Zweimal Pauli, Off-Kultur und ein Plausch mit Hannelore Hoger

Corny Littmann, Hannelore Hoger, Millerntorstadion, Marion GrÀfin Dönhoff, Gerd Bucerius
Das Wochenende ist noch nicht vorbei – i wo, bei allem, was ich noch vorhabe, reicht auch die heute Nacht geschenkte – oder besser gesagt zurĂŒckgegebene – Stunde, wie Herr Quintus logisch korrigiert hat, nicht aus. Aber ehe ich den Überblick verliere, gibt es hier schon mal ein kleines ZwischenresumĂ©e eines kontrastreichen Wochenend-Kulturprogramms, bei dem zwei mal der FC St. Pauli eine Rolle spielte, es um Off-Kultur in der Hansestadt ging und mir klar wurde, obwohl ich es schon immer geahnt hatte, dass Hannelore Hoger mehr kann, als die Rolle der Kommissarin «Bella Block» zu spielen.

Es ging schon gut los am Freitag-Nachmittag, wo ich mich vor dem von mir mit viel Freude erwarteten Spiel am Millerntor bereits in nettester Reeperbahn-Umgebung, in einem gemĂŒtlichen Cafe am Hein-Köllisch-Platz, mit Frau Jekylla traf, die dieses Mal zwar keine Sonne aus dem SĂŒden mitbrachte, aber dafĂŒr etwas viel wichtigeres: nĂ€mlich die Karten fĂŒr das Spiel St. Pauli – SV Wehen-Wiesbaden. Falls ihr euch jetzt fragt, wieso sich ein Hamburger die Karten von einer Wiesbadenerin hat mitbringen lassen, ganz einfach: es ist beinahe unmöglich hier an Pauli-Karten zu kommen, wenn man kein Mitglied oder Dauerkarten-Inhaber ist (Karten stets knapp wg. Stadionumbau und so). Frau Jekylla jedoch hat ĂŒber das AuswĂ€rtskartenkontingent der Wehener das Unmögliche möglich gemacht: dafĂŒr nochmal meinen herzlichsten Dank. So mussten wir zwar bei den wenigen Wehenern sitzen, doch da war ja kein Problem. Die gute Millerntorstimmung kann man auch von der GasttribĂŒne aus erleben, ausgesehen hat das dann in etwa so, wie in untenstehendem Video. Frau Jekylla organisiert ja nicht nur die Stadionbesuche, sie dokumentiert sie auch gleich (in ihrem Blog) textlich und videotechnisch:


Link: sevenload.com

Zum Spiel gegen den Club aus Wehen, das 1:1 endete, kann ich nur sagen, dass Pauli in der ersten HĂ€lfte nicht wie eine Heimmannschaft gespielt hatte, dass sie in der 2. HĂ€lfte aber viel engagierter zur Sache gegangen sind, hoch verdient in der 64. durch ein Tor von Fabian Boll den Ausgleich geschossen haben (der ĂŒbrigens 2 Minuten vorher von mir mit den Worten angekĂŒndigt wurde «In den nĂ€chsten 5 Minuten macht Pauli den Ausgleich») und nachdem die Wehener in der Schlussphase noch einen unberechtigten Elfmeter bekommen hatten und so anstĂ€ndig waren das Ding dann auch zu verschießen, (hallo *lufthol* ist das immer noch ein Satz? – ich glaube ja, ok, also weiter:) und dass die Punktetrennung insgesamt ok war. Neutraler Spielbericht im Kicker, und, wie gesagt, Frau Jekylla hat auch ein paar Worte dazu verloren.

ZwischenstĂ€nde FCS-Engers auf twitter gepostet NatĂŒrlich habe ich am Wochenende meinen heißgeliebten FCS nicht vernachlĂ€ssigt. Konnte ich das Spiel in SaarbrĂŒcken auch nicht live im Stadion verfolgen, so habe ich es doch dank des FCS-Fanradios (Klasse Service des FCS!) komplett live am Radio gehört und dazu getwittert. (Wer nicht weiß, was twitter ist, schaut hier nach.) 3:1 hat der FCS gestern gegen Engers (ein Kaff bei Koblenz) gewonnen. Pflichtsieg, vordere Tabellenposition in der Oberliga SĂŒdwest gefestigt. Das zĂ€hlt erstmal.

Corny Littmann, Foto: schmidts.de Doch zurĂŒck zu Pauli, ich sprach ja vom doppelten Vorkommen des Hamburger Kultclubs in meinem persönlichen Wochenend-Programm: das zweite mal war dann gestern Abend, und zwar bei der «Geschenkten Stunde», denn da war Pauli-PrĂ€sident Corny Littmann zugegen, doch nicht als Fußballvertreter, sondern als Kulturschaffender der Hansestadt (Littmann ist ja unter anderem Leiter des Schmidt-Theaters). Das war eine originelle Podiumsdiskussion gestern Abend (Titel: «Kiezkultur fĂŒr Kreative in Hamburg»), in der ich zunĂ€chst mal Frau Beger (die Direktorin der Stabi) dafĂŒr bewundert habe, dass sie ad hoc fĂŒr die erkrankte Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard eingesprungen war, und bei der Diskussion um Hamburger Kiez-Kultur gute BezĂŒge und Unterschiede zur Berliner-Kiezkultur, die sie als Berlinerin natĂŒrlich kennt, einbringen konnte. Die weiteren Teilnehmer der Runde waren eben Corny Littmann (Schmidt Theater, auf den wir gestern lange warten mussten, weil er direkt von der BĂŒhne von Schmidt’s Tivoli verspĂ€tet rĂŒberkam), Peter Wippermann (vom TrendbĂŒro) und – als Moderator – Jens Meyer-Odewald vom Hamburger Abendblatt). Den besten Spruch hat meiner Meinung nach Corny Littmann gebracht: Es ging darum, ob die Stadt Off-Kultur (also alternative kulturelle Bewegungen, Kultur fern des Mainstreams) fördern solle und ob sie das ĂŒberhaupt könne, und da meinte Littmann beim Vergleich Deutsches Schauspielhaus und Schmidt’s Tivoli: Das Deutsche Schauspielhaus mit seinen 119.000 Besuchern in einer Spielzeit (weiß nicht, ob ich die Zahl richtig in Erinnerung habe) ist doch OFF-Kultur, wenn man sieht, dass zur gleichen Zeit das kleine Schmidt’s Tivoli ĂŒber 400.000 Besucher hat. ;-))

Ein wenig betrĂŒbt, Ihre Marion. Ein Briefwechsel aus fĂŒnf Jahrzehnten Und vor dieser Podiumsdiskussion gab es mehrere Lesungen: großartig war die Lesung von Theo Sommer und Gabriele Beger, die aus dem Briefwechsel von Marion GrĂ€fin Dönhoff und Gerd Bucerius gelesen haben. (Haug von Kuenheim, der die gestrige Lesung moderierte, und Theo Sommer hatten diesen interessanten Briefwechsel einmal ausfĂŒhrlich in der ZEIT vorgestellt: «Fast eine Freundschaft», der Buch ist erschienen unter dem Titel Ein wenig betrĂŒbt, Ihre Marion. Ein Briefwechsel aus fĂŒnf Jahrzehnten).
Als Bonbon gab es gestern zum Abschluss einen Briefwechsel zu hören, der nicht im Buch veröffentlicht werden durfte (weil die Dönhoff-Erben dem nicht zustimmten). Es ging dabei um die hĂ€ufigen UnfallschĂ€den, welche die GrĂ€fin in fortgeschrittenem Alter und durch meist nicht mehr ganz so zielsicheres Einparken in ihrer – laut Dönhoff – zu kleinen Garage angerichtet hatte und in dem der Verleger ihr minutiös die einzelnen Schadensrechnungen aufzĂ€hlt hatte und ihr nahelegte in Zukunft doch das Taxi zu nehmen, nicht zuletzt um Gefahr von ihr selbst und anderen abzuwehren. Und die GrĂ€fin entgegnete in Bezug auf den letzten Schadensfall, sie sei doch nur einmal kurz am Lenkrad eingenickt, dabei wĂ€re ja außer den Karosserien der beteiligten Fahrzeuge niemand zu Schaden gekommen, die WerkstĂ€tten wĂŒrden außerdem viel zu hohe Preise fĂŒr die Reparaturen ansetzen und immer mehr austauschen als von ihr beschĂ€digt wurde (!) und wenn man ihr vielleicht einen kleineren Wagen geben könne, den wĂŒrde sie dann ja auch besser in die Garage hinein bekommen. Köstlich. 😉

Hannelore Hoger
Foto von Hannelore Hoger aus der ZDF-Mediathek zur aktuellen Bella-Block-Folge «Weiße NĂ€chte».

Der Tagesspiegel findet ganz aktuell wieder lobende Worte fĂŒr die parallel zur Veranstaltung in der Stabi ausgestrahlte Bella-Block-Folge «Weiße NĂ€chte» und meint:


 das Gute an der Krimireihe „Bella Block“ [sei], dass man Hannelore Hoger ĂŒberall hinstellen kann und sie immer bei sich bleibt, in allem authentisch wirkt.

Authentisch war sie auch gestern Abend in dem traumhaft schönen Innenhof des Altbaus der Stabi (s. Foto meines Hinweises von gestern), als sie aus dem neuen Roman von Isabel Allende las: «InĂ©s meines Herzens», und nicht nur las, sondern beeindruckend gut las. Hannelore Hoger hat auch das entsprechende Hörbuch gesprochen. Dass sie das gut macht, war gestern zu hören. Dass sie auch spanisch kann, merkte man spĂ€testens bei der gekonnten und wohlklingenden LektĂŒre der spanischen Namen des Romans. Ich mag die BĂŒcher von Allende nicht sonderlich, aber gestern Abend habe ich gerne zugehört. In einer Programmpause hatte ich die Möglichkeit mich lĂ€nger mit Hannelore Hoger zu unterhalten. Das war ein richtig nettes GesprĂ€ch. Wir redeten ĂŒber die Notwendigkeit von NeuĂŒbersetzungen vieler schlecht ĂŒbersetzter Klassiker, ĂŒber Autoren, die in den meisten FĂ€llen ihre Werke besser nicht selbst vertonen sollten und ĂŒber positive Ausnahmen, wie etwa GĂŒnther Grass, der das zum Beispiel kann: das eigene Buch so vorlesen, dass man gerne zuhört.

Puh, ein dichtgepacktes Wochenende, mit kulturellen und fussballerischen Freuden und einer klasse Veranstaltung in der Stabi Hamburg, die nach Möglichkeit zur Jahresfrist wiederholt und zur Institution werden soll. Also aufgepasst, wenn es im nĂ€chsten Jahr zur Zeitumstellung im Herbst wieder heißt: Die «Geschenkte Stunde».

15 Kommentare zu „Zweimal Pauli, Off-Kultur und ein Plausch mit Hannelore Hoger“

  1. Ein schönes, dichtes Programm fĂŒr Körper, Geist und Seele. So rein ĂŒberschlagsmĂ€ĂŸig gerechnet mĂŒsste eine halbe Stunde Schlaf drin gewesen sein , denke ich 🙂

    herzliche GrĂŒĂŸe
    der Flaneur

  2. Wow, fĂŒr Dein Erlebnis mit Hannelore Hoger bin ich jetzt sehr sehr sehr sehr doppelt und dreifach sehr neidisch. Mit der wĂŒrde ich auch gerne mal ĂŒber dieses und jenes reden – und vor allem sie fotografieren dĂŒrfen!

    Na gut, dann freue ich mich jetzt einfach nur fĂŒr Dich! 😉

  3. @der Flaneur: nö, ich hab sogar fĂŒr meine VerhĂ€ltnisse richtig viel geschlafen: satte 6 Stunden.

    @creezy: Danke fĂŒr’s Mitfreuen. Wenn du Fotos von Hannelore Hoger hĂ€ttest machen können, hĂ€tte ich diese wiederum gerne gesehen.

  4. Bon soir, Sie hatten ja wirklich volles Programm.
    Und ich gebe Ihnen in allen Punkten der Manoeverkritik Recht, aber sagen Sie nicht Retortenclub, das tut den Wehern auch ein bisschen weh 😉

  5. Je suis dĂ©solĂ©, Madame Jekylla, Sie haben ja recht, man sollte den Verein, ĂŒber den man die Karte bekommen hat, bzw. dessen Fans, nicht beleidigen. Hab’s umgehend in Club geĂ€ndert. (Da ist mir beim Textverfassen doch noch ein bisschen meine Abneigung gegen diesen Verein durchgerutscht, in dem der ehemalige FCS-PrĂ€sident und Hauptsponsor, der unsĂ€gliche Hartmut Ostermann, jetzt Hauptsponsor ist; aber dafĂŒr können die Fans ja nix. )

  6. Den Ausdruck habe ich bei den 60ern im Forum heute auch schon gelesen, die kommen am Sonntag in den „Filter“ 😉

    Ostermann ist Hauptsponsor? Ich dachte, BRITA..
    Hmmm….

  7. … und ich wollte den Boll noch ein paar Minuten vorher rausnehmen lassen. Der hatte alle verbaselt. Ein Schwein hat der 😉

    Forza St. PaulI!

  8. Und am Freitag hĂ€tte der Boll beinahe sogar das 0:2 in Hoffenheim gemacht. Aber auch mit dem letztendlich gewonnenen Punkt bei den heimstarken Hoffenheimern (noch so ein Retortenverein) hat Pauli einen verdienten ZĂ€hler entfĂŒhrt.

  9. Danke, Erik, fĂŒr den Hinweis auf Jaiku, das werd ich mir mal anschauen. Das mit den Channels wollte ich immer mal testen, nun bietet Pauli ja eine gute Gelegenheit dazu. 😉

  10. Pingback: ñ€ 1000mikes: Verabredung zum Piratensenden am Millerntor » ring2*

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