Reality-Mord nach spanischer Talkshow

Wann hört dieser Dreck endlich auf? Wann streichen die Sender diese unsäglichen Reality-Shows, die ganz bewusst mit der telegenen Zurschaustellung menschlicher Gefühle spielen und wann hören die Leute auf diesen Dreck anzuschauen? Ich fürchte nie.


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Er (der sie mehrfach misshandelt hat), fragt sie ob sie ihn heiraten will. Sie sagt nein. Vier Tage später ist sie tot. Vermutlich umgebracht von ihm. Wie schlampig recherchieren die Fernsehsender (hier der spanische Sender Antena 3 für sein Trash-Programm ‘El diario de Patricia’), wenn sie schon Menschen auf diese Art zusammenführen? Denn nach zwei Anzeigen von ihr, wurde er zu elf Monaten Haft verurteilt. Er war lediglich auf freiem Fuß, weil das Urteil noch nicht rechtskräftig war.

Die einzige Hoffnung, die man nur noch haben kann, ist, dass jetzt wenigstens Einige erkennen, dass die Ansprache ihrer niedersten Instinkte so billig und beschämend ist, dass sie vielleicht doch noch von diesem Dreck wegkommen, und folglich solche Sendungen nicht mehr oder zumindest mit einem Minimum an Humanität realisiert werden.

Artikel zum Hintergrund:
FAZ: «Spanische Heiratsshow – Tödlicher Fernsehauftritt»
El País: «Aluvión de críticas contra el programa de Antena 3»

9 Kommentare zu „Reality-Mord nach spanischer Talkshow“

  1. Moncay: man merkt, dass Sie mich nicht kennen.

    Ich bin zum Beispiel für meine sehr zurückhaltende Ausdrucksweise bekannt, auch wenn ich mich ärgere, versuche ich einen sachlichen Ton zu wahren. Die Tatsache, dass hier im Posting mehrmals von “Dreck” in Bezug auf das dargestellte Format die Rede ist, zeigt, dass ich hier ganz eindeutig Position beziehe.

    Kommen Sie mir also bitte nicht mit pro-aktivem Handeln, sonst muss ich mich noch mehr ärgern.

  2. Hi Markus, vielleicht kennst du schon Alber Vázquez, er schreibt auch für “Libro de Notas”. Ihm gefällt es sehr gut, zu provozieren; seine Artikel sind übertrieben, jedoch immer gut, um einen anderen Winkel zu berücksichtigen. Hier ist seine Meinung über dieses tragisches Thema.

    Grüsse.

  3. Otis, danke für den Hinweis auf die heutige Kolumne von Alber, die ich noch nicht gelesen hatte (wobei ich euer wunderbares Libro de Notas immer und mit großer Freude lese).

    Wie Alber seinen 2. Abschnitt einleitet, das finde ich genial:

    España es un país de buenas personas. Las buenas personas siempre somos nosotros.
    (dt: Spanien ist ein Land voller guter Menschen. Die guten Menschen sind immer wir.)

    Mit der Grundaussage, dass man der Moderatorin Patricia Gaztanaga nichts vorwerfen könne, da sie den Mord nicht begangen habe, und dass das Publikum, das in solche Sendungen gehe, wisse, worauf es sich einlasse, gehe ich jedoch nicht konform. Alle psychologischen Erkenntnisse gehen davon aus, dass gewaltbereite Menschen nach öffentlichen Demütigungen zu besonders aggressivem Verhalten neigen. Das muss eine Sendung bedenken, die Menschen auf diese Art aufeinander ansetzt. Der große Vorwurf an die Redaktion der Sendung (nicht unbedingt an die Moderatorin) ist für mich, solche Fälle, wenn man sie schon fernsehtauglich ausschlachten möchte, nicht auf ein Mindestmaß an solchem Gefahrenpotential hin zu untersuchen. Von daher widerspreche ich dem – wenn auch erkennbar übertriebenen – Satz

    Creo que tiene todo el derecho del mundo a seguir haciendo su programa asqueroso.
    (dt.: Ich denke, sie hat alles Recht der Welt ihre widerwärtige Sendung fortzuführen.)

    und sage diese Art von Programm hat mit dem tragischen Ausgang seine Existenzberechtigung verloren. Man bedenke nur die Nachahmer, die es nun bedauerlicherweise geben wird.

    Natürlich ist nichtsdestotrotz der Text von Alber ein guter, und die Moderatorin gegen eine übertriebene Hetze in Schutz zu nehmen, obwohl auch er dieses Format verachtet, ehrt ihn. Mir fehlt in diesem Fall vielleicht die noble Nachsicht aus Wut über die Dummheit des Publikums, das von Patricia Gaztanaga und Konsorten bedient wird.

  4. Ich muss moncay deutlich widersprechen. Ich für meinen Teil bekäme es gar nicht mit, wie tief einige Sender – es ist wohl nur ein glücklicher(?) Zufall, dass dies kein deutscher Sender war – gesunken sind. Es ist nun einmal so, dass Menschen, die bei Banalitäten schon abschalten, solche Dinge erst gar nicht sehen.

    Auch meine Hoffnung, dass solche Tragödien die Verantwortlichen wachrütteln, hält sich in engen Grenzen. Schade eigentlich.

    Wer etwa 33 Minuten Zeit für einen Rundumschlag durch die deutsche Fernsehlandschaft findet, der möge sich doch Oliver Kalkofes Rede auf dem Podium der Münchener Medientage zu Gemüte führen …

  5. Oh Quintus, vielen Dank für den Hinweis auf Kalkofe. Das ist für mich der moderne Till Eulenspiegel, der uns den medialen TV-Spiegel vorhält und den ich sehr verehre (als Komödianten und als versierten TV-Kritiker). Ich habe eigentlich momentan gar keine Zeit, aber die werde ich mir sicher machen und mir den Mitschnitt der Münchner Medientage anhören.

    Danke, du hast mir (und den hier Mitlesenden) einen wertvollen Hinweis gegeben.

  6. Das ist ja wirklich unglaublich, schockierend…aber leider ist dieses Format ein Teil unserer Zeit, es existiert nun mal – egal ob man es gut findet oder nicht. Es ist doch wie mit dem anderen TV-Schrott: keiner schaut Big Brother, Dance Star, Superstar, Supermodel, aber laut Quote scheint es doch so zu sein. Und dieses Format gibt es, weil die Quoten stimmen. Dass Markus darüber schreibt finde ich nicht so skandalös, Im Gegenteil: Es ist beruhigend zu sehen, dass es Menschen gibt die dies verurteilen und entsprechend auch dazu Stellung beziehen. Das tun in unserer Zeit nämlich auch viele nicht und das finde ich viel schlimmer als die Tatsache, dass das existiert. Markus, mach weiter so, es ist besser Dinge aktiv zu kritisieren als sie nur still zu verurteilen.

  7. @Quintus: Danke nochmals für deinen wichtigen Hinweis auf Kalkofe.

    Ich habe mir seinen medialen Rundumschlag auf den Münchner Medientagen nun endlich anhören können und es ist eine großartige Rede. Genial, wie er das Trash-TV mit Begriffen wie gemordete Lebenszeit oder gesendetes Vakuum trefflich beschreibt. Beeindruckt hat mich auch seine grundsätzlich positive Einstellung zum Fernsehen, die ich mit ihm teile:

    Das Fernsehen ist eigentlich eine tolle Erfindung und es hat diese Behandlung nicht verdient.

    Geradezu angefleht hat er die anwesenden Medienfachleute, doch einmal wieder etwas spannendes zu tun, das Publikum zu überraschen und sich eben nicht mit dem dämlichsten aller Sprüche (“Die Leute wollen ja nix anderes”) zufrieden zu geben, sondern dass sie versuchen sollten, wieder Spaß an ihrem Beruf zu haben und ein originelles und forderndes Programm auf die Beine zu stellen.

    Diese 33 Minuten haben sich jedenfalls gelohnt und waren kein gesendetes Vakuum.

  8. Pingback: Oliver Kalkofe auf den Medientagen München » Text & Blog

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