E-Book UND Buch – kein entweder oder

Leser von E-Book und Buch in der U1

Gestern und heute habe ich jeweils eine Aufnahme gemacht, die Menschen beim Lesen von Büchern in der U-Bahn zeigt. Die zufällig und willkürlich ausgewählten Fotos sind diesem Artikel vor- und nachgestellt und erheben natürlich keinen Anspruch auf eine repräsentative Erhebung. Was sie aber zeigen, ist, dass es ein paralleles Lesen von Texten, sowohl in gedruckter Form auf Papier, als auch in elektronischer Form im E-Reader, gibt. Ich finde, es wird viel zu viel Bohai darum gemacht, was sich nun durchsetzen wird. Antwort: keines von beiden alleine. Das Stichwort ist die friedliche Koexistenz; wie so oft im Verlaufe der Kulturgeschichte, wo ein neues Medium nicht immer automatisch das alte verdrängt. Ein Dozent hat letzte Woche am IBI bereits das Ende des Papiers ausgerufen. Kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen.

Bin heute auf zwei Auseinandersetzungen mit diesem Thema gestoßen, die mich in meiner Einschätzung, dass es auf absehbare Zeit beides geben wird: die stark aufholenden E-Books und die gedruckten Bücher. Manchmal auch – so wie bei mir – von ein und derselben Person gleichzeitig genutzt. Einmal der Artikel «Hurra, wir lesen doch! – Von E-Readern, Printwälzern und Lesegewohnheiten» von Nicole Haase:

Man liest Vergleiche, wie „eBook vs. Printbuch“ und gewinnt bei der Häufung solcher Headlines den Eindruck man müsse sich demnächst entscheiden. Auch wenn der weiterführende Inhalt der Beiträge wunderbar informativ ist und lückenlos Vor- und Nachteile aufführt, so klingt der Titel doch nach den Kontrahenten im Boxring. Hört man dann noch an anderer Stelle Sätze, wie „Die Verdrängung des Papiermodells naht.“, dann ist klar, wofür man sich entscheiden muss. Liegt auf dem Nachttisch noch Gedrucktes, fühlt man sich selbst eventuell etwas angestaubt.

Bitte dort weiter lesen und erfahren, wie entspannt und ohne Entscheidungskämpfe man E-Books und Bücher parallel lesen kann.

Als ich jenen Artikel auf Google+ teilte, war Markus Spath (aka @hackr) so nett, mich auf die (nach-)hörenswerte Diskussion «Die Zukunft des Lesens» hinzuweisen. Dabei handelt es sich um eine Aufzeichnung der öffentlichen Veranstaltung vom 29. Mai 2012 in der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Offenbach.

Wie verändert die digitale Evolution das Leseverhalten und das Publizieren? Führt die Demokratisierung des Herausgebens und Rezensierens in eine Epoche des unüberschaubaren Wissens oder des Vergessens? Ist das Ende des linearen Lesens das Ende der Literatur? Wird Gedrucktes zum Luxusobjekt?

Auf dem Podium diskutierten: Siggi Becker (Elektrischer Reporter), Sebastian Oschatz (Meso), Dr. Petra Gropp (S. Fischer Verlag), Prof. Peter Eckart (HfG Offenbach) und Christoph Schröder (Literaturkritiker). Die Gesprächsleitung hatte der hr2-Redakteur Peter Kemper. Die 54-minütige Diskussion kann hier nach gehört werden:

http://mp3.podcast.hr-online.de/mp3/podcast/hr2_kulturszene/hr2_kulturszene_20121029.mp3

Buch führt 2:1 gegen E-Book (auch in der U1)

14 Kommentare zu „E-Book UND Buch – kein entweder oder“

  1. Danke für diesen Beitrag 🙂 und dito in Richtung Elke.

    Spontan kommt mir der Gedanke, wie wichtig ich es für mich finde, dass ich die unterschiedlichen Vorteile der Darreichungsformen (z.B. Digitale Markierungen & Notizen, analoge Klebezettel & einfaches Nebeneinanderlegen von Texten) verbinden kann um die Arbeit mit den Texten und den Themen zu intensivieren.

    Für den reinen (ketzerisch oberflächlichen) Konsum könnte Print tatsächlich irrelevant sein.

  2. @Elke & Mel: Besser kann man die Kontroverse «E-Book – Buch» nicht auf den Punkt bringen:

    * mehr Ergänzung als Verdrängung

    * unterschiedliche Vorteile der Darreichungsformen verbinden

  3. Sorry, wenn ich da mal etwas ketzerisch mich einmische und die Harmonie störe. Für mich hört sich das ein wenig wie das Pfeifen im Walde an. “Wie? Alles soll sich ändern? Aber wir hattens doch so schön…”. Fakt ist momentan ein gigantisches Wachstum des E-Book Marktes, eine zunehmende Normalisierung des Lesens auf elektronischen Medienträgern sowie ein aggressiver Preiskampf bei den entsprechenden Geräten von den Konzernen, die ein Interesse an der Durchsetzung des papierlosen Lesens haben. Glaubt ihr wirklich, dass sich das noch aufhalten lässt? Und mal ehrlich, warum sollte mensch das wollen, angesichts der Vorteile der elektronischen Medien? Und ja, natürlich, es wird weiter Bücher geben. Es gibt ja auch noch CDs und sogar LPs. Und Pferdekutschen sieht mensch auch gelegentlich noch. 😉

  4. @Hendrik: Harmonie stören ist immer gut und kann ja auch konstruktiv sein. Aber: Wer redet denn hier von “Wir hattens doch so schön“? Ich glaube, der Sinn des Postings ist nicht ganz angekommen. Es geht mir und den Kommentatorinnen doch überhaupt nicht um ein nostalgisches Festhalten am Althergebrachten, sondern nur darum, dass das Neue das Alte nicht ablösen wird. Nicht mehr und nicht weniger.

  5. Schon klar, ich hab zu sehr zugespitzt. Aber für mich hört sich das immer ein bisschen so an wie “Wir können ja Freunde bleiben”. Mentale Brücken sozusagen, damit der Abschied nicht so schwer ist. Oder? Ich kann mich noch sehr gut an mein Gefühl so ca. 1995 erinnern, als Wolfgang Hagen – damals noch Radio Bremen – in einem Vortrag sagte: “Alles wird digital”, und ich genau das dachte, was Du in deinem Posting auch schreibst : “Kann ich mir nicht vorstellen”. Bis jetzt hat Hagen Recht gehabt.

    Um zum Posting zurückzukommen: Über kurz oder lang (in Deutschland eher lang) wird das Neue das Alte ablösen. Die Zeichen dafür sind gerade sehr deutlich, und es wird m.E. kein gleichberechtigtes Nebeneinander mehr geben.

  6. @Hendrik: Danke für die Präzisierung Deines durchaus verständlichen Standpunktes. Ich glaube, während unserer Lebenszeit wird es noch ein Nebeneinander von gedrucktem Buch und digitalen Publikationen geben. Wohin sich der Fokus verschieben wird (ohne jeden Zweifel nach E) ist klar und niemand will das auch aufhalten.

    Wir werden sehen, wie’s kommt. 😉

  7. Na, ok 😉 Aber das mit der Lebenszeit seh ich schon anders. Bei der Musikindustrie hat’s mal gerade ein Jahrzehnt oder so gedauert. Und sooo alt sind wir ja nun auch noch nicht.

  8. Ich tendiere stark dazu, dir zuzustimmen, Markus. Im Studium ist eine weite Verbreitung von E-Books noch nicht absehbar. Mir ist kaum ein Student in der Sozial- und Geisteswissenschaften bekannt, der mittels Ebook-Reader seinen studentischen Alltag gestaltet. (In anderen Bereichen z. B. Wirtschaftwissenschaften o. Informatik mag das anders aussehen.) Auch hält sich der E-Book-Anteil in den Bibliotheken bis auf zentrale Lehrbücher oder US-amerikanischer Titel noch in Grenzen.

    Der Eindruck, dass »alles digital« werde müssen wir vor allem im Hinblick auf die eigene lebensweltiche Sphäre kritisch bewerten.

    Wenn ich daran denke, dass Laptops in Vorlesungen und Seminaren noch bei weitem nicht die Hälfte aller Teilnehmer*Innen genutzt wird, wenn wir bedenken, dass Menschen älterer Generationen noch immer mit dem Schreiben einer E-Mail überfordert sind, Handouts und Präsentationen noch immer nicht den gegewärtigen Möglichkeitsraum von Textverarbeitungs- und Präsentationssoftware reflektieren (nicht erschöpfen!), halte ich Markus’ These von der Gleichzeitigkeit von E-Books/Tablet-Readern und ihren gedruckten Ahnen für wahrscheinlicher.

    Hinzu kommt auch immer wieder die Verunsicherung potentieller Käuferschichten durch das nicht immer nachvollziehbare Gebahren großer US-amerikanischer Anbieter.

  9. Pingback: Podcast-Empfehlung zum Thema Verlage & E-Books im Stabi-Blog

  10. Creo que el “sabor” de la lectura es distinto, así que es probable que, como dices, los dos tipos de libros tengan que coexistir por más tiempo del que mucha gente piensa

  11. Pingback: Arte-Doku «Wie unser Hirn lesen lernt» – Wir hören die Wörter, die wir lesen. » Text & Blog – Das Weblog von Markus Trapp

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