«Amerikas Wahn» ist für mich einer der bisher besten Kommentare zum US-Abhörskandal Prism, von Klaus @Brinkbaeumer, veröffentlicht im aktuellen Spiegel (29/2013) und seit heute auf Spiegel Online:
Eine politische Diskussion über all das findet so gut wie nicht statt. Anschläge seien durch die Bespitzelung verhindert worden, das sagt Obama, das sagt Angela Merkel, und wir haben ihnen zu glauben. So erklärt man Wähler und Bürger zu Kindern, deren Eltern, die Regierungen, schon wissen, was richtig ist. Existiert jenes freie Amerika, das verteidigt werden sollte, noch, oder hat es sich durch die Verteidigung selbst abgeschafft?
[…]
Die deutsche Regierung verhält sich verheerend schwach. Merkel müsste sagen: Ihr seid manisch, und was ihr da tut, ist krank. Freunde sagen so etwas. Stattdessen wägt sie jedes Wort ab, will bloß die USA nicht verprellen. Einen Vergleich der NSA mit der Stasi hält sie für unangemessen; aber das ist er nicht, da Vergleiche nicht bedeuten, dass zwei Dinge identisch sein müssen. Die Stasi hat Familien zerstört, die NSA vermutlich nicht. Aber die Nutzung der verfügbaren Technologie, die Pflege von Feindbildern, die Sammelwut, der Glaube daran, auf der richtigen, der guten Seite zu stehen: Gibt es nicht doch ein Muster?
Dazu noch ein aktueller TV-Tipp: Heute Abend könnte sich um 22:45 Uhr das Einschalten der ARD lohnen, denn Beckmann hat in der Sendung mit dem Titel «Der gläserne Bürger – ausgespäht und ausgeliefert?» interessante Gäste:
Frank Schirrmacher (FAZ-Herausgeber), Ranga Yogeshwar (Wissenschaftsjournalist & Physiker), Constanze Kurz (Sprecherin “Chaos Computer Club”), Hans Leyendecker (SZ) und, zugeschaltet, Glenn Greenwald (“The Guardian”-Journalist, den Edward Snowden mit seinem Enthüllungsmaterial kontaktiert hat). Wenn das bloß nicht Beckmann moderieren würde. 😉
Wünsche mir ein interaktives Feature. #Beckmann ohne Beckmann sehen, da hoch interessante Gäste: Der gläserne Bürger… http://t.co/9Fa4jDHiRQ
— Markus Trapp (@textundblog) July 18, 2013
Fand den Kommentar alles andere als interessant, mitunter irreführend. Dass Amerika in Paradoxien und Widersprüchen gefangen ist, sieht man schon seit jeher am Umgang mit Waffengesetzen. Diese werden etwas wahllos mit reingeworfen in diesen Text.
Wirklich kritisch finde ich, dass man das Ganze als “Wahn” interpretiert hat – als Folge von Terrorangst und zum eigenen Schutz. Die Abzapfen von Leitungen durch die NSA gab es schon zu Dial-up-Zeiten. Telefonüberwachung wurde in den Monaten vor 9/11 eingeführt, ohne den Anschlag verhindern zu können. Man sollte viel klarer herausarbeiten, dass ein Klima der Angst nicht einfach so entsteht, sondern auch geschaffen und ausgenutzt wird. Das entgeht dem Autor des Kommentars leider.
Man kann diese Politik ändern – anscheinend ist man jedoch nicht gewillt dazu.
@Philipp: Zur Verteidigung des Textes von Brinkbäumer möchte ich entgegnen, dass es eine beliebte Methode der Kritik ist, zu sagen, es hätte aber noch dieses oder jenes stärker betont werden müssen. In der Kürze des Kommentares stecken aber schon viele wahre Punkte. Und die Unverhältnismäßigkeit Terroropfer vs Opfer durch Waffengesetze in den USA ist nicht nur so “reingeworfen”, sondern bringt den Wahnsinn auf den Punkt.
Dass die beschriebene Angst nicht aus dem Nichts kommt, ist doch vielen klar. Natürlich werden solche Ängste bewusst geschürt, um die sogenannte “Sicherheitspolitik” zu begründen, die in Wahrheit das ist, was die Geheimdienste wollen: ein grenzenloses Überwachen. Nichstdestotrotz ist das Ergebnis dieser perfiden Politik: Amerika hat Angst.
Es hätte nicht “stärker betont werden müssen”, diese Info ist verdammt essenziell und gibt einen Blick frei auf eine dramatischere Seite des Problems. Was mit “Amerikas Angst” gemeint ist – die der Bevölkerung wohl eher als die der Politik -, wird auch nie konkretisiert. Im Endeffekt tritt der Kommentar zu kurz und zählt schon dutzendfach wiederholte Fakten auf. Wahrscheinlich wird er auch deshalb so oft verlinkt.