Wer denkt schon an die Übersetzer?

Vorbemerkung: Ich weiß, und das zeigen mir nicht nur die kontinuierlich ausbleibenden Kommentare zu diesem Thema, die wenigsten von Euch interessieren sich für das Literarische Übersetzen. Ich nehme mir trotzdem die Freiheit ab und an in meinem Blog auf dieses für mich wichtige Thema hinzuweisen.

VdÜ-Broschüre zum Literarischen Übersetzen Im Gespräch mit Freunden und Bekannten muss ich immer wieder feststellen, dass bei der Lektüre von übersetzten Büchern viel zu selten darüber nachgedacht wird, dass der Prozess der Übertragung eines Romanes von der fremden in unsere Sprache auch ein kreativer, schöpferischer Vorgang ist. Die Übersetzer werden bei der Besprechung von Literatur immer noch viel zu selten berücksichtigt, sowohl in der professionellen Literaturkritik in Print und TV, als auch – leider! – immer wieder in Blogs. Eigentlich ein Unding, aber leider ein Fakt.

Im Vorfeld der Leipziger Buchmesse ( 12.-15. März 2009) hat der Verband der deutschsprachigen Literaturübersetzer (VdÜ), dessen Mitglied ich seit 2003 bin und dessen Website ich – wie die meisten von Euch wissen – seit 2006 betreue, eine Broschüre aktualisiert und neu veröffentlicht, die auf die Situation der Übersetzer aufmerksam macht. Die Info-Broschüre ist auf der Website des VdÜ, literaturuebersetzer.de, als Download erhältlich.

Unter dem Titel «Wer die Welt lesen will, muss sie verstehen. Wir arbeiten daran» gibt es zahlreiche Texte zu lesen, die nicht nur einen Beitrag zur Diskussion um eine Verbesserung der desolaten Einkommenssituation von Übersetzern liefert, sondern die einen leicht nachvollziehbaren Nachweis der vielmals vergessenen schöpferischen Arbeit der Literaturübersetzung liefert.

Neben einem Vorwort des VdÜ-Vorsitzenden Hinrich Schmidt-Henkel gibt es folgende Texte zu lesen:

  • Thomas Brovot: Die Lesbarkeit der Welt braucht Übersetzer
  • Rudolf Hermstein: Freiberufler verdienen nur die Hälfte
  • Luis Ruby: Zum Stand der Verhandlungen zwischen Übersetzern und Verlegern
  • Burkhart Kroeber: Wie man das Elend der Übersetzer auf einen Schlag beheben könnte
  • Friedrich Griese, Claudia Steinitz: Das Lesen der Anderen
  • Christian Hansen: Die Schöne Kunst dazwischen

Hier gibt es weitere Informationen und die Downloadmöglichkeit: VdÜ-Broschüre Literarsisches Übersetzen

Auf der Website des VdÜ gibt es auch eine Übersicht der Nominierten für den Preis der Leipziger Buchmesse 2009 in der Kategorie Übersetzen, sowie eine Zusammenfassung der Buchmesseveranstaltungen für alle am Thema Übersetzen Interessierten, die nach Leipzig fahren werden.

Nachbemerkung: Und wenn auch nur 5 Besucher sich auf diesen Hinweis hin die VdÜ-Broschüre anschauen, dann hat sich dieser Artikel schon gelohnt. Und wenn dann noch 10 oder 20 weitere bei der Lektüre ihres aktuellen oder nächsten Buches mal einen Moment in den bibliografischen Angaben nachschauen, wer den Text, den sie in den Händen halten, eigentlich in unsere Sprache übertragen hat, dann machen mich diese wenigen schon glücklich. Ansonsten nehmt diesen Artikel einfach als Appell zum Nachdenken.

12 Kommentare zu „Wer denkt schon an die Übersetzer?“

  1. Liisa: Danke für den Hinweis (und sorry, dass ich diesen schönen Artikel noch nicht entdeckt hatte, ich bin mit etlichen Tausend ungelesenen Feedeinträgen im RSS-Reader zur Zeit wieder stark im Info-Hintertreffen).
    Wie bei Dir kommentiert, ich finde den Brief von Rafik Schami an alle Buchhändler und Buchhändlerinnen großartig:

    Ein wunderbarer Text und ein genauso schlichtes wie geniales Plädoyer für das Buch und die Personen, die Literatur zu den Menschen bringen. Danke, dass Du dabei auch an die Übersetzer gedacht hast.

  2. Mein Kommentar sollte auch in keinster Weise ein Vorwurf an Dich sein – ich weiß ja, dass Du zur Zeit viel unterwegs bist etc. Er war eher als Hinweis gedacht, für den Fall, dass Dir der Eintrag (bisher oder überhaupt) entgangen war, bevor er von der Startseite rutscht und als kleine Ermutigung, dass Du mit Deinen Einträgen zum Thema Übersetzer durchaus etwas bewegst – ich habe sie inzwischen viel mehr mit im Blick als früher und das liegt auch mit an Deinen Einträgen! Also auch, wenn Du nur wenige sichtbare Reaktionen auf solche Einträge bekommst, nicht aufgeben und weitermachen damit! 🙂

    Dir noch einen schönen Sonntagabend!

  3. @Ute: Natürlich hast Du Recht, ein(e) einzelner Leser(in) hat kein Mitspracherecht bei der Wahl der Übersetzers. Aber – wenn Du in einem konkreten Fall – mit der Wahl des Übersetzers unzufrieden bist, kannst Du natürlich jederzeit den Verlag kontaktieren. Solche Reaktionen würden vlt. auch den Verlagen zeigen, dass es nicht immer gut für ihr Programm ist, den Übersetzungsauftrag an denjenigen zu geben, der ihn am günstigsten erledigt. 😉

    @Liisa: Schon klar, so habe ich das auch verstanden. Trotzdem tat es mir Leid, dass ich in der Tat eine ganze Woche lang nicht auf deiner Seite war. Das Rausrutschen Deines Artikels von der Startseite spielt dabei keine Rolle, ich verfolge die Blogs ja über den Feedreader und lösche – zumindest bei mir wichtigen Blogs, und dazu gehört Deines zweifelsohne – nie ungelesene Einträge. Da geht also nichts verloren. Hier passte es ja wunderbar, daher nochmals danke für den Hinweis und die Ermutigung.

  4. @Hans-Christoph Hobohm: Ein wichtiger Hinweis, für den ich Ihnen dankbar bin! Wenn wir Literaturübersetzer auf unsere Arbeit im Speziellen hinweisen, soll damit keinesfalls die Leistung der Fachübersetzer oder Dolmetscher (zumal es hier in unserer Berufsgruppe auch Überschneidungen gibt) gering geschätzt werden. Im konkreten Fall der VdÜ-Broschüre geht es aber um die Implikationen des Schöpferischen im Bereich der Übersetzung, und die sind gerade im Bereich der literarischen Übersetzung am ehesten gegeben.

  5. markus, finde dein blogeintrag ist ein ganz wunderbarer appell an alle leserinnen und leser. bin auf dem gebiet der literaturübersetzung nun wahrlich kein spezialist – aber jeder, der schon mal eine hastig zusammengeschusterte (und vermutlich schlecht bezahlte) übersetzung gelesen hat, wird qualität auf diesem gebiet umso mehr zu schätzen wissen – hoffe ich zumindest.

  6. Thomas: Ich danke Dir für Dein Feedback. Genau darum ging es mir: das Bewusstmachen der Tatsache, dass, gerade wenn einem vielleicht die Sprache eines Romanes gut gefallen hat, daran eben auch der Übersetzer einen großen Anteil hat. Bzw. im Negativfall, dass beim Verlegen des Textes auf die Übersetzung offensichtlich kein oder – dem vermeintlichen ökonomischem Druck geschuldet – ein geringerer Wert gelegt wurde.

  7. Pingback: cultpilot » Übersetzer

  8. Gerade twitterte jemand über die Buchandlung stories! in Hamburg. Dort gibt es am 15. April eine Veranstaltung “Übersetzer packen aus” und da musste ich doch an diesen feinen Beitrag hier denken. 🙂

    Gerade in letzter Zeit hab ich aber doch tatsächlich öfter mal an die Übersetzer gedachte, da ich gerade die ganzen Simon Singh Bücher lese (Geheime Botschaften, Fermats letzter Satz etc.) bei der der Übersetzer (Klaus Fritz) doch teils schon wegen der auf Sprache beruhenden Beispiele eine erhebliche Leistung erbringen musste – was auch gut gelungen ist.

    In dem Zusammenhang auch spannend ist m.E. übrigens das in Geheime Botschaften erwähnte Buch “La Disparition” des Franzosen Georges Perecs, welches komplett ohne den Buchstaben E auskommt. Es wird erwähnt, dass auch die deutsche Übersetzung (Anton Voyls Fortgang) noch gut lesbar sein soll. Ohne es gelesen zu haben, halte ich das schon für ein gigantische Leistung – immerhin ist E der häufigste Buchstabe in beiden Sprachen. Das man 200 Seiten ohne E in seiner Muttersprache schreibt mag mir noch vorstellbar sein, aber eine Übersetzung…

    Manchmal finde ich es bedauerlich, dass ich bei Texten auf Deutsch und Englisch (mein Französisch reicht nicht mal für den kleinen Prinzen, den ich ja schon auf Deutsch kenne) begrenzt bin, aber umso mehr kann man die Leistung eines Übersetzers wertschätzen. Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, wie ich als Leser bewerten soll, ob ein “schlechter” Übersetzer gewählt wurde oder ob der “Quelltext” schon schlecht war…? Umso richtiger aber wohl, dass es bei professionellen Buchkritiken ein wichtiges Kriterium wäre. 🙂

  9. Danke, Markus, dass Du Dir die Zeit genommen hast, den Artikel zu schreiben! Es ist sehr interessant genauso wie die Bücher über die Welt und die Arbeit der Übersetzerinnen, die Du geliefert hast!
    LG
    Annalisa Tamborra

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