Ferdinand von Schirach: Der Anwalt und die Sprache

Ferdinand von Schirach

Am Sonntag-Morgen hab ich wieder mal meine Lieblingssendung im Radio gehört: Spreeblick auf Flux.fm (die kommt immer sonntags von 10 bis 12 Uhr). Dieses Mal hatte Johnny Haeusler, der morgen übrigens 50 wird, in seiner Interview-Sendung den Anwalt und Schriftsteller Ferdinand von Schirach zu Gast:

Mit seinen Erzählbänden – neben “Verbrechen” auch “Schuld” – hat Ferdinand von Schirach es geschafft, zu einem der erfolgreichsten deutschen Schriftsteller zu werden. Auch international werden seine Bücher zu Bestsellern. Von der britische Tageszeitung Independent bis zur New York Times gibt es positive Kritiken und Preise. Die ersten Geschichten werden verfilmt. Von Schirach schreibt weiter sowohl Bücher, als auch Essays für den Spiegel. Ferdinand von Schirach lebt und arbeitet als Strafverteidiger und Schriftsteller in Berlin.

Ich hatte zwar zuvor schon viel von ihm gehört («Verbrechen und andere Kleinigkeiten»), hatte von Schirach aber noch nie sprechen gehört. Und von Anfang an zog mich diese Stimme und das, was sie sagte, in ihren Bann. Und ich dachte mir, wenn der Mensch so schreibt wie er spricht, muss es in der Tat eine wahre Freude sein, ihn zu lesen. Gleich am Montag Morgen hab ich mir in der Stabi «Verbrechen» ausgeliehen, und ich wurde nicht enttäuscht.

Die Sendung von Sonntag kann, wie immer ohne Musik, nachgehört werden:

Eine ausführliche Leseprobe aus «Verbrechen» steht auch auf der Website von Ferdinand von Schirach bereit. Hier ein Auszug aus der ersten Geschichte «Fähner»:

Unter der Woche blieb er lange in der Praxis. Als Arzt war Fähner gründlich und mitfühlend. Seine Patienten schätzten ihn, seine Diagnosen waren Maßstab in Rottweil. Er verließ das Haus, bevor Ingrid aufwachte, und kehrte erst nach neun zurück. Die Abendessen voller Vorwürfe nahm er schweigend hin. Die metallische Stimme Ingrids reihte modulationslos Satz um Satz Anfeindungen aneinander. Sie war fett geworden, ihre blasse Haut hatte sich mit den Jahren rosa gefärbt. Ihr wulstiger Hals war nicht mehr fest, vor ihrer Kehle hatte sich ein Hautlappen gebildet, der im Takt ihrer Beschimpfungen hin und her waberte. Sie litt unter Atemnot und Bluthochdruck. Fähner wurde immer dünner. Als er eines Abends mit vielen Worten vorschlug, Ingrid möge Hilfe bei einem befreun­deten Nervenarzt suchen, warf sie eine Pfanne nach ihm und brüllte, er sei eine undankbare Sau.

Gerade neu erschienen, und natürlich auch Thema im sonntäglichen Interview bei Spreeblick auf Flux.fm sind zuvor im Spiegel veröffentlichte Essays von Ferdinand von Schirach – «Die Würde ist antastbar»:

Unser Grundgesetz beginnt mit dem Satz: ‘Die Würde des Menschen ist unantastbar.’ Das ist natürlich falsch, denn die Würde wird andauernd angetastet.

Schirach sagt im Interview bei Johnny, die Sprache sei ein wichtiges Werkzeug eines Anwaltes. Er muss gut mit Sprache umgehen. Von Schirach muss zweifellos auch ein guter Anwalt sein.

Foto: Paulus Ponizak – Piper Verlag: Ferdinand von Schirach, CC BY-SA 3.0H.

2 Kommentare zu „Ferdinand von Schirach: Der Anwalt und die Sprache“

  1. Ich habe das erste und das zweite Buch von ihm gelesen. Großartig diese nüchterne, lakonische Art, über die teils doch recht gruseligen Stories zu schreiben! Anfang diesen Jahres hat er eine Lesung mit Vortrag im Kammermusiksaal der Philharmonie hier in Berlin gehalten. Der Mann hat echt Witz und großes Talent für die Bühne. Ein paar der Philharmoniker spielten dann in den Pausen. Irgendwie war das ganze Setting schon etwas grotesk und gleichzeitig klasse. http://www.berliner-philharmoniker.de/konzerte/kalender/details/17448/

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