Guttbye – der dreiste Abgang des Guttenberg


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Dass Guttenberg endlich zurückgetreten ist, war überfällig und wurde längst von jedem, der auch nur noch einen Funken von Anstand verspürt, gefordert (zur Sachlage der letzten Tage siehe auch meine dortige Linksammlung). Die Art und Weise, wie er zurück trat, ist jedoch so widerlich, dass man es kaum glauben mag. Als ich heute Mittag obiges Video seiner Rücktrittserklärung sah, war meine spontane Reaktion:

Daß dieser Mensch sich noch erdreistet, die in Afghanistan zu Tode gekommen Soldaten als Grund für den späten Rücktritt zu nennen! #guttbyeTue Mar 01 12:44:37 via TweetDeck

So sieht es auch Michael Spreng in seinem Artikel «Sargnagel für Merkel?»:

Und im Rücktritt versuchte er noch einmal die unzulässige Verquickung des tödlichen Schicksals deutscher Soldaten mit seinem eigenen, selbstverschuldeten politischen Schicksal. Sie erneut als Entschuldigung für sein Zaudern, für sein Festhalten an dem Amt, vorzuschieben, ist einfach nur ekelhaft.

Ansonsten war seine Rücktrittserklärung von der Demut geprägt, die er so lange versäumte. Aber wer zu spät kommt, den bestraft bekanntermaßen das Leben. Es ist aus heutiger Sicht schwer vorstellbar, dass dieser an seinem Charakter gescheiterte Mann eine zweite Chance bekommt.

Eines der größten politischen Talente seit vielen Jahren hat sich als Trugbild entpuppt. Für die Millionen Fans ist die Enttäuschung übermächtig. Sie klammerten sich an eine Lichtgestalt, die am Ende charakterlich doch nur eine Schattengestalt war.

Spreng sieht in der Kanzlerin die eigentliche Verliererin des Falles Guttenberg. Ich habe es von Anfang an gesagt: Merkel hat sich mit ihrem machtpolitischen Kalkül und mit der Hoffnung, die Plagiatsaffäre um den ehemals so beliebten nunmehr Ex-Verteidigungsminister in gewohnter Manier aussitzen zu können, extremst verspekuliert. Das politische Kapital, das Merkel in dieser Angelegenheit verspielt hat, ist größer, als manche es sich jetzt vorzustellen vermögen. Geschieht ihr, und denen, die ihr kritiklos gefolgt sind, recht.

Update 18:45 Uhr: Nein, Guttenberg ist nicht über das Internet gestürzt worden. Das Web hat dabei geholfen, diesen Fall mit aufzuklären. Markus Beckedahl, gestern noch im Urheberrechtsartikel hier präsent, hat auf Netzpolitik gute Worte für das Zusammenspiel von Blogs und Journalismus gefunden:

Und dieses Wechselspiel zwischen vierter und fünfter Gewalt finde ich spannend. Denn wir sehen wir eine gewachsene vernetzte neue Öffentlichkeit, wo das Internet nicht mehr wegzudenken ist. Und wir sehen hier auch das große Ende einer unsäglichen Debatte “Blogs vs. Journalisten”, wo selbst den letzten Journalisten aufgefallen sein sollte, dass sich beide Gruppen sehr gut ergänzen.

7 Kommentare zu „Guttbye – der dreiste Abgang des Guttenberg“

  1. Ekelerregend, oder??? Ich konnte das nicht fassen, mußte es erst bei Spiegel Online nachlesen, aber er hatte es gesagt! Uneinsichtig, rechthaberisch, völlig fehlendes Unrechtsbewußtsein. Da fehlen einem die Worte.
    Erschreckend ist auch, daß es noch immer (auch studierte) Leute gibt, die ihm die Stange halten à la “die paar Fußnoten […] alle bescheißen doch”. Also ICH hab an der Uni nicht beschissen, sonst wäre ich geflogen und ich glaube die meisten die Studiert haben können das so unterschreiben. Die meisten können auch nicht 750.000 EUR Spendengeld für die Uni im Nacken haben (Parallelstrang).
    Ich bin so froh, daß so jemand weg ist vom Radar, ich fürchte nur, er kommt wieder und ich fürchte, daß diese seine Unachtsamkeit andere Politiker nun geschickter agieren lassen wird. Vielleicht wird die Dreistigkeit der Politiker in Zukunft nicht mehr so evident sichtbar sein, weil sie wissen, das geht doch nicht. Ich hoffe so sehr, daß es noch genug Menschen gibt, die sich endlich wehren. So lange wir in einem Land leben, in dem Leute 42 Stunden in der Woche arbeiten und trotzdem Hartz IV beantragen müssen (Fall in der Familie: Mitarbeiterin beim Edelfrisör), kann an unserem System etwas nicht stimmen. DAS sind echte Probleme, die nach meinem Empfinden von solchen oberflächlichen Fuzzis wie KTG niemals angegangen werden, weil sie außerhalb ihres Bewußtseinsradius liegen.

  2. @Tobias: Natürlich will der wieder zurück kommen. Alleine schon seiner vielen Fans wegen. Doch auch beim nächsten Mal müssen alle aufrechten Demokraten auf der Hut vor dem Blender sein.

  3. Meint ihr, man könnte Christina Schröder auch auf die guttenberg´sche Art vom Amt entfernen? Die hat nämlich wohl auch einen fragwürdigen Doktortitel und ich kann sie einfach nicht ertragen. 😉

  4. @Aengelchen: Ja, Schröders Doktorarbeit ist ja schon seit ihrem Amtsantritt sehr umstritten (siehe SZ). Eine Plagipedia, also ein Wiki wie bei Guttenberg, um sich die Diss. mal gemeinschaftlich näher anzuschauen, ist auch schon eingerichtet.

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