Ich schätze den portugiesischen Literaturnobelpreisträger José Saramago sehr. Als Literaten, jedoch nicht als politischen Visionär. Letzteres wollte er wieder einmal sein, indem er im Interview mit dem Diário de Noticias die provokante These aufgestellt hat, dass Spanien und Portugal zu einem Land verschmelzen, das Iberia heißen könnte. Nachzulesen im El País-Artikel: «Saramago profetiza que Portugal y España acabarán siendo Iberia».
Das kann er nicht wirklich ernst gemeint haben. Dazu wird es nicht kommen, eher werden das Saarland und Rheinland-Pfalz zu einem Bundesland zwangsvereinigt (was ebenso nie passieren darf und wird!), als dass 45 Mio. Spanier und 10 Mio. Portugiesen sich unter einem nationalen Dach zusammenschließen.
Klar, sie wären ein ernst zu nehmender Gegner bei der nächsten WM und die Basken, Katalanen und Galizier dürften diesen Vorschlag auch begrüßen, würden sie auf diesem Weg doch das ungeliebte Spanien endlich loswerden. Die so zusammengeschlossenen Länder hätten unbestritten eine größere Macht innerhalb der EU, aber ernsthaft kann diese Vereinigung der beiden iberischen Nachbarländer – außer vielleicht im Kopf des 85-Jährigen – niemand nachvollziehen.
Saramago selbst hat im persönlichen Umfeld die Vereinigung mit Spanien längst vollzogen, lebt er doch seit 20 Jahren mit einer Spanierin zusammen, und zwar mit der Journalistin und Übersetzerin Pilar del Río, die übrigens nicht nur seine Übersetzerin ins Spanische ist, sondern seit gestern auch seine Ehefrau: «El amor del escritor y su traductora» (El País). José und Pilar haben also längst ihr privates Iberia gegründet. Ob die anderen 55 Millionen nachziehen, darf angezweifelt werden.
Update 22.7.07: El País fasst heute in einem Artikel die übergroße Ablehnung die Saramagos Visionen in Portugal erfahren haben, zusammen: «Iberia, capital Lisboa».
[via Alt1040]
Aber dann wollen wir aber auch Österreich wiederhaben…!
Österland – Deutschreich. Ach, da findet sich schon ein gemeinsamer Name. Au fein, alles zusammenlegen und Identitäten vergraben…
Wie gut, lieber Herr Rob, dass auch Sie Ihren Vorschlag, den man spöttisch mit Projekt Germaustria betiteln könnte, nicht ernst gemeint haben. 😉
„Identitäten vergraben“ – sehr gut, das trifft’s!
wenn mich nicht alles täuscht, hat Saramago in der aktuellen ZEIT in der kleinen Rubrik „Prominente Schriftsteller äussern sich zu Ihrem Europabild“ auch sehr unmotiviert ausgelassen. Hat mir nicht gut gefallen. Bin aber auch ein hemmungsloser Europafreund.
Gerade in Europa liegt ja im weitesten Sinn die Chance der Idee Saramagos: irgendwann fühlen sich die Menschen vielleicht an erster Stelle als Europäer und geben als Ihre Herkunftsregion Portugal, Katalonien, Bayern oder das Baskenland an, dann sind die nationalen Staatengebilde heutiger Prägung vielleicht nicht mehr so relevant.
Aber das wird noch dauern.
@ markus:
diese chance europa, vielleicht mit einem zwischen-schritt – einerseits eine identität als europäer, und andererseits ein zuhause in regionen (was auch die durch absurde grenzziehungen entstandenen spannungen abbauen helfen würde). im kleinen findet das ja (zb in einigen euregios) durchaus schon statt …
Ja, stimmt, das kenne ich sogar vom eigenen Erleben, ich komme ja aus der Saar-Lor-Lux-Region.
A minha opiniao sobre „IBERIA“ só pode vir de
um Verräter. Se o autor é um espanhol convicto
devia de ter a verticalidade para se assumir como tal e declinar, voluntàriamente, a sua nacionalidade portuguesa. Isto é uma ofensa à memória de D.Afonso Henriques e de D.Joao IV.
A vida destes ilustres senhores teria sido mais fácil se ao tempo tivesse existido um „Nobel“ desta envergadura. Simplesmente ridículo.
Santos: Ich bedanke mich für deinen Kommentar. Meine Portugiesisch-Kenntnisse reichen leider nicht aus, um deinen Kommentar hier wortgetreu zu übersetzen. Ich versehe aber, dass du in den Vorstellungen Saramagos einen Verrat an der Idee des Portugiesischen und eine Beleidigung der Erinnerung an Johann (João) IV. von Portugal siehst.
Sicher hast du auch gesehen, dass ich Saramagos Vision einer Vereinigung von Portugal und Spanien unter dem Namen Iberia hier als absolut unrealistisch dargestellt habe.
Politisch dürfte Saramagos „Iberia“ wohl kaum durchzusetzen sein: Nach der letzten Umfrage waren 70 Prozent der Portugiesen strikt dagegen. Aber immerhin auch 24 Prozent dafür – und das sind vielleicht die Realisten, die sehen, dass Portugal faktisch schon ein Teil Spaniens geworden ist. Große Teile der Wirtschaft (vor allem Banken) gehören schon spanischen Unternehmen, und mittlerweile stellen die Spanier auch schon die größte Touristengruppe. Der traditionell eher ungeliebte Nachbar rückt somit Portugal ganz schön nah auf die Pelle…
ich finde, dass das sehr gut wäre, wenn sich Portugal und Spanien zu Iberia würden. Obwohl ich das für unrealistisch halte, denke ich auch, dass jeder von uns realistisch sein soll und feststellen dass wir abhängig von einander sind und mal über die Saramogo’s Vorstellungen denken.
Ich traume aber von den „Vereinigten Staaten von Europa.
Wenn eine Iberia gäbe, würde wir ( ich bin Portuguese) mehr Einflusse in der Welt haben und noch besseren Beziehungen zu America. Wie könnten sogar eine neue Sprache bilden, weil 90% von Portugiesisch gleich ist wie spanisch. Wo die Hauptstadt sein sollte ist nicht so relevant. z. B. Moskau ist 11000 kilometer entfernt von der Grenze von Russland mit Nordkorea.
Der Santos hat gesagt, dass diese Vereinigung, eine Beleidigung an Joao wäre. Das stimmt nicht.
oxala houve-se um politico que conquertiza-se essa idea.
PS: Portugal waren schon vor 900 zusamen und nachen im 15. Jahrhundert wieder 80 Jahren.
@Carlos: Danke für Deine Meinung zum Thema. Vielleicht nimmt José Saramago seine Iberia-Idee auch nochmal in seinem Blog auf, das ich letzte Woche im ciberaBlog vorgestellt habe (ich schreibe dort regelmäßig über Lateinamerika, Spanien und Portugal).
also ich als gebürtiger Küstenportugiese, der in der Schweiz aufgewachsen ist, muss hier mal meinen Senf dazugeben… Wer beide Länder schon mal intensiv verglichen hat, wird merken, dass Spanien und Portugal sehr unterschiedlich sind. Obwohl die beiden Sprachen geschrieben sehr ähnlich sind, ist die Aussprache schon sehr anders. Der Hauptpunkt ist aber der kulturelle Unterschied. Wer einmal in seinem Leben mit dem Auto durch beide Länder gefahren ist, weiss was ich meine. Ein Portugiese würde sich NIE als ein Spanier sehen, er würde vorher Franzose werden. Spanier sind in Portugal trotzdem weiterhin willkommen, aber probiert uns nicht zu erobern 😉
ps: es nervt uns Portugiesen, dass Spanier in Mitteleuropa als die Menschen mit schöneren Küsten und schönerer Sprache angegesehen werden, obwohl das NICHT stimmt! wir haben eine weichere, schönere Aussprache (wir lispeln nicht), und unsere Küsten werden nicht vom langweiligen Badewannen-Mittelmeer beflutet sondern vom Atlantik, vom OZEAN. D.h. atemberaubende Küsten, mit hohen, schönen Wellen die man auch Wellenreiten kann und mildes Klima (keine schwüle Hitze den ganzen Tag).
Peace
Ich bin doch für eine Vereinigung, auch wenn mich meine Ex-Freundin (eine Portugiesin) dafür prügeln würde:-D
Also es gibt ganz verschiedene Pros und Contras (die aber meiner Meinung nach nur den Modus korrigieren und nicht das ob).
1.:Also sprachwissenschaftlich sind Katalanisch, Kastilisch und Galizisch-Portugiesisch Dialekte des Iberoromanischen. Diese Sprachen sind sich unendlich weit näher als zu den nächsten romanischen Sprachen (Französich, Italienisch) 2.: gibt es in Spanien bereits eine große Gruppe der Galizisch-Portugiesisch-Sprechenden: die Galizier. Wenn man sich die sprachliche Karte Spaniens/der iberischen Halbinsel anschaut, dann leben im Osten Katalanisch-Sprechende Menschen (Mallorca, Katalonien, Valencia usw.) im mittleren Bereich Kastilisch-Sprechende (wobei man im Süden ein dialektal sehr verschiedenes Andaluh spricht) und im Westen die Portugiesisch-Galizisch-Sprechenden Galizier und Portugiesen (wobei die Galizier ein paar kastilische Elemente haben, aber substanziell doch mit den Portugiesen in eine Gruppe gehören, wurde der Osten Iberiens doch aus dieser Region gegen die Araber wiedererobert und sprachlich kolonisiert).
Ich sehe natürlich auch Hindernisse. In der Tat sind die Portugiesen ein eher ruhiges und bescheidenes Volk. Ganz im Unterschied zu den extrovertierten Kastiliern und Katalanen. Aber zusammen mit den Gallieziern und übrigens auch den Basken würden sie eben ein erhebliches Gegengewicht darstellen. Letztenendes braucht der spanische Teil Portugal um ausgewogen zu sein und endlich zur inneren Ruhe zu kommen. In Deutschland unterscheiden sich die Menschen der Regionen ja auch sehr hinsichtlich der Mentalität.
Alles in allem ist die Trennung der iberischen Halbinsel ein künstlicher und politischer Akt. Mit einer neuen Rücksichtnahme innerhalb Spaniens gegenüber den regionalen und dialektalen Unterschieden können alte Probleme gelöst werden und Gegensätze (Portugal-Spanien) aufgelöst werden.
Spanien ist viel zu heterogen (in Wirklichkeit: nach außen allerdings immer so kastilisch) um um Portugal nicht zusammenwachsen zu können und etwas besseres zu werden. Natürlich darf der Westen nicht vernachlässigt oder überstülpt werden, aber die Entwicklung in Spanien geht hin zu einer schlagkräftigen Autonomie der einzelnen Gruppen. Und zusammen werden sie größtes erreichen, nicht nur im Fußball.
Probleme: der Staat kann nicht Hispania heißen, da sich España davon ableitet, also Iberia. Desweiteren kann der spanische König nicht König über den portugieischen Teil werden. Meine Lösung, da er bei den nicht-kastilischen Regionen eh unbeliebt ist, kann er ein Operetten-König von Kastilien sein.
Wie ihr sehr kann man alles lösen. Und alle Portugiesen sollen bitte ehrlich sein, gerade jetzt in der Krise. Mit der momentanen Situation kann Portugal wirtschaftlich und politisch nicht zufrieden sein. Mit 400 EUR durchschnittlichem Monatslohn und wenig politischer Mitsprache lebt ihr am Rande des Möglichen. Ihr könnten aber etwas ganz anderes sein – eine der 3 Säulen von Iberia. Ein Volk von 57 Mio. Menschen hat ganz andere Möglichkeiten und eine ganz andere Rolle in der EU und eder Welt.
@Ayquinho: Ich danke Dir für die ausführliche Schilderung Deines Standpunktes in der Sache. Bin gespannt, ob es wirklich zu einer Annäherung bis hin zur Einheit der beiden Staaten auf der Iberischen Halbinsel kommen wird.