Forscher auf Verdacht in Untersuchungshaft

Stacheldraht
Foto: sxc.hu

Um es gleich vorneweg zu sagen: ich lehne jegliche Form von gewaltvollem Protest ab. Wenn also in Berlin Vereinigungen meinen, sie müssten gegen wie auch immer geartete Ungerechtigkeiten im Staat gewaltvoll, etwa mit Brandsätzen, protestieren, so lehne ich dies ausdrücklich ab und ich finde, es sollten immer die Mittel des friedlichen Protestes gesucht werden.

Doch genauso lehne ich es ab, dass ein Wissenschaftler der Berliner Humboldt-Universität in Untersuchungshaft genommen wird, weil eine Gruppe von Aktivisten sich offenbar seiner Texte bedient hat und weil er sich mit ihnen getroffen haben soll. Ein unfassbarer Vorgang, auf den gestern bereits im Hauptstadtblog und bei The Exit hingewiesen wurde und den man auch auf Spiegel Online («Wissenschaftler im Visier der Linksterror-Fahnder») und in der taz («Forschen ist strafbar») nachlesen kann.
Fassungslos lese ich etwa auf Spiegel Online:

Bibliothekszugang als Verdachtsmoment

Auch grundlegende wissenschaftliche Ressourcen kommen den Ermittlern an den Akademikern verdächtig vor. Einem der Sozialwissenschaftler stünden dank seiner Tätigkeit „Bibliotheken zur Verfügung, die er unauffällig nutzen kann, um die zur Erstellung der militanten Gruppe erforderlichen Recherchen durchzuführen“, zitieren die Verteidiger aus der Argumentation der Bundesanwaltschaft. „Das gilt ja wohl für jeden Wissenschaftler“, sagt Anwalt Kaleck. Für ihn und seine Verteidigerkollegen sind die angeführten Verdachtsmomente „an Absurdität kaum zu überbieten“.

Das kann ja wohl alles nicht wahr sein. Der Bibliothekszugang als Verdachtsmoment? Wo leben wir denn? Wie ist es um die Rechtssicherheit in unserem Land bestellt, wenn Menschen wegen ihrer Forschungstätigkeit und ganz offensichtlich fadenscheinlich hergestellten Bezügen in Untersuchungshaft genommen werden können? Ich kann nur sagen, wenn Andrej H. deshalb verdächtig ist, «Dann sind wir es alle».

Auch wenn das eine nicht unmittelbar mit dem anderen zusammenhängt, so frage ich mich, wie ernst kann die Bundesjustizministerin Zypries (die ja auch gerne in der Bibliothek geforscht hat) ihre am 28. Juli 2007 in der Frankfurter Rundschau unter dem Titel «Die Freiheit ist kein Risiko» veröffentlichten Aussagen meinen, wenn gleichzeitig im Rahmen der „Terrorbekämpfung“ (die Zuständigkeit der Terrorbekämpfung ist in dem konkreten Fall der „militanten gruppe“ zudem höchst umstritten) in Berlin solch ungeheure Vorgänge möglich sind. Frau Zypries schreibt:

In unsicheren Zeiten stehen Bürgerrechte nicht hoch im Kurs. Mit der Furcht vor terroristischen Anschlägen und der Sorge, Opfer eines Verbrechens zu werden, wächst das Verlangen der Menschen nach Sicherheit. Manche Politiker verleitet dies zu einem Forderungswettlauf: Noch mehr Prävention, noch strengere Gesetze, noch schärfere Kontrollen und noch härtere Strafen. Das soll Aktivitäten signalisieren, aber es kann das Übel nicht an der Wurzel packen. Häufig wird damit erst geschürt, was angeblich bekämpft werden soll: Unsicherheit. Und es entsteht ein Klima, in dem Freiheit als Risiko gilt und jeder Bürger als potenzieller Gefährder.

In solchen Situationen braucht es Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die mit kühlem Kopf und klaren Verstand Politik machen. Wir lassen Bürgerrechte und Sicherheit nicht gegeneinander ausspielen. Es stimmt, was Benjamin Franklin einst schrieb: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“ Wir müssen daher den Sinn für den Wert rechtsstaatlicher Garantien schärfen. Sie dienen nicht nur der Bestrafung der Schuldigen, sondern auch dem Schutz der Unschuldigen vor ungerechtfertigten Maßnahmen der Staatsgewalt.

Aha, „in solchen Situationen braucht es Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die mit kühlem Kopf und klaren Verstand Politik machen„, dann bitte ich die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und alle, denen eine objektive Rechtsprechung in einem funktionierenden demokratischen Staat am Herzen liegen, hier den Worten die entsprechenden Taten folgen zu lassen und sich für eine unmittelbare Entlassung von Andrej H. aus der Untersuchungshaft einzusetzen.

[Artikel von Frau Zypries via del.icio.us/tag/owl-content]

3 Kommentare zu „Forscher auf Verdacht in Untersuchungshaft“

  1. Zi Gong erkundigte sich nach den Prinzipien einer guten Regierung. Konfuzius sprach: „Sie muss für ausreichend Nahrung sorgen, für ausreichend Verteidigung und das Volk muss Vertrauen in sie haben können.“
    Zi Gong fragte weiter: „Wenn man auf einen dieser drei Punkte verzichten müsste, auf welchen könnte man als ersten verzichten?“ Konfuzius sprach: „Auf die Verteidigung.“
    Zi Gong fragte wieder: „Wenn man nun von den beiden übrigen Punkten auf einen verzichten müsste, auf welchen könnte man dann verzichten?“
    Konfuzius sprach: „Auf die Nahrung. Denn der Tod ist sowieso unausweichlich – doch ohne das Vertrauen des Volkes kann sich keine Regierung halten.“

    Schon recht dumm, genau am falschen Ende anzufangen.

  2. Pingback: ttt - Tatbestand Soziologie und anderes » Text & Blog – Das Weblog von Markus Trapp

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert