Willkommen bei den Sch’tis – Übersetzerische Herausforderung für Beate Klöckner & Tanja Frank

Willkommen bei den Sch'tis

Was für ein wunderbarer Film, dieser Sch’ti. Als Übersetzer hat mich natürlich die besondere Herausforderung der Übertragung dieses ungewöhnlichen nordfranzösischen Dialektes und der damit zusammenhängenden innerfranzösischen Verständigungsprobleme ins Deutsche interessiert, doch dazu später mehr. Ich hatte zunächst mal die Befürchtung, dass der Film zu klamottig, zu sehr einfacher Schenkelklopfer sei, und war dann angenehm überrascht, als ich ihn vorgestern in Saarbrücken sah. Dem Regisseur Dany Boon ist eine liebevolle Hommage an seine nordfranzösische Heimat gelungen. Wer den Streifen sieht, kann verstehen, warum der Film mit über 20 Millionen Zuschauern in Frankreich so enorm erfolgreich ist. Hier der deutsche Trailer:


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Sehr viele Interviewpassagen mit Regisseur und Schauspielern gibt es in diesem französischen Video mit Filmausschnitten zu sehen, wo man gegen Ende auch die Szene sieht, die im Deutschen recht gelungen den Verständnisfehler «Busch – Bus» im Original zeigt, wo der Sch’ti von les seines redet, sein aus dem Süden frisch versetzter Chef aber les chiens versteht:


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Zur Übersetzung: Sie wurde von der Synchro-Regisseurin Beate Klöckner (Berliner Synchron) realisiert. Die Übersetzung selbst hat Tanja Frank gemacht. Das Duo Klöckner/Frank war auch schon für die Übersetzung von «Die Fabelhafte Welt der Amélie» (2001) verantwortlich. In einem Interview im Deutschlandradio erklärt Beate Klöckner die Herangehensweise an die schwierige Aufgabe die Sch’ti-Sprache ins Deutsche zu übertragen. Was meiner Meinung nach überzeugend gelungen ist. Das interessante Interview vom Oktober 2008 (zum Filmstart in Deutschland gesendet) kann hier nachgehört werden:
[flash]http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2008/11/20/dlf_20081120_1538_93ffcd13.mp3[/flash]
Dazu passt auch das Interview mit Beate Klöckner auf Welt online: «So erfindet man einen neuen deutschen Dialekt».

Wer sich fragt, woher der Ausdruck Ch’ti eigentlich kommt, erfährt die Herleitung des Begriffes im Bonjour-Frankreich-Forum:

“Ch’timi” oder verkürzt “Ch’ti” bezeichnet die gebürtigen Nord-Pas de Calais-Einwohner und deren Sprache.
Das Wort “Ch’ti” soll aus dem ersten Weltkrieg stammen.
“Ch’ti?”=”c’est toi?”/”Bist du’s”? und “ch’mi”=”c’estmoi!”/”Ich bin’s!”/”C’est moi!”.
Die sprachwissenschaftliche Bezeichnung für “ch’ti” heißt “Picardisch”, eine nordromanische Mundart.

In der gleichen Quelle gibt es auch ein kleines Glossar: Französisch/Ch’ti/Deutsch zu bewundern:

Petit = TCHIO (klein)
CHAUD = KO (warm)
C’EST BEAU = CH’EST BIAU (es ist schön)
PLEURER = BRAIRE (weinen)
CHIEN = KIEN (Der Hund)
CHOSE = KOSE =(Ding,Gegenstand)
[…]

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11 Kommentare zu „Willkommen bei den Sch’tis – Übersetzerische Herausforderung für Beate Klöckner & Tanja Frank“

  1. Pingback: Schadenfriendly – Whatever you say, it’s linguistic. » Blog Archiv » Les ch’tis

  2. Danke fürs verlinken, hab den Beitrag auch verlinkt (nicht dass ich alles mit Links zuspammen wollte ;)), die zwei Interviews sind wirklich spannend und geben einen Einblick, was für ein Kampf eine Synchronisation sein kann.
    Finde es lustig, dass man den Schweizern (die nicht unbedingt besser Französisch können) eine OmU-Fassung zutraut und den Deutschen nicht. Am besten wäre natürlich, wenn jede/r selber entscheiden könnte, ob Originalfassung oder synchronisiert. Um diese Frage gibt es ja richtige Grabenkriege…

  3. @Liisa: Unbedingt reingehen, der Film wird Dir gefallen.

    @Herr Punkt Markus: Genau, im deutschen hätte der Film mit deutschem Dialekt nie funktioniert (womöglich hätte man sich noch für das Saarländische entschieden, dann hätte ich mich als Saarländer fremdgeschämt ;-).

    @r|ob: Vielen Dank fürs Lob. Dafür macht man sowas ja (also nicht fürs Lob, sondern dass die Leute von der eigenen Recherche auch profitieren können).

    @Kim: Danke wiederum für das Aktualisieren Deines Artikels. Ich beneide Euch in der Schweiz ja für die Untertitelung (statt der Synchronisierung). Vor allem bei den spanischen Filmen würde ich mir das auch in D. wünschen, nicht zuletzt, weil die Filme dadurch schneller in die Kinos kommen.

  4. @Violine: Das ist natürlich das Optimum. Ich glaube, ich würde ihn mir dann sogar noch mal als OmU anschauen, um die französische Variante der Dialoge zu hören.

  5. Schön, dass Du den Film jetzt auch in der synchronisierten Fassung gesehen hast. Die Behinderten-Nummer zieht ja nicht die Behinderten durch den Kakao, sondern diejenigen, die sich dafür ausgeben, um eine Stellenversetzung zu begünstigen. Sicher etwas klamottig umgesetzt, aber ich fand das jetzt nicht so tragisch. Über Behinderte zu lachen, ist eh ein schwieriges Thema; aber man sollte auch bedenken, nicht über sie zu lachen, kann auch eine Form von Diskriminierung darstellen. Trotzdem kann ich natürlich sehr gut verstehen, dass Deine Bekannte über diese Szene nicht amüsiert war.

  6. Hast Du schon mitbekommen, dass Claude Berri gestern verstorben ist? Er ist ja der Produzent des Films und auch sonst in Frankreich sehr bekannt als Schauspieler und Regisseur.

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