Die 389 Bundestagsabgeordneten von CDU und SPD, die am Donnerstag (wider besseres Wissen? oder gegen alle Vernunft? oder einfach nur schlecht vorbereitet?) dem Zugangserschwerungsgesetz zugestimmt haben, ahnen noch gar nicht, welche weitreichende Auswirkung dies auf die Politisierung der Bevölkerung haben wird.
Wer momentan im Netz unterwegs ist, spürt regelrecht, wie sich die Webcommunity zunehmend stärker politisch äußert. Wenn durch die Hintertür des vorgeschobenen Argumentes, es solle Kindesmissbrauch bekämpft werden (was nach Meinung aller ernst zu nehmenden Experten ja überhaupt nicht der Fall ist), eine Infrastruktur zur Netzzensur eingeführt werden soll, dann sehen sich die Menschen, für die das Internet ein bedeutender Teil ihres Lebens ist, gezwungen, auf diesen Verfassungsbruch und auf diese ernst zu nehmende nicht rechtsstaatlich kontrollierbare Freiheitseinschränkung hinzuweisen. Eine maßlose Fehlentscheidung, die mich immer noch fassungslos macht, und die exemplarisch zeigt, wie offensichtlich dem Wahlkampf geschuldete und parteipolitisch gewollte Entscheidungen gegen die Argumente der Experten und gegen 134.014 Petitionsunterzeichnende durchgeboxt werden.
Die beste persönliche Stellungnahme zu diesem Thema habe ich heute bei Christoph Thurner gelesen, einem mittelständischen Unternehmer und Familienvater aus der Nähe von Kiel, der bisher die CDU gewählt hat, und der in einem überaus lesenswerten Text seine Position in gut nachvollziehbaren Worten jenseits aller Parteipolitik deutlich macht:
Dank der systematischen Beschränkungen und Kontrolle der Bürger (speziell im Zusammenhang mit dem Internet) der aktuellen Bundesregierung wuchs mein Interesse (genau genommen meine Verärgerung) an der aktuellen Politik. Den Vogel abgeschossen hat dann schließlich der Vorstoß von Ursula v.d. Leyen, mit offensichtlich unbrauchbaren Methoden Kindesmissbrauch (schwachsinnigerweise Kinderpornografie genannt) bekämpfen zu wollen. Nachdem ich zunächst, wie sicherlich viele andere auch, die Sache vernünftig fand, wurde ich durch einen Blogbeitrag auf die Hintergründe aufmerksam – fing an zu zweifeln und begann mich mit dem Thema zu beschäftigen. Für diesen Anstoß, den ich offenbar gebraucht habe, um mich endlich ernsthaft mit Politik zu beschäftigen, Danke ich ganz besonders Ihnen, Frau v.d. Leyen!
Unbedingt weiterlesen auf Wir sind das Volk:
Vielen Dank Ursula v.d. Leyen (ernst gemeint)!
Die Piraten-Partei hat bundesweit unter dem Motto Löschen Statt Sperren zu Mahnwachen aufgerufen. Auch ich bin diesem Aufruf gefolgt und habe mich gemeinsam mit mehreren Hundert Leuten von 12 bis 14 Uhr am Rathausmarkt in Hamburg eingefunden. Kurios zu beobachten war die Bewegung der Menge beim mehrfach einsetzenden starken Regen: Die meisten suchten in den umliegenden Überdachungen oder im Rathaus-Eingang Schutz vor dem von oben kommenden Nass. Ein Häufchen tapferer, regenresistenter Piraten verharrte alleine in der Mitte des Platzes und schwenkte die orangenfarbene Piraten-Flagge:
Ich weiß nicht, wie viele Personen vor Ort waren, das war auch ob der geschilderten Bewegungen schwer zu schätzen. Vielleicht so etwa 300 Menschen, vielleicht auch einige mehr. Jedenfalls ein gutes Zeichen, dass sich Personen gegen Versuche der Netzzensur engagieren. Und das ist ja alles erst ein Anfang. Die Hundertausende, die jetzt schon enttäuscht sind, von der bürgerfernen Politik einer Generation von Volksvertretern, die das Internet offensichtlich überhaupt nicht begreift, werden dafür eintreten, dass solche Fehlentscheidungen nicht einfach hingenommen werden. Sie wachzurütteln ist das Verdienst der Debatte um #zensursula. Insofern gebe ich Christoph Thurner recht: Vielen Dank Ursula v.d. Leyen!