Festivalbericht Havanna 2019

Das Filmfestival in Havanna hatte auch 2019 etliche interessante Filme zu bieten. Von den 43 an zehn Tagen gesehenen Filmen, sind die hier vorgetellten für mich die besten zehn. Wie immer stellt die Reihenfolge keine Wertung dar. Der Filmtitel verlinkt auf die Beschreibung des Festivalkatalogs oder anderer Quellen:

1. El cuento de las comadrejas (The Weasels’ Tale)

(Argentinen 2019)

Eine wunderbare schwarze Komödie wußte gleich zu Beginn des Festivals zu beegeistern. Eine alte, längst in Vergessenheit geratene Filmdiva lebt mit einem Schauspieler, einem Drehbuchautor und einem Regisseur – deren erfolgreiche Zeit auch lange zurückliegt – in einer verlassen gelegenen alten Villa. Da tauchen zwei junge Immobilienmakler auf und wollen das Haus kaufen. Es beginnt ein wahrer Kampf um den Erhalt der “Senioren-WG”.

2. Esto no es Berlín

(Mexiko 2019)

Der Film von Hari Sama spielt im Sommer 1986 zur Zeit der Fußball-WM in Mexiko. Der 17 Jahre alte Carlos sucht nach Orientierung. Im Nachtleben der Stadt navgiert er zwischen Punk, Rock und der Tatsache, dass Mexiko-Stadt eben nicht Berlin ist. In Deutschland kommt der sehenswerte Film ab 27.2.2020 ins Kino.

3. Los dos papas (Die zwei Päpste)

(Brasilien 2019)

Wenn ein Film mich überzeugt, obwohl mich das Thema nicht sonderlich interessiert, ist es immer eine besonderde Leistung. Hier ging es mir so: das Thema der Koexistenz zweier Päpste (Francisco und Benedikt) interessiert mich eigentlich nicht, doch ich habe den Film von Fernando Meirelles mit großem Interesse gesehen. Natürlich ist vieles Fiktion, weil ja niemand bei den sehr persönlichen Begegnungen der beiden Päpste dabei war. Doch so könnte es gewesen sein. Hervorragend gespielt von Jonathan Pryce (in der Rolle des Francisco) und Anthony Hopkins (als Benedikt). Der Film ist bereits auf Netflix zu sehen. Es empfiehlt sich, ihn im Original zu sehen, alleine schon, um in den Genuss des deutschen Akzents zu kommen, mit dem Hopkins seinen Benedikt spricht.

4. Diego Maradona

(Großbritannien 2019)

Im Mittelpunkt der gut gemachten Doku von Asif Kapadia steht die Zeit Maradonas beim SSC Neapel (1984 – 1991). Irre, wie er bei Ankunft in Neapel von den Tifosi bejubelt wurde, wie er den Verein quasi im Alleingang aus der Krise schoß und wie sie ihn am Ende wieder fallen liessen. Überhaupt ein trauriges Schiksal, wie so ein begnadeter Fußballer so tief fallen konnte. All dies wird gut anhand bisher teils unveröffentlichter Dokumentaraufnahmen gezeigt.

5. A Febre

(Brasilien 2019)

Der braslianischen Filmemacherin Maya Da-Rin ist eine filmische Anklage gelungen an den Rechtspolulisten Bolsonaro und an all jene, die ohne jede Rücksicht gegen die indigene Bevölkerung im Amazonasgebiet agieren.

6. Três Verões (Drei Sommer)

(Brasilien 2019)

Aus der Perspektive der Angestellten wird der Verlauf von drei Sommern geschildert, bei denen am Anfang noch die Organisation der traditionellen Party zwischen Weihnachten und Neujahr in einem luxuriösen Haus am Strand im Mittelpunkt stand. Was aus der Angestelltenperspektive in der Welt der Superreichen passiert, wenn diese aufgrund von Verhaftungen und Flucht zusammenbricht, schildert “Três Verões” von Sandra Kogut eindringlich. Hervorragend in der Rolle der Hausangestellten Madá: Regina Casé.

7. Marighella

(Brasilien 2019)

Ein Film, den ich auf der Berlinale verpasst aber nun in Kuba gesehen habe, und der im Kino in Havanna Szenenapplaus bekam, wenn der Held davon sprach, dass man für seine Übezeugungen kämpfen müsse. Es geht um Marighella, der in den sechziger Jahren gegen die braslianische Militärdiktatur gekämft hat. Ein viel sagendes Zitat aus der Berlinale-Filmebeschreibung:

Der Einsatz für Würde und Gerechtigkeit mündet in Gewalt und Terror, Marighella gilt bald als Staatsfeind Nummer eins. Das Kommando unter der Führung des brutalen Offiziers Lúcio ist ihm dicht auf den Fersen. Eine Parabel auf die Gegenwart.

8. Bacurau

(Brasilien 2019)

Ein Film zwischen ethnographischer Dokumentation und brutalem Gemetzel à la Tarantino. Mendonça Filho (der den hervoragenden Film Aquarius gemacht hat, von dem in meinem Festivalbericht Havanna 2016 schon die Rede war) hat einen bildgewaltigen Science-Fiction-Film geschaffen mit Udo Kier als diabolischem Bösewicht.

9. Blanco en blanco (White on white)

(Argentinien 2019)

Der Film von Théo Court wurde in Havanna zurecht mit dem Fipresci-Preis der internationalen Filmkritik ausgezeichnet. Der Fotograf Pedro reist Ende des 19. Jahrhunderts ins winterliche Feuerland, um im Auftrag eines Mr. Porter das dortigen Leben fotografisch festzuhalten. Was er und gleichzeitig auch der Film von Théo Court dokumentiert, ist die verbrecherische Landnahme. Kurioser Fakt zum Cast: der deutsche Schauspieler Lars Rudolph mit seiner unverkennbaren Stimme spielt mit.

10. La vida invisible de Eurídice Guzmão (Die Sehnsucht der Schwestern Gusmão)

(Brasilien 2019)

Das Filmdrama von Karim Aïnouz gewann in Cannes 2019 den Hauptpreis der Sektion Un Certain Regard. Gut gemachtes Herz-Schmerz-Kino über die Geschichte der Trennung zweier Schwestern, das ab 26.12.2019 auch in Deutschland gesehen werden kann.

2 Kommentare zu „Festivalbericht Havanna 2019“

  1. Wow, das 3. Festival, das du regelmäßig besuchst.
    Vielen Dank für den Bericht, sehr interessant einen kleinen Einblick in die aktuelle Filmproduktion Lateinamerikas zu bekommen.
    Ziemlich viele Filme aus Brasilien…
    #10 läuft schon in der ersten Januar-Woche in unserem KoKi. Mal sehen, ob ich das schaffe

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert