Privilegierte Übersetzer? – Eine Entgegnung

Sind wir schon so weit? Nicht nur, dass literarische Übersetzer für die wichtige Arbeit, die sie leisten, viel zu schlecht bezahlt werden, nein es wird ihnen auch öffentlich vorgeworfen, sie täten nur so, als verdienten sie zu wenig. So geschehen am 7.2.07 in dem bereits erwähnten NZZ-Artikel «Notwendige Unterbezahlung?» von Joachim Guntner, der sich erdreistet zu behaupten:

Wenn ein gefragter Übersetzer wie Burkhart Kroeber klagt, ‹wir müssen von etwa 1000 Euro pro Monat leben›, dann ruiniert er nicht nur seine eigene Glaubwürdigkeit, sondern die der ganzen Zunft.

Immerhin druckt die NZZ heute – dankenswerterweise und ganz im Sinne Ihrer gewohnten Neutralität – die Gegendarstellung des Umberto Eco-Übersetzers Burkhart Kroeber ab:

Die durchschnittlich 1000 Euro sind keineswegs, wie Güntner vermutet, der von einem «Unterprivilegierten» erzielte Betrag. Sie sind das, was ein vielgefragter und in den Verlagen hochgeschätzter Übersetzer in guten Zeiten (d. h., wenn er gesund ist und kein Auftragsmangel herrscht) erwirtschaften kann. Je schwieriger eine Übersetzung ist, desto geringer wird diese Summe – bei manchen Texten schafft man nicht mehr als 2 bis 3 Seiten pro Tag.

Weiter in «Privilegierte Übersetzer? – Eine Entgegnung» von Burkhart Kroeber.

Ich finde es beschämend, dass Burkhart Kroeber sich auf diese Ebene herablassen muss, und hier vorrechnen muss, wie schlecht die Übersetzer von Literatur gestellt sind. Gleichzeitig ist es ihm hoch anzurechen, dass er es tut. Danke dafür, Burkhart!

Die Übersetzer haben keine Lobby und verfügen nicht über große PR-/Marketingabteilungen wie die Verlags- und Medienkonzerne. Was die Übersetzer haben, sind ihre Leser (also euch!), die sich freuen ausländische Literatur in ihrer Sprache lesen zu können und die Freude an Texten zu haben, deren Originalsprache sie nicht beherrschen. Vielleicht denkt ihr einfach mal daran, wenn ihr das nächste Mal ein ausländisches Werk auf deutsch lest und schaut mal vorne in die Angaben, wer das Werk übersetzt hat.
Damit haben wir noch keinen Cent mehr verdient, aber vielleicht stärkt das bewusste Wahrnehmen der Übersetzer auch endlich einmal ihre Position als Urheber.

6 Kommentare zu „Privilegierte Übersetzer? – Eine Entgegnung“

  1. Pingback: Ist es gut, dass Übersetzer unterbezahlt sind? - Das Literatur-Café - Der literarische Treffpunkt im Internet

  2. Hallo Markus,
    danke, dass du uns hier wieder eine gute Zusammenfassung von der aktuellen Entwicklung lieferst!!!
    Ich lese ja viele Bücher im Original (z. Zt. meist Englisch:-), aber ich freue mich immer, wenn ich Lesen! sehe und Elke Heidenreich einen Titel ankündigt, sie weist in der Regel (ich wollte “immer” schreiben, bin mir aber nicht 100% sicher) darauf hin, von wem die Übersetzung stammt. Im Newsletter stehen die Übersetzer IMMER dabei. Also, vielleicht auch hier schon ein kleiner Lichtblick…
    Weiter so,
    liebe Grüße, Carmen

  3. Wenn ein Übersetzer nur drei Seiten pro Tag übersetzt, bekommt er in einem Jahr mit 220 Arbeitstagen und einem 8 h Tag tatsächlich nur 1000 Euro pro Monat.

    Dann ist dieser Übersetzer jedoch langsamer als viele Autoren, die oft 8 bis 10 Seiten pro Tag schreiben. Es ist also ein langsamer und/oder schlechter Übersetzer.

    Wenn er ein schneller und guter Übersetzer ist, wird er 8 bis 10 Seiten pro Tag übersetzen und dann auch das Dreifache erhalten. Nämlich 3000 Euro im Monat. Es kommen dann noch die Überweisungen für weitere Lizenzierungen und Verwertungsstufen hinzu. Und dann ist der freie Übersetzer, der sich seinen Arbeitstag einteilen kann, der mal mehr und mal weniger arbeiten kann, der bei einem Bestseller auch am Erfolg beteiligt ist, der seine Übersetzung auch weiterverkaufen kann, doch deutlich besser gestellt als zum Beispiel ein Lektor oder ein Redakteur oder ein Beamter oder ein guter aber vielleicht erfolgoser Autor oder…

    Im übrigen zahlen Verlage denjenigen Übersetzern bereits heute mehr Geld, die tatsächlich wesentlichen Anteil am Erfolg eines Buches haben, deren Leistung also nicht austauschbar ist. Einen Krimi oder einen historischen Roman oder auch ein populäres Sachbuch können sehr sehr viele Menschen in Deutschland übersetzen. Dafür ist der Preis etwas niedriger als für ein lyrische Geschichte aus dem Chinesischen zum Beispiel. Aber das ist auch in Ordnung, da auch bei Übersetzungen marktwirtschaftliche Prinzipien gelten müssen. Wenn weniger Menschen ein bestimmtes Werk übersetzen können, wird der Preis für diese Übersetzung ansteigen. Ich frage mich, welcher freiberufliche Dienstleister in einer anderen Branche (ohne Zugangsbeschränkung für seinen Beruf) eine tarifliche Vergütung fordern kann? Es wird niemand gezwungen, Übersetzer zu werden.

    Insgesamt sind seit Beginn der erhöhten Ansprüche der Übersetzer bereits 30% weniger Übersetzungen von belletristischen Werken beauftragt worden als noch vor wenigen Jahren. Es ist also so, dass die Vielfalt der Übersetzungen gerade durch überzogene Ansprüche von Übersetzern begrenzt wird und nicht durch die geringe Bezahlung der Übersetzer. Die Verlage kalkulieren ihre Bücher auf der letzten Kommastelle. 80% der Titel, die von einem belletristischen Verlag publiziert werden, sind unter “Vollkosten” negativ. Es findet also in massiver Weise bereits heute eine Quersubventionierung statt, zwischen erfolgreichen und nicht so erfolgreichen Autoren.

    Und zum Schluss noch zur Frage der Urheberschaft. (Auch wenn die Bundesregierung hier anderer Meinung ist) Offensichtlich reicht die Urheberschaft bei den meisten der Übersetzer nicht dazu aus, selbst am Markt erfolgreiche Geschichten oder Sachbücher zu schreiben. Die Leistung liegt in der gekonnten (belletristik) und fachlich einwandfreien Übertragung ins Deutsche. Und dafür müssen die Übersetzer auch angemessen entlohnt werden, was in der weit überwiegenden Anzahl aller Verlage auch passiert. Ob das aber mit der Urheberschaft eines Autors verglichen werden kann? Diejenigen Übersetzer, die selbst schöpferisch tätig sind ( z.B. die Übersetzer von Lyrik etc.) haben alle ihre eigenen leidvollen oder auch freudigen Erfahrungen mit eigener Autorenschaft und wissen, dass die Vergütung für die Übersetzer oft höher ist, als die für einen Autor.

    Der Verfasser dieses Textes möchte gerne inkognito bleiben. Aber so viel sei gesagt: der Verfasser hat selbst als Autor sowie bei Verlagen, Zeitungen als freiberuflicher Redakteur und Lektor gearbeitet und arbeitet auch hin und wieder als Übersetzer.

  4. alivi: Dass Du inkognitio bleiben möchtest, akzeptiere ich.

    Dass Du dich allerdings bereits in deinem ersten Satz meiner Meinung nach als unglaubwürdig erweist, will ich hier doch anfügen. Wer in einem korrekt arbeitenden Übersetzer, der für einen schwierigen Text durchaus nicht mehr als 2-3 Seiten pro Tag schaffen kann, lediglich einen schlechten und/oder langsamen Übersetzer sieht, zeigt, dass er von der hier angesprochenen Debatte nichts, aber auch wirklich gar nichts, verstanden hat.

    Hier wieder die Mär ins Spiel zu bringen, der Rückgang der Übersetzungen sei den Übersetzern und (ihrer gerichtlich bestätigten!) Forderung, dass Übersetzungen angemessen zu vergüten seien, zu schulden, lässt auf einen professionellen Hintergrund des Kommentatoren schließen, handelt es sich doch um ein Argument, das gerne von Verlagsseite vorgebracht wird.

    Lieber anonymer Kommentator: zum ersten Mal, seit ich dieses Blog betreibe, war ich geneigt einen Kommentar nicht freizugeben. Doch möchte ich keineswegs Zensur üben, sondern überlasse es meinen Lesern, sich hier ein Bild zu machen.

  5. Hallo,

    ich bin geradezu geschockt über die Gleichung “schneller Übersetzer = guter Übersetzer”. Mit Verlaub: Mehr als eine Speisekarte kann der Autor der Zeilen (alivi) nicht übersetzt haben, sonst würde er nicht solch groteske Äußerungen von sich geben….

    P.S. Und das Argument, Lektoren und/oder Autoren verdienten ebenfalls schlecht, ändert doch rein gar nichts an der Tatsache der Unterbezahlung, oder?!

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