Computer träumen nicht von elektrischen Schafen

Die Ankündigung auf Planckton, dem Blog der Wissenschaftsredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, hat nicht zuviel versprochen. Der Artikel «Computer träumen nicht von elektrischen Schafen» von David Gelernter über Künstliche Intelligenz wurde im Auftrag des pfiffigen Sonntagsblattes, das ich immer schon samstagsnachts in meinem Briefkasten vorfinde, von Ulf von Rauchhaupt aus dem Englischen ins Deutsche übertragen. Leider ist die Online-Version des Artikels nur für Abonnenten zugängig. Aber die ungekürzte Fassung des Textes von Gelernter ist bereits im Juli auf Technology Review, der Zeitschrift des MIT, erschienen und dort ohne Einschränkung im Original zugängig: «Artificial Intelligence Is Lost in the Woods». [Update 10.09.07, 11:45 Uhr: Dank des Hinweises von Andreas in den Kommentaren: der komplette Text aus der Technology Review ist auch auf deutsch online: KI auf dem Holzweg.]
Wer weder FAZ-Abonnent ist, noch sich die lohnenswerte Ausgabe in Print besorgen kann, der melde sich bei mir mit seinem Wehklagen per Mail oder Kontaktformular.
Der Artikel ist seit Langem das Beste was ich zum Thema KI gelesen habe und Gelernter macht leicht nachvollziehbar deutlich, was KI nicht kann und wo die Chancen für den Menschen liegen, mit Hilfe von Software Sinnvolles zu erreichen. Es geht um das Kognitive Kontinuum – kein Laie kann wissen, was das ist, nach der Lektüre weiß man’s. Es stehen in dem Artikel so wundervolle Sätze wie:

Hundert Kilo Hefe denken nicht über ein Gemälde von Braque nach […] Hundert Milliarden Neuronen ergeben ein Gehirn, hundert Milliarden Hefezellen ergeben keins, weil Neuronen und Hefezellen unterschiedliche Funktionen ausführen.

Oder solche:

Eine Emotion ist ein mentaler “Strichcode” zur Codierung von Erinnerungen. Die Emotions-Funktion E(m) ordnet einer bestimmten Erinnerung m eine Emotion E zu, die ein bestimmter Mensch insbesondere dann spürt, wenn er sich an m erinnert. Nun ist E(m) aber im Allgemeinen mehrdeutig: Zwei augenscheinlich verschiedene Erinnerungen können dieselbe Emotion hervorrufen.

Wer FAZ-Abonnent ist und sich wie ich immer am meisten auf Feuilleton und Wissenschaftsteil freut, hat den auf den Seiten 68 und 69 abgedruckten Artikel wahrscheinlich schon längst gelesen, alle anderen haben jetzt zwei Optionen: Wer englisch kann, hier entlang, wer lieber auf deutsch liest, dem bleibt noch diese Option.
Auch nett: die Glosse von Stefan Niggemeier zum blauen Elefanten. Auch hier ein herausragendes Zitat:

Für den kleinen blauen Elefanten spricht ja auch, dass er nie Gast bei Reinhold Beckmann war.

Dieser Artikel ist im Blog des Autors für alle zugängig: «Der kleine blaue Elefant».

11 Kommentare zu „Computer träumen nicht von elektrischen Schafen“

  1. Verdammt, hab mir eben die FAS gekauft, weil ich ebenfalls das Blog las und den Artikel lesen wollte. Und dann wollte ich darüber bloggen. Und jetzt bin ich nur zweiter 😉
    Kommt aber trotzdem noch, aber erst morgen. Und dann natürlich auch mit Referenz an Dich… 😀

  2. @Matthias: Ich verteile die Lektüre der FAS auch meist über die ganze Woche, und nehme mir manche Artikel, obwohl das gedruckte Exemplar bei mir bereit liegt, oft erst zu Herzen, wenn ich online auf besondere Hinweise stolpere. Auch eine interessante Print/Online-Rezeption. 😉

    @Liisa: Ich freue mich sehr über deinen Kommentar. Du weißt, warum. Und bessere Träume – gerne auch mal vom kleinen blauen Elefanten – wünsche ich dir. 😉

  3. Danke, Andreas für den Hinweis. Ja, das ist tatsächlich die deutsche Fassung des ausführlichen Technology-Review-Artikels, nicht jedoch die des gekürzten FAZ-Artikels. Aber prima, nun kann Gelernters ausführlicher Text auch auf deutsch gelesen werden.

  4. Ach, man kann ja nicht immer einer Meinung sein.

    Wenn dich der Artikel von Gelernter nicht ganz zufrieden gestellt hat, kann es ja aber auch an der gekürzten Fassung seines Textes liegen. Vielleicht führst du dir noch die oben verlinkte Langversion (auf englisch oder deutsch) zu Gemüte – allerdings ohne Garantie, dass dich diese mehr zufriedenstellt. 😉

  5. Ich werde mal in meinen TR-Ausgaben blättern. Vielleicht hab ich aber auch schon zuviel darüber gelesen, als dass ich mich mit der Wissenschaftsseite einer Zeitung fortbilden sollte – vom Format her muss man ja an der Oberfläche bleiben. Also, ich schau mal in den langen hinein… 🙂

  6. Abgesehen davon muss man sagen, dass hundert Milliarden Neuronen kein Gehirn “ergeben”, sondern dass ein Gehirn aus hundert Milliarden Neuronen besteht. Und in dieser Hinsicht erscheint mir Prof. Gelernter ein bisschen populistisch 😉

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