael Carnahan. Schaut euch den Film an, ich finde es ist ein guter Film und es würde mich interessieren, wie er auch gefallen hat. Filmstart in Deutschland: 8.11.07, weitere Infos im Artikel meiner ersten Vorstellung des Streifens: «Robert Redford: Von Löwen und Lämmern».
Heute gesehen – kam aus dem Kino und wusste erst einmal gar nichts anzufangen. Vielleicht war es die Überraschung, dass der plötzlich aus ist (mit anderen Worten: Er ist kürzer, als ein normaler Film)
Aber ich mag den Film – denn der Schluss lässt Raum für Diskussionen. Cruise und Streep überzeugen – der Newcomer braucht sich da nicht verstecken.
Genial fand ich, dass es keine Einblendungen einer Übersetzung gibt, sondern (fast) alles eingedeutscht wurde. Nicht nur Zeitungen werden übersetzt, auch Overhead-Folien oder Fernsehschlagzeilen.
Das erzeugt Nähe und erweckt den Eindruck, dass der Konflikt näher ist, als es der Ozean zwischen den Kontinenten erlaubt…
Herr Rob, vielen Dank für die Schilderung Ihres Eindrucks zum Film, den ich so – vor allem, was den Schluss anging, ähnlich hatte.
Ich freue mich auch, dass dieser Artikel, der seit Tagen der am meisten aufgerufene Artikel im Blog ist, nun endlich auch durch einen Kommentar bereichert wurde. Klar, vorher ging’s ja auch nicht, da bisher kaum jemand die Chance hatte, den Film vor seinem gestrigen Start zu sehen. Aber die Menge der Menschen, die hier im Blog mit Google-Suchen nach «”neuester Film” + “Robert Redford”» oder nach «Redford + “Von Löwen und Lämmern”» gelandet ist, hat das bisher übliche Ausmaß an Google-Publikum bei weitem übertroffen.
Freut mich jedenfalls, dass Ihnen der Film gefallen hat und ich bin schon gespannt auf weitere Meinungen zum Film.
Freitag, der 16.11., Einkaufen und dann spontan Lust auf Kino – als “Nichtfernseher” kommt das eher mal vor – Das Programm bietet nur Kikifaz und nach Auskunft noch “so einen Politthriller”, für den wir uns entscheiden. Und dann sowas – eine filmische Sensation, nicht weniger. Die Zeitung bietet zum Thema “Antiterrorkampf” kaum mehr, nie aber so kompexe Zusammenhänge. Das Individuum Bürger im Spannungsfeld verlogener, ignoranter und bürgerfeindlicher Politik, der „freien“ Medien und der Frage, welchen Teil er für sein Glück und das der Anderen beizutragen hat. Die Inszenierung ist packend, die Schauspielkunst beanstandungslos gut. Der Abend war ein Highlight, zu vergleichen mit den Drei Tagen des Condor, JFK und Staatsfeind Nr. 1. Der ökonomische Hintergrund für den terroristischen „Antiterrorkampf“ kommt leider fast gar nicht vor, was beim eingebundenen Thema Politikwissenschaften sicherlich hätte Platz finden können. Schade.
Renato: schön, dass dich der Film auch begeistert hat und danke für deine Stellungnahme.
Zum nicht behandelten ökonomischen Hintergrund: das Thema Krieg und speziell Krieg im Antiterrorkampf (und seine wahren Beweggründe, wie etwa die wirtschaftlichen Intentionen des unmenschlichen Gebahrens), ist ja ein sehr komplexes Thema, und manchmal ist es vielleicht sogar besser, sich auf einige wenige Punkte zu konzentrieren und die prägnant zu vermitteln. Ich denke, Redford hat in seinem Film ganz bewusst die persönliche Haltung zum Krieg (“Wofür stehst du ein?“) in den Mittelpunkt seines Filmes gestellt.
Aber natürlich gehört auch das zu den persönlichen Erwägungen, die jeder, der sich für oder gegen einen solchen Krieg positioniert, sich eben zu fragen: “Moment mal, kann es sein, dass hier meine existentiellen Ängste angesprochen werden, damit ich mich für etwas engagiere, was in Wahrheit einen ökonomischen Hintergrund hat?“.
Auch daran liegt die Stärke des Filmes. Er endet eben nicht mit dem Verlassen des Kinos, etwas, was immer weniger Filme schaffen.
Hallo Markus.
Also, ich muss sagen – ich fand ihn auf den ersten nicht so. Hab ihn vorgestern gesehen. Ich war irgendwie nicht einverstanden mit nix. Von wegen glaubhafte Dialoge und so. Na gut – etwas später – vielleicht braucht man eine Vorlage für den Idealzustand… dann also vielleicht doch nicht so schlecht. Und ein paar Pointen sitzen ja auch ganz gewaltig.
Und dann aber: Wieso eigentlich gibt es keine internationale Ebene? Es müssen ja nicht gleich die Taliban sein, mit denen man spricht. Aber wenn das Ziel lediglich sein soll, dass in Amerika eine Debatte stattfindet… Kommen da nicht auch nur nationale Lösungen heraus?
Und was sagen eigentlich die amerikanischen Muslime in den USA zu dem Problem – wäre schön gewesen, wenn sich die Autoren getraut hätten, denen auch mal wieder eine Stimme zu geben… Die trauen sich wohl nicht mal mehr in einer idealen Sprechsituation.
Hat bei mir einen komischen Eindruck hinterlassen. Komischer Schmelztigel, dieses Amerika.
Peter: das stimmt, die internationale Ebene wurde im Großen und Ganzen schon ausgeblendet. Es ist halt ein amerikanischer Film, der sich zunächst auch an ein us-amerikanisches Publikum wendet. Aber da der Antiterror-Krieg in Zeiten der Globalisierung immer auch ein multinationaler Krieg ist, kann jeder Zuschauer in allen Nationen der Welt hier ja auch seine individuelle Position beziehen, auch wenn die handelnden Personen im Film – bis auf schemenhaft erkennbare, als Kämpfer agierende Taliban – US-Amerikaner sind.
Aber selbst für eine nationale Debatte: Es muss ja auch ein paar US-Muslime geben.
Ich hatte vorgestern mal ein wenig gestöbert: Die Amerikaner sind nicht nur wenig begeistert von der Idee des Films, viele halten ihn schlichtweg für Propaganda. Es gibt bestimmt auch vernünftigere Debatten, aber die Fülle von Beiträgen, die ich da unten fand, waren schon schockierend.
Schaut mal:
http://www.variety.com/review/VE1117935172.html?categoryid=31&cs=1
Seitenweise Abwatschen, mit einfältigsten Argumenten, wenn überhaupt welche kommen. Ganz versprenkelt findet man mal einen positiven Kommentar. Ansonsten immer wieder “unamerican” – Pauschalurteile und Gesprächsverweigerung.
Da schickt der Redford einen Schwarzen und einen Hispanic in den Krieg, die Weißen Mittelklasse-Studis bleiben im Hörsal oder zuhause. Das mag ja stimmen, aber um die geht’s in dem Konflikt ja gar nicht. Ein Wortgefecht zwischen einem toleranten Christen und einem toleranten Muslim mit jeweils kenntnisreichen Einsichten in die Dynamik christlich-staatlicher Kriegsstrategie und fanatischen religiösen Gewaltritualen – das wäre ein Film gewesen, der Positionen verdeutlicht. Und das wäre auch die Ebene, auf der diskutiert werden müsste.
Dieser “unsere Soldaten sterben und wir sind alle schuld-Kram” – das bringt doch nichts.
Gruß Peter