Juli Zeh: NSA wie Einbrecher im eigenen Haus

Juli Zeh: Was wir hier erleben, ist nicht irgendein abstraktes Technik-Schnick-Schnack. Bei einer Überwachung in diesem Ausmaß geht’s auch nicht mehr um die komplizierte Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit […] Was wir hier erleben, ist ein Angriff auf unsere Verfassung von historischem Ausmaß.

Die an meiner Heimat-Uni Saarbrücken zum Dr. jur. promovierte Schriftstellerin Juli Zeh hat heute dem heute Journal ein Interview gegeben, das deutlicher nicht aussprechen kann, was Viele momentan in Deutschland empfinden. Fassungslos sehen wir uns das Trauerspiel der deutschen Nicht-Reaktion der Bundesregierung auf den Angriff auf unsere Verfassung an und staunen gleichsam über anhaltend gute Umfragewerte für die Union (Deutschlandtrend: Unionshoch trotz NSA-Affäre).

Was ist es: Gleichgültigkeit gegenüber den Vorgängen? Wir haben doch nichts zu verbergen? Politischer Stursinn? Sagen 40 % der Menschen: Ich wähle immer die CDU, und egal, was sie macht, ich werde sie nochmal wählen? Wird die Kritik an Merkel und ihrem Kabinett einfach als reines Wahlkampfgetöse der Anderen abgetan? Nach dem Motto: die SPD und die Grünen sind ja auch nicht besser? An Letzterem ist ja was dran. Unter Rot/Grün hat die NSA genauso abgehört. Beide vermeintlich eher als die konservative CDU auf freiheitliche Bürgerrechte bedachte Parteien unternehmen auch nichts gegen die Vorratsdatenspeicherung oder gegen die Bestandsdatenauskunft.

Meine Hoffnung – zugegeben: wenig überraschend als Pirat – ist, dass sich bis zum 22. September genügend Menschen entschließen können, die Piraten zu wählen, damit der Einzug in den Bundestag und eine verstärkte parlamentarische Kontrolle und Transparenz rund um die ungeheuerlichen Angriffe auf unsere Verfassung möglich werden. Um es mit den gestern von @Kattascha veröffentlichten Worten zu sagen:

Update 21:30 Uhr: Passend dazu auch Kattaschas heute in der FAZ veröffentlichter Artikel:

Eine offene Demokratie ist anfällig für Angriffe. Doch was wollen wir aufgeben, um in einer möglichst sicheren Welt zu leben? Rein objektiv betrachtet bewegen wir uns in einer sicheren Gesellschaft.

Weiter auf faz.net: Katharina Nocun: «Der Überwachungsstaat ist der größte Anschlag».

2 Kommentare zu „Juli Zeh: NSA wie Einbrecher im eigenen Haus“

  1. Stimme dir zu. Allerdings werden die Piraten als Partei, selbst wenn sie Teil der parlamentarischen Opposition auf Bundesebene werden sollten, allein nicht viel ausrichten könnten.

    Ich denke, wir brauchen eine bereiteres zivilgesellschaftlicheres Engagement um Überwachungsstaaten und Kontrollgesellschaften zurückzudrängen.

    Wer am Samstag nicht die Möglichkeit hatte, diese zivilgesellschaftilche Engagement in Protest zu formulieren, der hat am Privacy Day (#IDP13) am 31. August eine weitere Chance dies zu tun. Und am 07. September findet in Berlin die Demonstration “Freiheit statt Angst statt.

    Nur wenn es gelingt eine dauerhafte Bewegung mit weitaus höherer Kontinuität als die Occupy-Bewegung zu aktivieren, werden das Begehren des Überwachungsstaates und der Kontrollgessellschaft dauerhaft zurückdrängen.

    Aussagen von Law-and-Order-Politikern oder beschwichtigende Kommentare patriarchaler, vergreister Politik-Journalisten in der ZEIT, die ihr Kaffee-und-Kuchen-Wahlkampfnormativ gefährdet sehen, sind nicht nur skandlös, sondern verweisen auf ein zu brechendes Set von Normativen, da auf ihrer Grundlage der Überwachungsstaat und die Kontrollgesellschaft legitimiert werden könnte. Und von da aus wäre es zu einer Minority-Report-Welt nicht mehr weit.

    Es ist so ähnlich, wie mit der Umwelt- bzw. der Anti-AKW-Bewegung: Nur mit dauerhaften zivilgesellschaftlichen Engagement außerhalb und innerhalb des Netzes haben wir meiner Meinung nach überhaupt eine Chance dieser Tedenz Einhalt zu gebieten. (Wobei die Dichotomie Außen und Innen aufgrund der Dezentralität und gefühlten Omnipräsenz des Netzes eher nur so semi funktioniert 😉 )

  2. @Tobias: Mit keinem Wort wollte ich ausdrücken, es brauche nur Piraten im Bundestag und alles würde gut. Selbstverständlich ist das zivilgesellschaftliche Engagement DIE Voraussetzung dafür, dass überhaupt etwas passiert. Piraten im Bundestag können darauf aufbauend höchstens helfen, dass dieses Engagement auch in der parlamentarischen Arbeit abgebildet wird.

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